Aufgrund der immer schnelleren Ausbreitung und steigenden Krankenzahlen kam es Anfang März 2020 zu zahlreichen Beschränkungen bei Veranstaltungen, zu Schulschließungen und letztlich ab dem 16. März 2020 zu Schließungen der meisten Ladengeschäften und der Gastronomie, aber auch von Kaufhäusern und Großmarktketten, Einschränkung im Binnenverkehr, bis hin zur Schließung von Grenzen.
Formal wurde nie eine Schließung von Industriebetrieben angeordnet. Da allerdings in Nachbar- und Lieferländern auch Produktionsbetriebe geschlossen wurden, brachen in Teilen die internationalen und nationalen Lieferketten zusammen. Die Schließung von Großunternehmen war das Resultat.
Zwei Monate später haben jetzt die Aufhebungen einiger Beschränkungen begonnen. Unternehmen können wieder am Markt tätig werden, wenn zum Teil auch mit erheblichen Einschränkungen durch die Beachtung von Hygienemaßnahmen. Die Auflagen werfen letztendlich auch die Frage auf, ob unter diesen Bedingungen eine Wiedereröffnung eines Ladengeschäftes oder eines Restaurationsbetriebes wirtschaftlich sinnvoll sein kann. Insbesondere Selbstständige, Kleinst- und Kleinunternehmen (KKU) aber auch zahlreiche mittelständische Unternehmen (KMU), die zusammen mit 99% aller Unternehmen das Rückgrat der Wirtschaft in Deutschland darstellen (Tab.1), sind in unterschiedlichem Maße wirtschaftlich stark betroffen, sodass sich in vielen Fällen die Existenzfrage stellt.

Umso wichtiger ist es nun, die Rückkehr aus dem „Shut-Down“ gut vorzubereiten. Zum einen erfordert die Wiederaufnahme des Regelbetriebs nach dem Shut-Down ebenso wie die geänderte Marktsituation besondere Planung und Vorbereitung, zum anderen geht es darum, wieder langfristig am Markt unter den teilweise offensichtlich dauerhaft geänderten Geschäftsbedingungen bestehen zu können.
Auch Unternehmen, die im Vorfeld eine Pandemieplanung hatten, wurden vom Ausmaß des settingübergreifenden „Shut Down“ überrascht, sodass der Pandemieplan in der Regel für diese, nie dagewesene Form des Herunterfahrens eines Großteil der Wirtschaft weltweit nicht vorgesehen war. KMUs und insbesondere KKUs haben oftmals aus verschiedenen Gründen keine Business Continuity Planung und auch keine Pandemieplanung (Watkins et al. 2008). Umso wichtiger ist es jetzt, mit genauso großer Sorgfalt den Wiedereintritt des Unternehmens in den Markt zu planen, damit dies erfolgreich gelingt und das Unternehmen nachhaltig gesichert ist.
Rechtliche Rahmenbedingungen
In den letzten Wochen hat das Infektionsschutzgesetz und die daraus abgeleiteten Einschränkungen das Leben in Deutschland bestimmt. Nun sind die verschiedenen Coronaverordnungen der Bundesländer laufend zu beachten, die sich auf Grund der jeweiligen Situation und der sehr unterschiedlichen regionalen Infektionssituation rasch ändern und damit unmittelbaren Einfluss auf die Betriebssituation haben können.
Die Maßnahmen waren vordringlich dadurch getrieben, dass die Zahl der Neuinfektionen kontinuierlich zurückgehen sollte, sodass erforderlichenfalls eine adäquate medizinische Versorgung aller Bürger möglich gewesen wäre. Dieses Ziel wurde nun erreicht, auch wenn es immer wieder zu lokalen Ausbrüchen kommen kann (wie zuletzt in Fleischereibetrieben in NRW), welche rechtzeitig erkannt und isoliert werden müssen. Unter diesen Voraussetzungen ist die Rückkehr zur Aufnahme der Geschäftstätigkeit gegeben.
Da die Pandemie sich in vielen Ländern noch am Anfang des Ausbruchsgeschehens befindet, bedarf es für international agierende Unternehmen einer komplexen Analyse und Bewertung auch der ausländischen Märkte um beispielsweise Lieferketten beurteilen zu können.
Kommunikationskonzept
Nach einer Bewertung der aktuellen Situation im Sinne einer erweiterten Gefährdungsbeurteilung bzw. Risikobewertung muss der Unternehmer eine entsprechende Planung für die Wiederaufnahme des Geschäftes in Angriff nehmen. Damit das erfolgreich gelingt, sollte auch ein entsprechendes Kommunikationskonzept erstellt werden. Dabei geht es um die rechtzeitige und umfassende Information aller Beteiligten (Stake-Holder).
- Die Mitarbeiter müssen erfahren, wie und in welchem Umfang das Geschäft wieder aufgenommen werden soll und wie der Einsatz der Mitarbeiter geplant ist: wer verbleibt möglicherweise in Kurzarbeit, im Home Office oder wer soll wieder vor Ort eingesetzt werden und wie sieht die mittelfristige Perspektive aus.
- Mit den zuständigen Behörden muss ggf. besprochen werden, ob die geplanten Maßnahmen im Einklang mit den behördlichen Vorschriften stehen und umgesetzt werden können.
- Mit den Lieferanten müssen Gespräche geführt werden, in welchem Umfang wieder Lieferungen an das Unternehmen erfolgen sollen und ob der Lieferant überhaupt in der Lage ist, zeitgerecht zu liefern. Ggf. muss ein Ersatz für einen ausgefallenen Lieferanten gesucht und gefunden werden.
- Auch die Kunden müssen darüber informiert werden, dass die Leistung des Unternehmens wieder angeboten werden und in welchem Umfang. Dabei muss natürlich genauso besprochen werden, ob und in welchem Umfang der Kunde die Leistungen des Unternehmens überhaupt wieder in Anspruch nehmen kann oder will, wie auch das Unternehmen derzeit überhaupt in der Lage ist, vereinbarte Leistungen fristgerecht zu erbringen
Mitarbeiter
Ohne leistungsfähige und motivierte Mitarbeiter wird ein Geschäft nicht betrieben werden können. Je nach wirtschaftlicher Lage wurden die Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt, teilweise zu 100 Prozent. Teilweise wurden auch geringfügig Beschäftigte entlassen, die nun möglicherweise in der Anfangsphase nicht mehr zur Verfügung stehen.
Aufgrund bestehender Lieferengpässe bei den Lieferanten oder auf Grund behördlicher Verordnungen kann es durchaus sein, dass der Umfang der Betriebsaufnahme erst in reduzierter Form erfolgen kann. Dafür werden möglicherweise nicht alle Mitarbeiter benötigt, sodass es notwendig ist, gemeinsam mit den Mitarbeitern festzulegen, wer für bestimmte Aufgaben gebraucht wird, wer möglicherweise diese Tätigkeiten auch von Zuhause aus erledigen kann und wer noch in Kurzarbeit verbleiben muss.
Gerade in Kleinstunternehmen ist der Unternehmensleitung häufig bekannt, wer unter gesundheitlichen Beschwerden leidet, wer aufgrund des Alters und anderer Faktoren zu einer Risikogruppe zählt und möglicherweise erst mit Verzögerung wieder vor Ort eingesetzt werden sollte. Dabei sind gegebenenfalls auch Beschäftigungsverbote oder die Empfehlung von Beschäftigungsverboten zu beachten. Diese können in unserem föderalen System auch innerhalb Deutschlands von Bundesland zu Bundesland erheblich variieren und können beispielsweise auch einen Bäcker mit kleinen Filialen in einer Gegend, in der mehrere Bundesländer aneinandergrenzen, zwingen, mehrere Konzepte parallel umsetzen zu müssen.
Auch die Auflagen des Mutterschutzgesetzes bei Schwangeren und die dazu vorhandenen Ausführungsbestimmungen der Arbeitsministerien der Länder oder Aufsichtsbehörden müssen mit in die Betrachtung einbezogen werden, sowie die Ängste von Mitarbeitern, die mit Vorerkrankungen zu Risikogruppen gehören und Angst vor Infektionen am Arbeitsplatz haben (Bell et al. 2006).
Ängste von Mitarbeitern und auch von Unternehmern werden oftmals auch durch Falschinformationen befördert. Die derzeitigen Verschwörungstheorien haben nun auch die Politik auf den Plan gerufen, da die Rückkehr in den Normalbetrieb durch falsches Verhalten oder falsche oder nicht durchgeführte Vorsichtsmaßnahmen gefährdet werden kann und damit wieder zu Beeinträchtigung des Geschäftsbetriebes führen können. Dieses Problem ist auch früher schon aufgetreten (Zwart et al. 2007), wird aber durch nunmehr breitere und häufigere Nutzung des Internets mit teilweise völlig ungeprüften und auch bewusst falschen Informationen ein zunehmender Risikofaktor, der berücksichtigt werden muss. Hier ist ggf. eine Information der Mitarbeiter und Hinweise auf gesicherte Fakten erforderlich.
Arbeitsschutzmaßnahmen gelten auch in der Pandemie wie in der Post-Pandemiezeit uneingeschränkt. (Wichtig: Wie in der interpandemischen Zeit ist die Einbindung des Betriebsarztes und des Sicherheitsingenieurs/der Fachkraft für Arbeitssicherheit essentiell).
Lieferanten und Lieferketten
Die meisten Unternehmen sind auf Zulieferungen von Rohstoffen, Komponenten oder (Vor-)Produkten angewiesen. Es gilt nun, die Schlüssel- und Kernprozesse des eigenen Unternehmens zu identifizieren und festzulegen, welche dieser Waren (und welche Mengen) notwendig sind, um den Geschäftsbetrieb wieder aufzunehmen, auch unter Berücksichtigung einer gegebenenfalls geänderten Marktsituation.
Zeitliche Verzögerungen in den Lieferketten durch ggf. noch bestehende Grenzschließungen sind zu berücksichtigen. Deutliche Preissteigerungen der benötigten Produkte können auftreten, da diese aktuell möglicherweise nur auf dem teureren Luftfrachtweg verfügbar sind.
Hierfür ist eine Kontaktaufnahme zu den Lieferanten, ggf. zu alternativen Bezugsquellen notwendig.
Kunden und der Markt
Die Pandemie und die dadurch bedingten Einschränkungen haben auch aus Sicht der Kunden eine Änderung der Marktsituation herbeigeführt. Nicht zuletzt hat sich für viele Menschen die wirtschaftliche Situation durch Jobverlust, Kurzarbeitergeld oder Einkommensreduktion stark verändert. Für viele Unternehmen bedeutet dies eine Änderung der Kaufgewohnheiten und der Kaufkraft ihrer Kunden. Besonders betroffene Branchen dürften die Touristik‑, Automobil‑, Einzelhandels‑, Elektronik- und Textilbranche sein. Hier kann es zu längerdauernden Phasen des Umsatzrückgangs kommen. In anderen Bereichen hingegen kann es zu einem Pandemie-bedingten Aufschwung kommen (Medizintechnik, Medizinprodukte, Telekommunikation und Informationstechnologien).
Auch in unidirektionalen Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen (B2B) kann es sein, dass durch den geänderten Bedarf des Kunden auf Grund des Ausbleibens von Endkunden Waren und Dienstleistungen derzeit gar nicht oder nur in deutlich verringertem Umfang benötigt werden (beispielsweise Zulieferer im Automobilsektor oder Molkereien für Hotels und Großhandel).
Fazit
Die Rückkehr zu einem regulären Betrieb aus der Pandemie heraus erfordert eine gründliche Planung und Vorbereitung auf verschiedenen Ebenen (Rose et al. 2020). Die Vorbereitungen für die Wiederaufnahme müssen im Einklang mit den vorgegebenen Verordnungen der regionalen und nationalen Vorschriften sein. Es muss vorab geprüft werden, ob die teilweise oder vollständige Wiederaufnahme des Betriebes möglich und wirtschaftlich dauerhaft sinnvoll ist.
Die Mitarbeiter müssen über ihre weiteren Einsatzmöglichkeiten informiert werden. Lieferanten müssen verbindlich Lieferungen und Lieferterminen zusagen. Gegebenenfalls müssen Ersatzlieferanten gefunden werden. Für Kunden muss das Angebot attraktiv sein, um eine entsprechende Abnahme zu erreichen. Auch Absprachen mit Behörden auf kommunaler und Länderebene sind gegebenenfalls erforderlich. Veränderte Marktbedingungen können aber auch dazu führen, dass etablierte Geschäftsmodelle nicht mehr tragfähig sind und geändert werden müssen. Kleinunternehmen könnten sich damit zunächst überfordert fühlen, insbesondere wenn es sich um sehr spezifische Waren und Dienstleistung handelt. Eine Unterstützung bei diesen Planung wird oft aus Angst vor Kosten nicht in Anspruch genommen, ist jedoch oft wirtschaftlich sinnvoll (Watkins et al. 2008).
Zur Unterstützung von Unternehmen, insbesondere kleiner und Kleinstbetrieben (KKUs und KMUs) ohne spezifische Fachkompetenz bezüglich Pandemieplanung, wurden webbasierte Tools entwickelt. So führt das Tool RecoveryPlan (https://bit.ly/3a3ZJVH) entlang einer allgemeinen Fragenstruktur die Unternehmen durch verschiedene Bereiche der Planung zur Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit.
Entsprechend der individuellen Branchenzugehörigkeit und Geschäftsmodelle können für die jeweiligen Unternehmen je nach Thematik Teilbereiche bereits geklärt sein, nicht zutreffen oder aber noch nicht bedacht sein. Als Ergebnis erhalten die Unternehmen eine PDF-Checkliste zur Dokumentation. Diese dient auch als ToDo-Liste zur Fortschreibung und Überprüfung der bereits eingeleiteten Maßnahmen. Im Zuge der Lockerung der Reisefreizügigkeit für einige europäische Länder führt das Tool RABiT RiskAssessment for Business Travel (https://bit.ly/3bnP2wO) ebenfalls mittels eines Fragenkatalogs durch verschiedene Themengebiete der Gefährdungsbeurteilung für berufliche Reisen und Auslandsaufenthalte.
Als Zusammenfassung und zur Dokumentation erhält auch hier das Unternehmen bzw. die/der Reisende*r eine Checkliste. In der interpandemischen Zeit zwischen verschiedenen Ausbrüchen oder anderen globalen Krisen dient PanPlan der Fortschreibung der Analyse der Geschäftstätigkeit und Prozessabläufe, um für die nächste Krise vorbereitet zu sein. Alle Tools können kostenlos genutzt werden. Die in den Tools verlinkten Informationen werden von offiziellen Stellen aktualisiert. Die im Rahmen der Fragenkataloge von den Betrieben eingehenden Informationen werden anonym auf dem Server der Unimedizin Mainz gespeichert und von den Arbeitsmedizinischen Instituten der Universitätsmedizin Mainz und Düsseldorf zu wissenschaftlichen Zwecken und zur Weiterentwicklung für Unterstützungsinstrumente für kleine und mittelständige Unternehmen genutzt. Weitere Informationen finden Sie auch auf der Homepage GesundeKMU.de (www.gesundekmu.de).
Literaturverzeichnis
- Bell, David; Nicoll, Angus; Fukuda, Keiji; Horby, Peter; Monto, Arnold; Hayden, Frederick et al. (2006): Non-pharmaceutical interventions for pandemic influenza, national and community measures. In: Emerging infectious diseases 12 (1), S. 88–94. DOI: 10.3201/eid1201.051371.
- Rose, D‑M; Dahlke, E.; Kegel, P.; Schöne, K. (2020): Vorbereitung der Unternehmen auf die postpandemische Marktsituation. In: Arbeitsschutz in Recht und Praxis (ARP) (4), S. 127–128.
- Watkins, Rochelle E.; Cooke, Feonagh C.; Donovan, Robert J.; Macintyre, C. Raina; Itzwerth, Ralf; Plant, Aileen J. (2008): Tackle the problem when it gets here: pandemic preparedness among small and medium businesses. In: Qualitative health research 18 (7), S. 902–912. DOI: 10.1177/1049732308318032.
- Zwart, Onno de; Veldhuijzen, Irene K.; Elam, Gillian; Aro, Arja R.; Abraham, Thomas; Bishop, George D. et al. (2007): Avian influenza risk perception, Europe and Asia. In: Emerging infectious diseases 13 (2), S. 290–293. DOI: 10.3201/eid1302.060303.

Prof. Dr. med. Dirk-Matthias Rose
Alle Institut f. Arbeits‑, Sozial- und Umweltmedizin der Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Dr. med. Peter Kegel

Dipl.-Ing. Klaus Schöne,
Dipl. Wirtschaftsingenieur, Leitender Sicherheitsingenieur

Dr. med. Eva Dahlke