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Das neue Hinweisgeberschutzgesetz

Gut Ding will Weile haben
Das neue Hinweisgeberschutzgesetz

Das neue Hinweisgeberschutzgesetz
Foto: © freshidea – stock.adobe.com
Das Hin­weis­ge­ber­schutzge­setz ist am 2. Juli 2023 in Kraft getreten. Ziel des Geset­zes ist es, Hin­weis­ge­bern, die Ver­stöße melden, einen angemesse­nen Schutz vor Vergel­tungs­maß­nah­men durch Arbeit­ge­ber oder andere zu gewährleis­ten. Es soll dazu ermuti­gen, Missstände aufzudeck­en und Verur­sach­er zur Rechen­schaft zu ziehen. Was bedeutet das für den Arbeitsschutz?

Mit dem Gesetz wird die bere­its im Jahr 2019 erlassene EU-Richtlin­ie 2019/1937, die auch als Hin­weis­ge­ber- oder Whistle­blow­er-Richtlin­ie beze­ich­net wird, in nationales Recht umge­set­zt. Die Umset­zung hätte bere­its bis zum 17. Dezem­ber 2021 erfol­gen müssen. Der deutsche Geset­zge­ber hat sich jedoch viel Zeit gelassen, so dass die EU-Kom­mis­sion wegen der erhe­blichen Verzögerung bere­its ein Ver­tragsver­let­zungsver­fahren gegen die Bun­desre­pub­lik Deutsch­land ein­geleit­et hatte.

Das Gesetz wurde schließlich am 11. Mai 2023 im Bun­destag ver­ab­schiedet, der Bun­desrat stimmte dem in sein­er Sitzung vom 12. Mai zu.

Der Umgang mit Hin­weis­ge­bern, also Per­so­n­en, die Insid­er­wis­sen preis­geben (soge­nan­nte Whistle­blow­er), wurde in Deutsch­land bish­er als prob­lema­tisch ange­se­hen. Ein­er­seits genießen Whistle­blow­er keinen guten Ruf („Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denun­ziant“ for­mulierte bere­its Hoff­mann von Fall­er­sleben in seinen Poli­tis­chen Gedicht­en im Jahre 1843), ander­er­seits ist ihre Tätigkeit nüt­zlich, um Missstände in Staat und Wirtschaft aufzudecken.

Neben der Erlan­gung von Infor­ma­tio­nen ist es daher auch ein wichtiges geset­zge­berische Ziel, die Hin­weis­ge­ber vor Nachteilen zu schützen und ihrer Stig­ma­tisierung ent­ge­gen­zuwirken. Weit­er­er Zweck des Geset­zes ist die Förderung ein­er inte­gren und trans­par­enten Unternehmenskultur.

Für Unternehmen mit 250 oder mehr Mitar­bei­t­en­den gilt bere­its seit dem 2. Juli 2023 die Verpflich­tung, sichere Hin­weis­ge­ber­sys­teme für interne Mel­dun­gen (soge­nan­nte Meldestellen) einzuführen. Unternehmen kön­nen die Ein­rich­tung und den Betrieb auch out­sourcen und damit zum Beispiel Recht­san­wälte als Ombudsper­so­n­en beauf­tra­gen. Unternehmen mit 50 bis 249 Mitar­bei­t­en­den haben eine Über­gangs­frist bis zum 17. Dezem­ber 2023.

Allerd­ings erhal­ten auch die Unternehmen mit 250 oder mehr Mitar­bei­t­en­den noch eine Schon­frist. Bis zum 1. Dezem­ber 2023 wer­den Unternehmen, die kein Hin­weis­ge­ber­sys­tem ein­führen, bußgel­drechtlich nicht ver­fol­gt. Das Gesetz gilt auch für Unternehmen im öffentlichen Sek­tor sowie Städte und Kom­munen mit ein­er Ein­wohn­erzahl von über 10.000 Per­so­n­en. Auch sie müssen ab Juli Hin­weis­ge­ber­sys­teme zur Ver­fü­gung stellen.

 

Hinweisgeberschutzgesetz: Hinweis auf Missstände soll für Hinweisgeber repressionsfrei möglich sein
Hin­weis auf Missstände soll für Hin­weis­ge­ber repres­sions­frei möglich sein.
Foto: © Gajus – stock.adobe.com

Die Mel­dung eines Whistle­blow­ers kann schriftlich oder mündlich erfol­gen und auf Wun­sch auch per­sön­lich abgegeben wer­den. Das Hin­weis­ge­ber­schutzge­setz gilt für Ver­stöße gegen das EU-Recht und nationales Recht, ins­beson­dere wenn es sich um straf­be­wehrte (Straftat) oder bußgeld­be­wehrte (Ord­nungswidrigkeit) Verge­hen han­delt, welche die Gesund­heit oder das Leben gefährden.

Die Meldestelle muss den Hin­weis­geben­den inner­halb von 7 Tagen den Ein­gang der Mel­dung bestäti­gen und sie inner­halb von 3 Monat­en darüber informieren, welche Maß­nah­men ergrif­f­en wur­den, beispiel­sweise die Ein­leitung intern­er Unter­suchun­gen oder die Weit­er­gabe der Mel­dung an die zuständi­ge Behörde.

Die Unternehmen sind verpflichtet, die Iden­tität der Hin­weis­geben­den zu schützen und die Bes­tim­mungen der Daten­schutz-Grund­verord­nung (DSGVO) einzuhal­ten. Die Hin­weise müssen unter Ein­hal­tung des Ver­traulichkeits­ge­bots doku­men­tiert wer­den. Diese Doku­men­ta­tion wird drei Jahre nach Abschluss des Ver­fahrens gelöscht, sofern es nicht erforder­lich ist, sie zur Bear­beitung des Hin­weis­es oder gemäß anderen Rechtsvorschriften länger aufzube­wahren. Auch anonyme Hin­weise sind zulässig.

Hin­weis­ge­ber­schutz und Arbeitssicherheit

Dieses The­ma wurde im Geset­zge­bungsver­fahren kon­tro­vers disku­tiert. Bun­destag und Bun­desrat haben sich schließlich darauf geeinigt, dass keine rechtliche Verpflich­tung zur Ent­ge­gen­nahme anonymer Mel­dun­gen, son­dern lediglich eine Empfehlung („Soll-Regelung”) ins Gesetz aufgenom­men wird. Die Meldestelle soll also auch anonym einge­hende Mel­dun­gen bear­beit­en. Es beste­ht jedoch keine Verpflich­tung, die Meldekanäle so zu gestal­ten, dass die Abgabe anonymer Mel­dun­gen ermöglicht wird.

Kom­men Organ­i­sa­tio­nen der Pflicht zur Imple­men­tierung intern­er Meldestellen nicht nach, dro­ht ein Bußgeld in Höhe von bis zu EUR 20.000. Whistle­blow­er, die bewusst Falschin­for­ma­tio­nen melden, kön­nen eben­falls mit ein­er Geld­buße bis zu dieser Höhe sank­tion­iert wer­den. Daneben sieht das Gesetz auch Geld­bußen für den­jeni­gen vor, der Repres­salien, ins­beson­dere beru­fliche Nachteile, gegen einen Whistle­blow­er ausübt oder gegen das Ver­traulichkeits­ge­bot verstößt.

Whistleblowing im Arbeitsschutz

Im Arbeitss­chutz ist der Schutz von Whistle­blow­ern schon seit langer Zeit geset­zlich ver­ankert. § 17 Arbeitss­chutzge­setz (Arb­SchG) gibt den Beschäftigten das Recht, sich in allen Fra­gen der Sicher­heit und des Gesund­heitss­chutzes an die zuständi­ge Arbeitss­chutzbe­hörde zu wen­den und sich über den Arbeit­ge­ber zu beschw­eren. Repres­salien dür­fen deswe­gen nicht erfol­gen. Der Arbeit­ge­ber darf einen Beschäftigten wegen sein­er Beschw­erde nicht maßregeln, also etwa abmah­nen, ver­set­zen oder gar kündigen.

Aus dem Maßregelungsver­bot lässt sich eben­falls ent­nehmen, dass die Behörde die Pflicht hat, eine Beschw­erde auf Wun­sch des Beschäftigten ver­traulich zu behan­deln. Für eine recht­mäßige Beschw­erde gel­ten jedoch zwei wesentliche inhaltliche Voraus­set­zun­gen: Die Beschw­erde muss auf konkreten Anhalt­spunk­ten basieren, sie darf also nicht willkür­lich sein. Zudem muss der Miss­stand zuvor inner­be­trieblich angezeigt wor­den sein. Der Arbeit­ge­ber muss also grund­sät­zlich die Gele­gen­heit bekom­men, selb­st Abhil­fe zu schaffen.

Sind diese Voraus­set­zun­gen erfüllt, ist das Whistle­blow­ing im Arbeitss­chutz geset­zeskon­form. Die gle­ichen Rechte wie den Beschäftigten ste­hen auch den Betriebs- und Per­son­al­räten zu. Das neue Hin­weis­ge­ber­schutzge­setz hat keinen Ein­fluss auf das Beschw­erderecht nach § 17 Arb­SchG. Dieses bleibt auch nach Ein­führung des Hin­weis­ge­ber­schutzge­set­zes bestehen.


Autor: Recht­san­walt Matthias Klagge, LL.M.
Tigges Recht­san­wälte
E‑Mail: klagge@tigges.legal
 
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