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Corona-Infektion als Arbeitsunfall

Büroangestellte und Grundschullehrerin klagten erfolglos
Wann gilt eine Corona-Infektion als Arbeitsunfall?

Tanja Sautter
Seit Beginn der Pan­demie infizieren sich die Men­schen in Deutsch­land massen­weise mit dem SARS-CoV-2-Virus. Und obwohl es sich um eine all­ge­meine Gefahr han­delt, kann eine solche Infek­tion und die daraus resul­tierende Covid-19-Erkrankung unter Umstän­den ein Arbeit­sun­fall sein.

Voraus­set­zung für die Anerken­nung ein­er Coro­na-Infek­tion als Arbeit­sun­fall ist zunächst ein­mal, dass die Infek­tion nachgewiesen ist. Hier­für ist ein pos­i­tiv­er PCR-Test erforder­lich. Weit­er muss sich die Infek­tion „infolge“ der ver­sicherten Tätigkeit, also etwa der Beschäf­ti­gung oder des Schulbe­suchs, ereignet haben. Das bedeutet, dass ein inten­siv­er Kon­takt mit ein­er infek­tiösen Per­son, ein­er soge­nan­nten Ind­ex­per­son, nach­weis­lich stattge­fun­den haben muss.

Was gilt als „intensiver Kontakt“?

Was als „inten­siv­er Kon­takt“ einzustufen ist, richtet sich nach den Vor­gaben des Robert-Koch-Insti­tuts (RKI). Danach muss der Kon­takt zwis­chen zwei Tagen vor dem Auftreten der ersten Symp­tome und zehn Tagen nach Symp­tombe­ginn bei der Ind­ex­per­son stattge­fun­den haben. Hat­te die Ind­ex­per­son keine Symp­tome, so zählt für die Berech­nung die Proben­nahme für den pos­i­tiv­en Labor­nach­weis. Von einem inten­siv­en Kon­takt geht das RKI aus, wenn die bei­den Per­so­n­en sich länger als zehn Minuten näher als 1,5 Meter gekom­men sind und keinen Mund-Nasen-Schutz getra­gen oder – unab­hängig von der Dauer – mit einem Abstand von unter 1,5 Metern ein Gespräch ohne Mund-Nasen-Schutz geführt haben. Aus­re­ichend für einen inten­siv­en Kon­takt ist auch der gle­ichzeit­ige und länger als zehn Minuten andauernde Aufen­thalt in einem Raum, in dem wahrschein­lich eine hohe Konzen­tra­tion infek­tiös­er Aerosole vorhan­den war, selb­st wenn ein Mund-Nasen-Schutz getra­gen und der erforder­liche Abstand einge­hal­ten wurde.

Weitere Kriterien im Einzelfall

Lässt sich kein inten­siv­er Kon­takt zu ein­er Ind­ex­per­son fest­stellen, so kann es im Einzelfall aus­re­ichen, wenn es im unmit­tel­baren Tätigkeit­sum­feld der betrof­fe­nen Per­son nach­weis­lich eine größere Anzahl infek­tiös­er Per­so­n­en gegeben hat und die beson­deren Arbeits­be­din­gun­gen eine Infek­tion begün­stigt haben. Hier ist beispiel­sweise zu prüfen, wie die Belüf­tungssi­t­u­a­tion war oder wie viele infek­tiöse Per­so­n­en es in der fraglichen Zeit im engeren Tätigkeit­sum­feld der betrof­fe­nen Per­son gab. Auch geringe Infek­tion­szahlen außer­halb des ver­sicherten Umfelds kön­nen ein zu berück­sichti­gen­der Aspekt sein.

Geprüft wer­den muss außer­dem grund­sät­zlich immer, ob und in welchem Umfang im Inku­ba­tion­szeitraum auch Infek­tion­s­möglichkeit­en im pri­vat­en, unver­sicherten Bere­ich bestanden haben. Denn nur, wenn die Infek­tion nachgewiesen­er­maßen während der ver­sicherten Tätigkeit einge­treten ist, kommt ein Arbeit­sun­fall in Betracht.

Infektion mit Langzeitfolgen

Die Möglichkeit ein­er Ansteck­ung im pri­vat­en Bere­ich wurde auch ein­er Frau zum Ver­häng­nis, die wegen der Ablehnung ihrer Coro­na-Infek­tion als Arbeit­sun­fall vor Gericht gegan­gen war. Die Klägerin ist als Büroangestellte in einem Handw­erks­be­trieb beschäftigt. Im April 2021 wurde ein Kol­lege von ihr pos­i­tiv auf das Coro­na-Virus getestet. Drei Tage später ver­spürte sie erste Symp­tome, weit­ere vier Tage später wurde sie eben­falls pos­i­tiv getestet. Die Infek­tion heilte bei ihr nicht voll­ständig aus, son­dern es verblieben Langzeitfolgen.

Das Sozial­gericht Kon­stanz gelangte zu dem Ergeb­nis, dass eine Coro­na-Infek­tion zwar grund­sät­zlich einen Arbeit­sun­fall darstellen kann, obwohl es sich hier­bei um eine all­ge­meine Gefahr han­delt. Denn das Risiko, sich zu infizieren, steige durch die am Arbeit­splatz auftre­tenden zusät­zlichen Kon­tak­te an. Für die Anerken­nung ein­er Coro­na-Infek­tion als Arbeit­sun­fall müsse jedoch nachgewiesen sein, dass sich die Infek­tion bei der ver­sicherten Tätigkeit und nicht im pri­vat­en Bere­ich ereignet habe. Im konkreten Fall stellte das Gericht zwar fest, dass die Klägerin im maßge­blichen Zeitraum immer wieder kurze Kon­tak­te zu dem infizierten Kol­le­gen hat­te, wobei grund­sät­zlich OP-Masken getra­gen wurden.

Ansteckung im privaten Bereich nicht ausgeschlossen

Daneben sah es aber auch die Möglichkeit ein­er Infek­tion im pri­vat­en Bere­ich, denn die Klägerin hat­te eingeräumt, im Inku­ba­tion­szeitraum für die vierköp­fige Fam­i­lie eingekauft zu haben. Im Lebens­mit­telgeschäft habe man ähn­liche, kurzzeit­ige Kon­tak­te mit anderen Per­so­n­en, wie ihn die Klägerin zu dem infizierten Kol­le­gen gehabt habe. Man könne deshalb nicht von ein­er typ­is­chen Gefährdung am Arbeit­splatz aus­ge­hen, weil auch eine Verur­sachung im pri­vat­en Bere­ich nicht fern­liege. Hinzu komme, dass die Klägerin sich zu einem Zeit­punkt infiziert hat­te, in dem das RKI die Fal­lzahlen als hoch bew­ertete. Eine Coro­na-Infek­tion am Arbeit­splatz war damit nicht nachgewiesen (Urteil des Sozial­gerichts Kon­stanz vom 16.09.2022, Az. S 1 U 452/22).

Bei der Pausenaufsicht infiziert?

Eben­falls abgewiesen wurde kür­zlich die Klage ein­er Grund­schullehrerin, die ihre Coro­na-Infek­tion als Arbeit­sun­fall anerkan­nt wis­sen wollte. Die Frau war im Jan­u­ar 2021 in der Not­be­treu­ung an ihrer Schule einge­set­zt. Die Schule wies zum fraglichen Zeit­punkt zwar ein erhöht­es Infek­tion­s­geschehen auf, in der von der Klägerin betreuten Not­gruppe befand sich aber kein infiziert­er Schüler.

An einem Tag oblag der Lehrerin die Pause­nauf­sicht über sämtliche Kinder der Not­be­treu­ung, von denen später mehrere pos­i­tiv auf das SARS-CoV-2-Virus getestet wur­den. Die Pause­nauf­sicht fand im Freien statt und dauerte 15 Minuten. Zudem machte die Frau gel­tend, Kon­takt zu ein­er pos­i­tiv getesteten Kol­le­gin gehabt zu haben. Am 1. Feb­ru­ar wurde sie selb­st pos­i­tiv getestet.

Kein erhöhtes Ansteckungsrisiko

Das Bay­erische Ver­wal­tungs­gericht entsch­ied, dass kein Dien­stun­fall vor­lag. Nach der geset­zlichen Regelung im Bay­erischen Beamten­ver­sorgungs­ge­setz hätte dies unter anderem voraus­ge­set­zt, dass die Ansteck­ung der Klägerin mit dem Coro­na-Virus zeitlich und örtlich bes­timm­bar gewe­sen wäre. Nach der Recht­sprechung des Bun­desver­wal­tungs­gerichts genü­gen dabei die bloße Ein­grenzbarkeit des Zeitraums der Infek­tion oder die abstrak­te Bes­timm­barkeit ihres Zeit­punk­ts nicht. Ins­beson­dere reicht es bei Infek­tio­nen nicht aus, dass die Inku­ba­tion­szeit und der Ort, an dem sich der Beamte während dieser Zeit aufge­hal­ten hat, bekan­nt sind. Vielmehr müssen Ort und Zeit­punkt der Infek­tion fest­ste­hen, was hier aber nicht der Fall war. In der Pause­nauf­sicht und der Begeg­nung mit der später pos­i­tiv getesteten Kol­le­gin sahen die Richter kein so exponiertes Ansteck­ungsrisiko, dass es die Anerken­nung als Beruf­skrankheit gerecht­fer­tigt hätte. Insoweit sei die Klägerin lediglich der Ansteck­ungs­ge­fahr aus­ge­set­zt gewe­sen, der ein Beamter, der im Dienst mit anderen Men­schen in Kon­takt kommt, immer aus­ge­set­zt ist (Urteil des Ver­wal­tungs­gerichts Bayreuth vom 04.10.2022, Az. B 5 K 21.909).

Zahlreiche Fälle anerkannt

Übri­gens: Mehr als 220.000 Covid-19-Erkrankun­gen haben die geset­zlichen Unfal­lver­sicherungsträger seit Beginn der Pan­demie bere­its als Arbeit­sun­fälle und Beruf­skrankheit­en anerkannt.

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