Voraussetzung für die Anerkennung einer Corona-Infektion als Arbeitsunfall ist zunächst einmal, dass die Infektion nachgewiesen ist. Hierfür ist ein positiver PCR-Test erforderlich. Weiter muss sich die Infektion „infolge“ der versicherten Tätigkeit, also etwa der Beschäftigung oder des Schulbesuchs, ereignet haben. Das bedeutet, dass ein intensiver Kontakt mit einer infektiösen Person, einer sogenannten Indexperson, nachweislich stattgefunden haben muss.
Was gilt als „intensiver Kontakt“?
Was als „intensiver Kontakt“ einzustufen ist, richtet sich nach den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts (RKI). Danach muss der Kontakt zwischen zwei Tagen vor dem Auftreten der ersten Symptome und zehn Tagen nach Symptombeginn bei der Indexperson stattgefunden haben. Hatte die Indexperson keine Symptome, so zählt für die Berechnung die Probennahme für den positiven Labornachweis. Von einem intensiven Kontakt geht das RKI aus, wenn die beiden Personen sich länger als zehn Minuten näher als 1,5 Meter gekommen sind und keinen Mund-Nasen-Schutz getragen oder – unabhängig von der Dauer – mit einem Abstand von unter 1,5 Metern ein Gespräch ohne Mund-Nasen-Schutz geführt haben. Ausreichend für einen intensiven Kontakt ist auch der gleichzeitige und länger als zehn Minuten andauernde Aufenthalt in einem Raum, in dem wahrscheinlich eine hohe Konzentration infektiöser Aerosole vorhanden war, selbst wenn ein Mund-Nasen-Schutz getragen und der erforderliche Abstand eingehalten wurde.
Weitere Kriterien im Einzelfall
Lässt sich kein intensiver Kontakt zu einer Indexperson feststellen, so kann es im Einzelfall ausreichen, wenn es im unmittelbaren Tätigkeitsumfeld der betroffenen Person nachweislich eine größere Anzahl infektiöser Personen gegeben hat und die besonderen Arbeitsbedingungen eine Infektion begünstigt haben. Hier ist beispielsweise zu prüfen, wie die Belüftungssituation war oder wie viele infektiöse Personen es in der fraglichen Zeit im engeren Tätigkeitsumfeld der betroffenen Person gab. Auch geringe Infektionszahlen außerhalb des versicherten Umfelds können ein zu berücksichtigender Aspekt sein.
Geprüft werden muss außerdem grundsätzlich immer, ob und in welchem Umfang im Inkubationszeitraum auch Infektionsmöglichkeiten im privaten, unversicherten Bereich bestanden haben. Denn nur, wenn die Infektion nachgewiesenermaßen während der versicherten Tätigkeit eingetreten ist, kommt ein Arbeitsunfall in Betracht.
Infektion mit Langzeitfolgen
Die Möglichkeit einer Ansteckung im privaten Bereich wurde auch einer Frau zum Verhängnis, die wegen der Ablehnung ihrer Corona-Infektion als Arbeitsunfall vor Gericht gegangen war. Die Klägerin ist als Büroangestellte in einem Handwerksbetrieb beschäftigt. Im April 2021 wurde ein Kollege von ihr positiv auf das Corona-Virus getestet. Drei Tage später verspürte sie erste Symptome, weitere vier Tage später wurde sie ebenfalls positiv getestet. Die Infektion heilte bei ihr nicht vollständig aus, sondern es verblieben Langzeitfolgen.
Das Sozialgericht Konstanz gelangte zu dem Ergebnis, dass eine Corona-Infektion zwar grundsätzlich einen Arbeitsunfall darstellen kann, obwohl es sich hierbei um eine allgemeine Gefahr handelt. Denn das Risiko, sich zu infizieren, steige durch die am Arbeitsplatz auftretenden zusätzlichen Kontakte an. Für die Anerkennung einer Corona-Infektion als Arbeitsunfall müsse jedoch nachgewiesen sein, dass sich die Infektion bei der versicherten Tätigkeit und nicht im privaten Bereich ereignet habe. Im konkreten Fall stellte das Gericht zwar fest, dass die Klägerin im maßgeblichen Zeitraum immer wieder kurze Kontakte zu dem infizierten Kollegen hatte, wobei grundsätzlich OP-Masken getragen wurden.
Ansteckung im privaten Bereich nicht ausgeschlossen
Daneben sah es aber auch die Möglichkeit einer Infektion im privaten Bereich, denn die Klägerin hatte eingeräumt, im Inkubationszeitraum für die vierköpfige Familie eingekauft zu haben. Im Lebensmittelgeschäft habe man ähnliche, kurzzeitige Kontakte mit anderen Personen, wie ihn die Klägerin zu dem infizierten Kollegen gehabt habe. Man könne deshalb nicht von einer typischen Gefährdung am Arbeitsplatz ausgehen, weil auch eine Verursachung im privaten Bereich nicht fernliege. Hinzu komme, dass die Klägerin sich zu einem Zeitpunkt infiziert hatte, in dem das RKI die Fallzahlen als hoch bewertete. Eine Corona-Infektion am Arbeitsplatz war damit nicht nachgewiesen (Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 16.09.2022, Az. S 1 U 452/22).
Bei der Pausenaufsicht infiziert?
Ebenfalls abgewiesen wurde kürzlich die Klage einer Grundschullehrerin, die ihre Corona-Infektion als Arbeitsunfall anerkannt wissen wollte. Die Frau war im Januar 2021 in der Notbetreuung an ihrer Schule eingesetzt. Die Schule wies zum fraglichen Zeitpunkt zwar ein erhöhtes Infektionsgeschehen auf, in der von der Klägerin betreuten Notgruppe befand sich aber kein infizierter Schüler.
An einem Tag oblag der Lehrerin die Pausenaufsicht über sämtliche Kinder der Notbetreuung, von denen später mehrere positiv auf das SARS-CoV-2-Virus getestet wurden. Die Pausenaufsicht fand im Freien statt und dauerte 15 Minuten. Zudem machte die Frau geltend, Kontakt zu einer positiv getesteten Kollegin gehabt zu haben. Am 1. Februar wurde sie selbst positiv getestet.
Kein erhöhtes Ansteckungsrisiko
Das Bayerische Verwaltungsgericht entschied, dass kein Dienstunfall vorlag. Nach der gesetzlichen Regelung im Bayerischen Beamtenversorgungsgesetz hätte dies unter anderem vorausgesetzt, dass die Ansteckung der Klägerin mit dem Corona-Virus zeitlich und örtlich bestimmbar gewesen wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts genügen dabei die bloße Eingrenzbarkeit des Zeitraums der Infektion oder die abstrakte Bestimmbarkeit ihres Zeitpunkts nicht. Insbesondere reicht es bei Infektionen nicht aus, dass die Inkubationszeit und der Ort, an dem sich der Beamte während dieser Zeit aufgehalten hat, bekannt sind. Vielmehr müssen Ort und Zeitpunkt der Infektion feststehen, was hier aber nicht der Fall war. In der Pausenaufsicht und der Begegnung mit der später positiv getesteten Kollegin sahen die Richter kein so exponiertes Ansteckungsrisiko, dass es die Anerkennung als Berufskrankheit gerechtfertigt hätte. Insoweit sei die Klägerin lediglich der Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen, der ein Beamter, der im Dienst mit anderen Menschen in Kontakt kommt, immer ausgesetzt ist (Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 04.10.2022, Az. B 5 K 21.909).
Zahlreiche Fälle anerkannt
Übrigens: Mehr als 220.000 Covid-19-Erkrankungen haben die gesetzlichen Unfallversicherungsträger seit Beginn der Pandemie bereits als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten anerkannt.