So geschehen in einem Fall, über den das Sozialgericht Berlin zu entscheiden hatte. Der als Bauleiter tätige Kläger konnte am Unfalltag nach der Rückkehr von einem beruflichen Termin nicht auf das Betriebsgelände fahren, weil die Einfahrt durch einen Lkw blockiert war. Der Lkw-Fahrer fuhr trotz mehrfacher Aufforderung nicht beiseite. Der Kläger musste sein Auto stehen lassen und zu Fuß auf das Betriebsgelände gehen.
Als er kurze Zeit später zu seinem Wagen zurückkam, um zu einem weiteren beruflichen Termin zu fahren, kam es zu einem Wortwechsel mit dem Lkw-Fahrer, bei dem dieser den Kläger als „egoistisches Arschloch“ beschimpfte. Der Kläger, der gerade im Begriff gewesen war, in sein Auto zu steigen, schlug die Fahrertür wieder zu und ging zurück, um „die Sache auszudiskutieren“. Im Verlauf des Streits schlug der Lkw-Fahrer dem Kläger so heftig ins Gesicht, dass dieser einen Mittelgesichtsbruch erlitt.
Die beklagte Unfallversicherung erkannte den Vorfall nicht als Arbeitsunfall an. Zu Recht, wie das Sozialgericht Berlin entschied. Zwar habe sich der Kläger auf einem an sich versicherten Betriebsweg befunden, als er vom Betriebsgelände wieder zu seinem Auto ging. Diesen Betriebsweg habe er jedoch wieder verlassen, als er die Wagentür nach den Beleidigungen des Lkw-Fahrers noch einmal schloss, um die Angelegenheit auszudiskutieren.
Darin liege eine Zäsur. Ab diesem Moment habe das Handeln des Klägers privaten Zwecken gedient, nämlich dem Zur-Rede-Stellen des Lkw-Fahrers. Während dieser Unterbrechung des Betriebsweges habe kein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bestanden.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung sei anerkannt, dass insbesondere das Zurechtweisen anderer Verkehrsteilnehmer auf dem Weg zur Arbeit oder auf Betriebswegen nicht der betrieblichen Tätigkeit diene und etwaige hieraus resultierende Verletzungen unabhängig vom Verschulden dem privaten Lebensbereich zuzurechnen seien (Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16.02.2023, Az. S 98 U 50/21).
Lüftungsfrage eskaliert
Anders in einem Fall, den das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg bereits im Jahr 2017 entschieden hat. Hier war der Kläger nach dem Einsatz auf einer Baustelle auf dem Weg zurück zum Betrieb. Im Firmentransporter saßen mehrere Kollegen, die nach dem Arbeitstag auf der Baustelle alle verschwitzt waren. Es kam zum Streit darüber, ob man wegen der schlechten Luft im Wagen die Fenster öffnen oder lieber Zugluft vermeiden solle.
Schließlich eskalierte die Situation, als ein Kollege vom Kläger abgesetzt wurde. Dieser öffnete die Beifahrertüren und der Fahrer stieg aus, um sie wieder zu schließen. Daraufhin schlug der Kollege ihm mit der Faust ins Gesicht und versetzte dem am Boden Liegenden noch einen Tritt an den Kopf.
Das LSG kam damals zu dem Ergebnis, dass die Ursachen des Streits nicht im privaten Bereich begründet lagen, sondern in der versicherten Tätigkeit des Klägers als Fahrer, weil die Frage des Lüftens des Autos einen konkreten Bezug zur Arbeit hatte (Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22.11.2017, Az. L 1 U 1277/17).