Mit dem Gesetz wird die bereits im Jahr 2019 erlassene EU-Richtlinie 2019/1937, die auch als Hinweisgeber- oder Whistleblower-Richtlinie bezeichnet wird, in nationales Recht umgesetzt. Die Umsetzung hätte bereits bis zum 17. Dezember 2021 erfolgen müssen. Der deutsche Gesetzgeber hat sich jedoch viel Zeit gelassen, so dass die EU-Kommission wegen der erheblichen Verzögerung bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet hatte.
Das Gesetz wurde schließlich am 11. Mai 2023 im Bundestag verabschiedet, der Bundesrat stimmte dem in seiner Sitzung vom 12. Mai zu.
Der Umgang mit Hinweisgebern, also Personen, die Insiderwissen preisgeben (sogenannte Whistleblower), wurde in Deutschland bisher als problematisch angesehen. Einerseits genießen Whistleblower keinen guten Ruf („Der größte Lump im ganzen Land, das ist und bleibt der Denunziant“ formulierte bereits Hoffmann von Fallersleben in seinen Politischen Gedichten im Jahre 1843), andererseits ist ihre Tätigkeit nützlich, um Missstände in Staat und Wirtschaft aufzudecken.
Neben der Erlangung von Informationen ist es daher auch ein wichtiges gesetzgeberische Ziel, die Hinweisgeber vor Nachteilen zu schützen und ihrer Stigmatisierung entgegenzuwirken. Weiterer Zweck des Gesetzes ist die Förderung einer integren und transparenten Unternehmenskultur.
Für Unternehmen mit 250 oder mehr Mitarbeitenden gilt bereits seit dem 2. Juli 2023 die Verpflichtung, sichere Hinweisgebersysteme für interne Meldungen (sogenannte Meldestellen) einzuführen. Unternehmen können die Einrichtung und den Betrieb auch outsourcen und damit zum Beispiel Rechtsanwälte als Ombudspersonen beauftragen. Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitenden haben eine Übergangsfrist bis zum 17. Dezember 2023.
Allerdings erhalten auch die Unternehmen mit 250 oder mehr Mitarbeitenden noch eine Schonfrist. Bis zum 1. Dezember 2023 werden Unternehmen, die kein Hinweisgebersystem einführen, bußgeldrechtlich nicht verfolgt. Das Gesetz gilt auch für Unternehmen im öffentlichen Sektor sowie Städte und Kommunen mit einer Einwohnerzahl von über 10.000 Personen. Auch sie müssen ab Juli Hinweisgebersysteme zur Verfügung stellen.
Die Meldung eines Whistleblowers kann schriftlich oder mündlich erfolgen und auf Wunsch auch persönlich abgegeben werden. Das Hinweisgeberschutzgesetz gilt für Verstöße gegen das EU-Recht und nationales Recht, insbesondere wenn es sich um strafbewehrte (Straftat) oder bußgeldbewehrte (Ordnungswidrigkeit) Vergehen handelt, welche die Gesundheit oder das Leben gefährden.
Die Meldestelle muss den Hinweisgebenden innerhalb von 7 Tagen den Eingang der Meldung bestätigen und sie innerhalb von 3 Monaten darüber informieren, welche Maßnahmen ergriffen wurden, beispielsweise die Einleitung interner Untersuchungen oder die Weitergabe der Meldung an die zuständige Behörde.
Die Unternehmen sind verpflichtet, die Identität der Hinweisgebenden zu schützen und die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einzuhalten. Die Hinweise müssen unter Einhaltung des Vertraulichkeitsgebots dokumentiert werden. Diese Dokumentation wird drei Jahre nach Abschluss des Verfahrens gelöscht, sofern es nicht erforderlich ist, sie zur Bearbeitung des Hinweises oder gemäß anderen Rechtsvorschriften länger aufzubewahren. Auch anonyme Hinweise sind zulässig.
Dieses Thema wurde im Gesetzgebungsverfahren kontrovers diskutiert. Bundestag und Bundesrat haben sich schließlich darauf geeinigt, dass keine rechtliche Verpflichtung zur Entgegennahme anonymer Meldungen, sondern lediglich eine Empfehlung („Soll-Regelung”) ins Gesetz aufgenommen wird. Die Meldestelle soll also auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten. Es besteht jedoch keine Verpflichtung, die Meldekanäle so zu gestalten, dass die Abgabe anonymer Meldungen ermöglicht wird.
Kommen Organisationen der Pflicht zur Implementierung interner Meldestellen nicht nach, droht ein Bußgeld in Höhe von bis zu EUR 20.000. Whistleblower, die bewusst Falschinformationen melden, können ebenfalls mit einer Geldbuße bis zu dieser Höhe sanktioniert werden. Daneben sieht das Gesetz auch Geldbußen für denjenigen vor, der Repressalien, insbesondere berufliche Nachteile, gegen einen Whistleblower ausübt oder gegen das Vertraulichkeitsgebot verstößt.
Whistleblowing im Arbeitsschutz
Im Arbeitsschutz ist der Schutz von Whistleblowern schon seit langer Zeit gesetzlich verankert. § 17 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) gibt den Beschäftigten das Recht, sich in allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes an die zuständige Arbeitsschutzbehörde zu wenden und sich über den Arbeitgeber zu beschweren. Repressalien dürfen deswegen nicht erfolgen. Der Arbeitgeber darf einen Beschäftigten wegen seiner Beschwerde nicht maßregeln, also etwa abmahnen, versetzen oder gar kündigen.
Aus dem Maßregelungsverbot lässt sich ebenfalls entnehmen, dass die Behörde die Pflicht hat, eine Beschwerde auf Wunsch des Beschäftigten vertraulich zu behandeln. Für eine rechtmäßige Beschwerde gelten jedoch zwei wesentliche inhaltliche Voraussetzungen: Die Beschwerde muss auf konkreten Anhaltspunkten basieren, sie darf also nicht willkürlich sein. Zudem muss der Missstand zuvor innerbetrieblich angezeigt worden sein. Der Arbeitgeber muss also grundsätzlich die Gelegenheit bekommen, selbst Abhilfe zu schaffen.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist das Whistleblowing im Arbeitsschutz gesetzeskonform. Die gleichen Rechte wie den Beschäftigten stehen auch den Betriebs- und Personalräten zu. Das neue Hinweisgeberschutzgesetz hat keinen Einfluss auf das Beschwerderecht nach § 17 ArbSchG. Dieses bleibt auch nach Einführung des Hinweisgeberschutzgesetzes bestehen.