Gewalt verhindern oder zumindest reduzieren lässt sich in vielen Fällen durch präventive Maßnahmen. Diese schaffen Voraussetzungen, damit Gewaltbereitschaft und übergriffige Verhaltensweisen gar nicht erst entstehen. Bei einem erfolgreichen Präventionskonzept werden technische, organisatorische und auf Personen bezogene Maßnahmen passend für den jeweiligen Arbeitsplatz entwickelt und umgesetzt. Dafür muss der Arbeitgeber in einem ersten Schritt eine Gefährdungsbeurteilung unter dem Aspekt Gewalt und Aggression durchführen.
Technische Maßnahmen …
vermitteln ein Gefühl der Sicherheit und erschweren direkte Gewaltattacken. Hier einige Beispiele:
- Installieren Sie an kritischen Orten eine Videoüberwachung
- Planen Sie den Eingangs- und Ausgangsbereich so, dass er gut einsehbar ist und es keine Versteckmöglichkeiten gibt.
- Rüsten Sie Kassenräume mit Sicherheitsglasscheiben aus.
- Beleuchten Sie das Betriebsgelände, Räume, aber auch die Flure ausreichend hell.
- Führen Sie eine Zugangskontrolle ein.
- Lassen Sie eine Beratungstheke als „Barriere“ bauen.
- Sorgen Sie für zusätzliche Fluchtwege.
Organisatorische Maßnahmen …
bedeuten eine extra Portion Sicherheit.
- Achten Sie darauf, dass sich keine großen Geldbeträge am Arbeitsplatz befinden.
- Vermeiden Sie Einzelarbeit. Polizisten und Sicherheitskräfte treten immer zu zweit auf, denn das bietet Sicherheit.
- Stellen Sie sicher, dass bekannt ist, wo ein Mitarbeiter gerade im Einsatz ist.
- Erstellen Sie eine Hausordnung und hängen Sie diese gut sichtbar auf.
- Entwickeln Sie ein Notfallmanagement und planen Sie eine Rettungskette.
- Richten Sie eine betriebliche Beschwerdestelle ein.
- Werten Sie Gewaltvorfälle systematisch aus. Mit einer vollständigen Nachbereitung lassen sich Maßnahmen gezielt verbessern, sodass es zu keinen weiteren vergleichbaren Gewaltereignissen kommen kann.
Früherkennung und Intervention
Beleidigungen und verbale Angriffe können psychisch belasten. Körperliche Attacken können zu Verletzungen mit Arbeitsunfähigkeit führen. Treten Konfliktsituationen auf, kann das eigene Auftreten eine entscheidende Rolle spielen, damit Gewalt nicht eskaliert. So kann ein selbstbewusstes und überlegtes Auftreten gerade zu Beginn einer schwierigen Situation für Entspannung sorgen. Mit schwierigen Personen oder Situationen umzugehen, kann man lernen. Dafür müssen Mitarbeiter immer wieder und regelmäßig im Umgang mit Übergriffen geschult werden. In speziellen Deeskalationstrainings können sie zum Beispiel lernen, in solchen Situationen souverän zu bleiben.
Personenbezogene Maßnahmen …
stärken den Einzelnen und die Gemeinschaft.
- Nehmen Sie an Seminaren zur Gesprächsführung teil.
- Absolvieren Sie ein Deeskalationstraining und/oder
- ein Selbstbehauptungstraining und/oder
- eine Fortbildung zu gewaltfreien Selbstverteidigungs- und Befreiungstechniken.
- Nehmen Sie das Thema ernst und fördern Sie die Beschäftigten im sicheren und umsichtigen Verhalten.
- Sorgen Sie für ein offenes, vertrauensvolles Betriebsklima ebenso wie für regelmäßige Unterweisungen und Schulungen.
Konfliktsituationen durchspielen
Bei der VBG gibt es für die betriebliche Aus- und Weiterbildung von Fahrern und Zugbegleitern ein interaktives Computertraining. Damit lassen sich anhand typischer Konfliktsituationen aus dem beruflichen Alltag Handlungen zur Vorbeugung, Früherkennung und Bewältigung von Konfliktsituationen einstudieren. Das Programm bietet zudem Grundlagenwissen und ein Lexikon mit Erklärung der wichtigsten Begriffe zum Thema Konflikte und Konfliktprävention.
Für den Ernstfall gerüstet
Prävention setzt sich auch damit auseinander, dass nicht jeder Unfall beziehungsweise jede Gewalttat verhindert werden kann. Hat trotz aller Vorkehrungen und Maßnahmen Gewalt in irgendeiner Form stattgefunden, ist es gut, wenn man auf diese außergewöhnliche Situation vorbereitet ist.
Notfallmappe der BG Verkehr
Von der Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation (BG Verkehr) gibt es die „Notfallmappe – traumatisierende Ereignisse“. Damit können sich Betroffene und Führungsverantwortliche ausführlich und anschaulich informieren. Die Broschüre bietet nützliche Hinweise zur Bewältigung eines traumatischen Ereignisses sowie zur Unterstützung von Mitarbeitern nach einem Gewalterlebnis. Das Material ist sowohl für die alltägliche berufliche Praxis als auch für Unterweisungen und Schulungen geeignet. So finden sich darin unter anderem:
- Vordrucke für die gesetzliche Unfallanzeige eines Vorkommnisses,
- ein so genanntes „Schockfax“, mit dem professionelle Hilfe angefordert werden kann,
- eine Orientierungshilfe zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung unter dem Aspekt „Traumatische Ereignisse“ sowie
- eine Unterweisungskarte zum Thema.
Konflikt als Vorstufe
Konfliktsituationen lassen sich in der Berufswelt nicht immer vermeiden, wie folgendes Beispiel verdeutlicht:
Freitagabend, es regnet in Strömen. An der Haltestelle stehen viele Berufstätige, die nach Hause wollen. Der Bus hat schon mehrere Minuten Verspätung. Die Wartenden regen sich mit jeder weiteren Minute mehr auf. Als endlich der Bus kommt und alle eingestiegen sind, tönt durch das Fahrzeug: „Fahrscheinkontrolle.“ Ein junger, offensichtlich alkoholisierter Fahrgast ohne Fahrschein schiebt den Kontrolleur rüde zur Seite und drängelt Richtung Ausgang. Die Stimmung im vollbesetzten Bus ist aufgeladen. Jetzt ist der Kontrolleur besonders gefordert, um bei der Ahndung des Vergehens weder sich selbst, den Schwarzfahrer oder andere Fahrgäste in Gefahr zu bringen.
Dringender Handlungsbedarf in Notaufnahmen

Eine Studie der Hochschule Fulda zeigt, wie hoch das Gewaltrisiko durch Patienten oder Angehörige für Personal von Notaufnahmen ist. Die Studie wurde an 51 Notaufnahmen in Hessen durchgeführt. 354 Personen nahmen daran teil.
- Gewalt ist zur Normalität geworden
Innerhalb der letzten zwölf Monate hatten fast alle Befragten ein Gewalterlebnis.
- 97 Prozent wurden verbal attackiert.
- 76 Prozent waren körperlichen Angriffen ausgesetzt und
- 62 Prozent gaben an, von mindestens einer Form sexualisierter Gewalt betroffen gewesen zu sein.
- 77 Prozent erklärten, dass Gewalt gegen die eigene Person für sie zur Normalität an ihrem Arbeitsplatz gehören würde.
- Am häufigsten wird mit Worten verletzt
Verbale Gewalt erlebt nahezu jeder Beschäftigte in einer Notaufnahme. Fast 62 Prozent müssen damit täglich oder mindestens wöchentlich rechnen. Mehr als 24 Prozent sind in dieser Zeit zudem körperlicher beziehungsweise rund 21 Prozent sexualisierter Gewalt ausgesetzt.
- Nachts fühlen sich viele Beschäftigte nicht sicher
Notaufnahmen sind rund um die Uhr besetzt. Am Tag fühlen sich fast alle Pflegekräfte dort sicher. Nachts sieht das jedoch anders aus: 39 Prozent fühlen sich dann bei ihrer Arbeit meist nicht oder nie sicher.
- Auslöser können Alkoholkonsum oder die Arbeitsorganisation sein
Zu den Auslösern für Gewaltattacken in der Notaufnahme gehören unter anderem der Einfluss von Alkohol oder Drogen sowie die Verwirrtheit von Patienten. Aber auch lange Wartezeiten, Unzufriedenheit mit der Versorgung oder Verständigungsprobleme spielen eine Rolle.
Quelle: Studie zu Gewalt in der Notaufnahme – GINA,
www.hs-fulda.de
Linktipps zum Thema
- Einen Überblick über verschiedene Formen von Gewalt bietet das Lexikon Gewalt (Information BGI/GUV‑I 8638), zu finden unter www.dguv.de.
- Die Handlungshilfe „Prävention von Gewalt und Aggression gegen Beschäftigte“ der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege erleichtert eine Gefährdungsbeurteilung zum Thema „Gewalt und Aggression“ und hilft dabei, ein Präventionskonzept zu entwickeln.
Die Broschüre kann heruntergeladen werden unter www.bgw-online.de (DGUV Information 207–025). - Die „Notfallmappe – traumatisierende Ereignisse“ der BG Verkehr steht unter www.bg-verkehr.de (Webcode 16782095) zur Verfügung.
- Die Kurzinformation „Mobbing – Organisationshilfe zum konstruktiven Umgang mit Konflikten am Arbeitsplatz“ des DGUV Fachbereichs „Organisation von Sicherheit und Gesundheit“ konzentriert sich auf organisatorische Maßnahmen. Sie ist erhältlich unter www.dguv.de (Webcode p021374).
Geschulte Ersthelfer
Besteht an einem Arbeitsplatz ein erhöhtes Risiko für gewalttätige Übergriffe, sollten psychologisch geschulte Ersthelfer ausgebildet werden. Sie können im Notfall …
- Gewaltopfer vom Ort des Geschehens wegbringen,
- ihnen Gesellschaft leisten und
- gesprächsbereit sein, ohne ein Gespräch aufzudrängen.