“Bei Arbeiten an einer Rohrleitung ereignet sich ein unerwarteter Produktaustritt eines ätzenden Gefahrstoffes. Ein betriebsfremder Beschäftigter einer Fremdfirma erleidet hierbei Verätzungen im Augenbereich und muss in einem Krankenhaus medizinisch behandelt werden.” Arbeitgeber, die sich erst nach dem Eintritt des Arbeitsunfalls mit den Fragestellungen der Verantwortlichkeiten und Organisationsstruktur befassen, haben im Voraus nicht rechtskonform gehandelt. Juristische Folgen sind nicht auszuschließen. Deshalb ist es besser und eine sinnvolle Option, ein Fremdfirmenmanagementsystems zu entwickeln. Wie dies in unserem Unternehmen gemacht wurde, wird im Rahmen des Artikels dargestellt.
Rechtliche Anforderungen
Der Arbeitgeber ist im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) für die Sicherheit seiner Beschäftigten verantwortlich. Diese Verantwortung besitzt er unter anderem gemäß §8 ArbSchG auch bei der Zusammenarbeit von mehreren Arbeitgebern, im weiteren Fremdfirmen genannt. Hierbei gilt es, die gegenseitigen Gefährdungen zu beachten und entsprechende Schutzmaßnahmen einzuleiten.
Weitere Anforderungen ergeben sich beispielsweise durch die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) beim Umgang mit Arbeitsmitteln bzw. Gefahrstoffen. Detaillierter können die Anforderungen durch den Arbeitgeber jeweils aus der DGUV Information 211–006 „Sicherheit und Gesundheitsschutz durch Koordinieren“ sowie der DGUV Information 215–830 „Einsatz von Fremdfirmen im Rahmen von Werkverträgen“ entnommen werden.
Bedeutung für den Arbeitgeber
Die rechtlichen Rahmenbedingungen bedeuten für den Arbeitgeber, dass die Prozesse und Strukturen im Umgang mit Fremdfirmen regelmäßig geprüft und bei Bedarf angepasst werden müssen. Insofern eine Anpassung erforderlich wird, ist ein neues rechtskonformes Fremdfirmenmanagementsystem zu entwickeln und einzuführen.
In Unternehmen, die entweder ihr erstes Fremdfirmenmanagement einführen oder ein vorhandenes System weiterentwickeln, ist dieser Schritt meistens einhergehend mit einem Veränderungsprozess der betrieblichen Sicherheitskultur. Damit das neue Fremdfirmenmanagement eine hohe Akzeptanz findet und nachhaltig in der Praxis angewendet wird, bedarf es der Einbindung der relevanten betrieblichen Stakeholder.
Denn: Durch bessere Prozesse und Strukturen im Arbeitsschutz sowie einem hohen Sicherheitsbewusstsein erhöht sich nachweislich auch die Qualität der Prozesse und Dienstleistungen sowie die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens.
Die Umsetzung der rechtlichen Anforderungen in die betriebliche Praxis kann innerhalb von Unternehmen unterschiedlich erfolgen. Eine mögliche methodische Vorgehensweise ist hierbei die Zusammenarbeit aller betrieblichen Stakeholder in einem Projekt.
Zur Ermittlung der relevanten Stakeholder müssen die vorhandenen Prozesse und Strukturen im Umgang mit Fremdfirmen analysiert werden. Mit dem Ergebnis der Analyse kann anschließend das Projektteam definiert werden. Beispielsweise können die folgenden Stakeholder ein Interesse an der Entwicklung des funktionierenden und rechtsicheren Fremdfirmenmanagement besitzen:
- Fachkräfte für Arbeitssicherheit
- Einkauf
- Betriebsrat
- Betreiber/ Führungskraft
- Beschäftigte
- Abteilung Instandhaltung
- Gebäudemanagement
- Werksicherheit
Innerhalb eines Workshops sollte gemeinsam die Differenz zwischen dem Ist-Zustand und den rechtlichen Anforderungen an ein Fremdfirmenmanagement erarbeitet werden. Hierdurch erkennen alle Akteure die Notwendigkeit zur Einleitung von Veränderungen.
Bei der Entwicklung von neuen Prozessen und Strukturen ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die Argumente und Anforderungen von allen Stakeholdern betrachtet und bewertet werden. Die Abteilung Einkauf besitzt beispielsweise ein hohes Interesse an dem Kauf von preiswerten Produkten und Dienstleistungen. Bei der Steigerung von Anforderungen an die Sicherheit ergeben sich erfahrungsgemäß jedoch steigende Preise. In einem zweiten Beispiel hat die Produktionsleitung die Anforderung, dass ein Maschinenstillstand auf Grundlage eines technischen Defekts kurzfristig behoben wird. Unter Umständen müssen jedoch besondere Qualifizierungen vorliegen, welche die täglich vor Ort befindlichen Fremdfirmen nicht besitzen. In einer solchen Gemengelage ist es besonders wertvoll einen Projektleiter oder Moderator zu haben, der zwischen den Stakeholdern vermitteln kann und zugleich die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen immer wieder einfordert. Nur wenn abschließend zum Projekt alle Stakeholder ein gemeinsames Verständnis zu den neuen betrieblichen Rahmenbedingungen besitzen, ist mit einer hohen Akzeptanz und nachhaltigen Umsetzung zu rechnen.
Die Implementierung des neuen Fremdfirmenmanagements führt zur Anpassung von vorhandenen Strukturen und Prozessen in allen Unternehmensbereichen. Hierzu zählen beispielsweise die Beauftragungs- und Abstimmungsprozesse mit Fremdfirmen, die Ausbildung und der Einsatz von Koordinatoren für Fremdfirmen sowie das klare Bekenntnis zum sicherheitsgerechten Arbeiten. Im Folgenden werden Beispiele für durchgeführte Veränderungen in einem mittelständischen Unternehmen dargestellt.
Beauftragung von Fremdfirmen
Wird durch einen Auftragsverantwortlichen ein Bedarf an einer externen Dienstleistung festgestellt, ist die Art der Dienstleistung durch den Auftragsverantwortlichen zu beschreiben. Hierzu wird ein entsprechender Bedarf an die Abteilung Einkauf weitergeleitet. Bei der Entscheidung für eine Fremdfirma erhält diese vor Auftragsvergabe die Betriebsordnung für Fremdfirmen zugeschickt. Hierbei handelt es sich um ein Dokument, in dem die betrieblichen sicherheitstechnischen Anforderungen dargestellt sind.
Die Anerkennung der Betriebsordnung ist zur Übernahme einer Dienstleistung verpflichtend. Aus diesem Grunde muss der Verantwortliche der Fremdfirma alle eingeplanten betriebsfremden Beschäftigten anhand der Betriebsordnung unterweisen und einen schriftlichen Nachweis der Unterweisung an das beauftragende Unternehmen senden. Nach dem Eingang des Nachweises erfolgt die Auftragsvergabe an die entsprechende Fremdfirma.
Vor dem ersten Review der betrieblichen Richtlinie zum Fremdfirmenmanagement sollten die Fremdfirmen erst nach Auftragsvergabe die Nachweise beim Unternehmen einreichen. Diese Lösung hat sich jedoch mangels Rückmeldemotivation nicht bewährt.
Zutritt zum Betriebsgelände
Neben der unterschriebenen Betriebsordnung für Fremdfirmen müssen alle betriebsfremden Beschäftigten vor dem Betreten des Betriebsgeländes an einer digitalen Sicherheitsunterweisung teilnehmen. Hierbei werden die grundlegenden Verhaltensweisen auf dem Betriebsgelände dargestellt. Abschließend müssen Verständnisfragen beantwortet werden. Sollten die Verständnisfragen wiederholend nicht beantwortet werden können, darf der betriebsfremde Beschäftigte das Betriebsgelände nicht betreten.
Im Empfangsbereich des Unternehmens wird ebenfalls bei der Anmeldung geprüft, ob die letzte Unterweisung noch gültig ist oder ob ein betriebsfremder Beschäftigter ein Hausverbot besitzt. Eine Unterweisung kann stets vor Ort nachgeholt werden. Bei einem Hausverbot wird parallel zum Auftragsverantwortlichen der Leiter Werksicherheit informiert.
Dauerdienstleister
Betriebsfremde Beschäftigte dürfen sich auf dem Betriebsgelände im Normalfall nur in Begleitung eines Beschäftigten bewegen. Eine Ausnahme stellen betriebsfremde Beschäftigte mit dem Status eines Dauerdienstleisters dar. Bei einem Dauerdienstleister handelt es sich immer um eine natürliche Person. Ein pauschaler Status für eine gesamte Fremdfirma ist nicht möglich. Der Entscheidungsprozess zur Einstufung eines betriebsfremden Beschäftigten wird final durch eine Fachkraft für Arbeitssicherheit abgeschlossen.
Abstimmungsprozesse
Mit der Einführung des neuen Fremdfirmenmanagements haben sich die Abstimmungen zwischen dem Unternehmen und den entsprechenden Fremdfirmen sowie die internen Abstimmungen verbessert. So erfolgt durch den Auftragsverantwortlichen bzw. den Koordinator mit dem Verantwortlichen der Fremdfirma ein Vorgespräch. Hierbei werden die Arbeitsschritte definiert sowie mögliche gegenseitige Gefährdungen bei der Ausübung der Tätigkeit ermittelt. Sollten gegenseitige Gefährdungen bestehen, wird gemeinsam eine betriebliche Gefährdungsbeurteilung erstellt. Ergänzend hierzu muss bei Bedarf das Erlaubnisscheinverfahren angewendet werden. Das Unternehmen behält sich weiterhin vor, die Gefährdungsbeurteilungen der Fremdfirma stichprobenartig zu überprüfen.
Koordinator für Fremdfirmen
Mit der Umsetzung der betrieblichen Richtlinie zum Fremdfirmenmanagement erfolgte die Ausbildung und die schriftliche Bestellung von mehreren Koordinatoren für Fremdfirmen. Für die Fortbildung der Koordinatoren wurde ein Weiterbildungsintervall von maximal drei Jahren festgelegt. Die Überwachung wird über die jeweilige Führungskraft mittels einer Software mit Erinnerungsfunktion vorgenommen.
Den Auftragsverantwortlichen ist bekannt, dass bei gegenseitigen Gefährdungen grundsätzlich ein Koordinator für Fremdfirmen erforderlich wird. Dennoch hat die betriebliche Praxis gezeigt, dass insbesondere bei unerfahrenen Auftragsverantwortlichen eine Unsicherheit bei der Entscheidungsfindung zum Einsatz von Koordinatoren besteht. Zur Unterstützung der Auftragsverantwortlichen wurde deshalb eine Entscheidungshilfe entwickelt, die sich mittlerweile in der Anwendung bewährt hat (Auszug in Abb. 3).
Eskalationsprogramm
Eine Veränderung der Sicherheitskultur geht einher mit der Definition von eindeutigen und transparenten Regeln und entsprechenden Eskalationsstufen bei deren Überschreitung. Dieses Eskalationsprogramm muss bei betrieblichen und betriebsfremden Beschäftigten gleichartig Anwendung finden.
Grundsätzlich werden jeder Unfall sowie jede unsichere Situation mit einer Fachkraft für Arbeitssicherheit nachbereitet. Zur Einstufung des Schweregrades eines sicherheitswidrigen Verhaltens steht den betrieblichen Stakeholdern eine Bewertungsgrundlage zur Verfügung. Hierbei werden das Fehlverhalten sowie die Auswirkung bei Unfällen bzw. potenzielle Auswirkung bei unsicheren Situationen bewertet (siehe Abbildung 4). Im Ergebnis kann für den jeweiligen betriebsfremden Beschäftigten bzw. für die Fremdfirma eine Verwarnung oder eine sofortige Arbeitseinstellung mit Hausverbot stehen. Die finale Bewertung des Vorfalls wird in einem Formblatt dokumentiert und der Abteilung Einkauf mitgeteilt. Diese leitet die weiteren Maßnahmen ein.
Zusammenfassung
Die Weiterentwicklung einer Sicherheitskultur besitzt mehrere Facetten. Hierbei ist wesentlich, dass der Veränderungsprozess sich nicht nur auf die eigenen Beschäftigten beschränkt, sondern die gleichen Anforderungen auch an betriebsfremde Beschäftigte gelten. Aus diesem Grunde ist die Einführung eines rechtskonformen Fremdfirmenmanagements ein wesentlicher Bestandteil einer neuen Sicherheitskultur.
Damit eine Sicherheitskultur bzw. das Fremdfirmenmanagement nachhaltig erhalten bleibt, sind hierbei die relevanten betrieblichen Stakeholder stets einzubinden und die entsprechenden Anforderungen zu beachten. Bei dem betrieblichen Beispiel hat sich das neue Fremdfirmenmanagement nach rund zwei Jahren in den Prozessen und Strukturen des Unternehmens etabliert. Neben weiteren Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Sicherheitskultur hat das Fremdfirmenmanagement zur Steigerung des Sicherheitsbewusstseins der Beschäftigten sowie der täglich eingesetzten Fremdfirmen beigetragen.
Quellen:
- Bräuning, Kohstett (2013): Berechnung des internationalen „Return on Prevention“ für Unternehmen: Kosten und Nutzen von Investitionen in den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz. DGUV Report 1/2013.
- Berufsgenossenschaft Holz und Metall (2015): Einsatz von Fremdfirmen im Rahmen von Werkverträgen. DGUV Information 215–830.
- Berufsgenossenschaft Holz und Metall (2013): Sicherheit und Gesundheitsschutz durch Koordinieren, DGUV Information 211–006.
Download Checklisten
Die beiden Checklisten „Entscheidungshilfe Relevanz Koordinator“ (Auszug in Abb. 3) sowie „Formblatt Bewertung sicherheitswidriges Verhalten“ (Auszug in Abb. 4) finden Sie zum Download nach Registrierung unter
Autor: Stefan Ganzke
Leiter Abteilung Health, Safety &
Environment
Dörken Service GmbH
E‑Mail: sganzke@doerken.de