Es gibt sie schon: eine dem Ansatz „Cradle to Cradle“, dies meint eine durchgängig und konsequente Kreislaufwirtschaft, folgende Arbeitskleidung. Die Uvex suxxeed greencycle Kollektion für Industrie und Handwerk ist vollständig kompostierbar. Die Kleidung aus Baumwolle, einem modifizierten Co-Polyester und Elasthan inklusive Knöpfen kann ebenso wie das Verpackungsmaterial und Hangtags durch Mikroorganismen aufgebrochen werden und zersetzt sich in ungefähr 400 Tagen. Fortschritte im Bereich der Nachhaltigkeit gibt es auch bei der HiVis-Bekleidung, die sich durch gute Sichtbarkeit auszeichnet. Zwei Warnschutz-Linien des schwedischen Workwear-Spezialisten Fristads gehören zu deren Green-Produkten. Die leichtere Version für Akteure in den Bereichen Straßenbau, Bauwesen, Transport und Logistik besteht aus Bio-Baumwolle und Polyester, die aus recycelten PET-Flaschen hergestellt sind. Auf der Fachmesse A+A 2023 im Herbst plant Fristads, eine nachhaltige Flammschutzkollektion vorzustellen.
Recycelte Materialien im Einsatz
Bei Schuhen und Handschuhen sind die Anbieter mit ihren Nachhaltigkeitsbemühungen ebenfalls fortgeschritten. Sie erhöhen den Anteil der eingesetzten recycelten Materialien kontinuierlich. Bei Steitz Secura beispielsweise ist die metallfreie Zehenkappe der Green Label-Kollektion zu 33 Prozent aus Meeresplastik. Auch die green heart Modelle von ISM Europe werden teilweise aus recycelten PET-Flaschen hergestellt. Und die Schutzhandschuhe EFL 910 NIT und EFL 900 von Seiz, die in der Logistik oder im Anlagenbau eingesetzt werden, bestehen zu 50 Prozent aus PET-Flaschen und erfüllen den Recycled Claim Standard RCS. Dieser gibt Auskunft über die Rückverfolgbarkeit recycelter Rohstoffe innerhalb der Lieferkette.
Pilotprojekte für Kreislaufwirtschaft
Trotz aller Weiterentwicklungen und Bemühungen: Kreislauffähigkeit ist ein schwieriges Thema in Hinblick auf Arbeitskleidung und Persönlicher Schutzausrüstung (PSA). Die speziellen Gewebe und Ausrüstungen, die zuverlässigen Schutz gewähren, eignen sich häufig nicht für ein Recycling. Auch Kontaminierungen, etwa von Feuerwehrbekleidung oder Handschuhen, machen eine Weiterverwertung unmöglich.
Bierbaum Proenen (BP) prüft derzeit den Einsatz von rückgewonnenen Fasern aus alter Bekleidung und aus Schnittresten. Sie sollen in neuen Teilen eingesetzt werden, ohne dass die Qualität und die hohen Standzeiten der Kleidung negativ beeinflusst werden. Fristads hat in den Niederlanden mit dem Flughafen Schiphol ein Wiederverwertungsprogramm etabliert. Alte Kleidung wird so repariert und überholt, dass sie als „Second-Life-Bestand“ verwendbar sind. In einem weiteren Pilotprogramm werden die Poloshirts des niederländischen Post- und Logistikunternehmens PostNL gesammelt und zu neuen Kleidungsstücken recycelt. Sie bestehen dann zu 15 Prozent aus alten Hemden.
Nachhaltigkeit beginnt beim Design
Wer sein Produkt so entwirft, dass möglichst wenig unterschiedliche Materialien verwendet werden, fördert die Nachhaltigkeit, denn die Kombination mehrerer Materialien verhindert die Kreislauffähigkeit. Wer beim Zuschneiden Produktionsabfälle vermeidet, ebenso. Zwar gibt es Möglichkeiten des Downcyclings, wenn Reste anderweitig verwendet werden, trotzdem gilt es, Abfälle so weit wie möglich zu vermeiden.
Langlebigkeit ist das Gebot. Je länger ein Kleidungsstück getragen werden kann, desto besser ist das für die Umwelt. In diesem Zusammenhang kommt der Reparatur von Bekleidung und Schuhen eine zunehmend große Bedeutung zu. Auch hier hilft zunächst durchdachtes Design. Bekannte Sollbruchstellen müssen so verstärkt sein, dass die Produkte länger halten. Kontrastgewebe am Ärmelsaum können dafür sorgen, dass Verschmutzungen nicht so schnell sichtbar sind, sodass die Kleidung seltener gewaschen werden muss. Reflexstreifen lassen sich auswechseln. Auch Knöpfe werden von einigen Unternehmen gestellt, damit Reparaturen möglich sind.
Das norwegische Unternehmen Wenaas und Goretex Professionals haben gerade gemeinsam ein „Repair Kit“ für Lichtbogenschutz-PSA auf den Markt gebracht. Kleine Schäden wie Risse können einfach mit einem selbstklebenden Flicken repariert werden. Kristin Lien, Produktentwicklerin bei Wenaas, erklärt: „Wir fanden, dass es finanziell und ökologisch keinen Sinn ergibt, die gesamte Bekleidung zu ersetzen. Die Kunden sollen ihre Kleidungsstücke so lange wie möglich behalten können. Deshalb haben wir das Reparatur-Kit entwickelt – das ist kostengünstig und nachhaltig.“ Auch Haix als Spezialist für Feuerwehrstiefel hat 2022 über 10.000 Paar Schuhe im eigenen Reparaturservice gezählt.
Nachhaltige PSA mit dem Green-Calculator
Fristads geht noch einen anderen Weg, um „gläserne Produkte zu schaffen“, wie Digital Sales Manager DACH bei Fristads, Marcus Gotthardt, es formuliert. In Zusammenarbeit mit dem staatlichen schwedischen Forschungsinstitut RISE hat das Unternehmen einen Standard zur Messung aller Umweltauswirkungen eines Kleidungsstücks während seines gesamten Lebenszyklus entwickelt: die Umwelt-Produktdeklaration (EPD). Jedes Produkt ist mit einem Link zur Website versehen, auf der nachzulesen ist, wie nachhaltig das jeweilige Produkt tatsächlich ist. So können Beschaffende Green-Produkte mit herkömmlichen Produkten vergleichen.
Umweltaspekte zählen immer mehr
Preis und Lieferfähigkeit sind für die meisten Kunden weiterhin die entscheidenden Kaufkriterien. Doch größere Unternehmen haben immer häufiger auch eine Nachhaltigkeitsagenda. „So können Werte wie gesellschaftliche Verantwortung, Umweltaspekte und auch der regionale Standort und Services immer mehr zum Zünglein an der Waage werden“, zeigt die Erfahrung von Thomas Wagner, Marketingleiter bei Steitz Secura in Kirchheimbolanden.
Uvex beobachtet ein Umdenken bei den Kunden. „Vor allem im Bereich Carbon Footprint“, sagt Marketing Managerin Manuela Wild. Mit dem Inkrafttreten der EU-Taxonomie-Verordnung werde der CO2-Fußabdruck jedes in einem Unternehmen verwendeten Produktes Bestandteil der CO2-Gesamtbilanz. Uvex selbst bietet mit der Angabe des CO2-Fußabdrucks pro Produkt eine Hilfestellung bei der Auswahl und Beurteilung von Standard- und nachhaltigen Produkten.
Optimierung der eigenen Werke
Nachhaltigkeit ist umfassend zu sehen. Es gibt viele Stellschrauben, die Unternehmen drehen können. Das fängt an bei kleineren Anschaffungen wie E‑Bikes in Gegenden mit schlecht ausgebautem öffentlichen Nahverkehrsnetz. Haix im bayerischen Mainburg unterstützt seine Mitarbeitenden beispielsweise finanziell bei der Anschaffung solcher Räder als Alternative zum Auto. Oder, das gibt es auch bei Haix, die Footprint AG: Sie gestaltet das Thema Nachhaltigkeit intern. Ein AG-Projekt waren Wasserspender und wiederverwendbare Flaschen für alle.
Unternehmen arbeiten konsequent daran, die Wege für Beschaffung und Produktion zu verkürzen. Die eigenen Standorte werden kontinuierlich modernisiert. Photovoltaik-Anlagen versorgen Verwaltungsgebäude oder Lagerhallen mit Solarstrom. Der nicht verbrauchte Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist. Mit Akkus wird versucht, den Eigenverbrauch zu steigern. Bis zu 40 Prozent des Eigenbedarfes kann so gedeckt werden, prognostiziert Elten für sein bisheriges Lager, das automatisierte Kleinteilelager und die Finishing-Abteilung. Andere Unternehmen wie Steitz Secura betreiben ihre Betriebsstätten schon seit Längerem mit Ökostrom. Auch ISM deckt den Strombedarf in Lippstadt aus regenerativen Quellen.
Durch Einsparungen von Energie hat Elten große Fortschritte bei der Verringerung der eigenen CO2-Emissionen gemacht. Wärmetauscher, die die bei der Produktion entstandene Wärme nutzen, helfen dabei, am Standort Uedem ein Viertel des Erdgasverbrauchs zu sparen. In den Lagern hat das Unternehmen die Gasheizung gegen eine Wärmepumpe ausgetauscht. Darüber hinaus haben sie die Beleuchtung größtenteils auf LED-Technik umgestellt.
Auf die Verpackung kommt es an
Doch nicht nur das Produkt selbst, sondern auch die Verpackung sollte nach Möglichkeit nachhaltig und wiederverwendbar sein. ISM beispielsweise nutzt im B2B- und B2C-Bereich den klimaneutralen Paketversand von unterschiedlichen Dienstleistern. Es werden Kartonagen aus recycelten Materialien, FSC- oder Blauer Engel-zertifiziertes Packpapier eingesetzt. In der Logistik setzte das Unternehmen auf Elektrofahrzeuge. Zudem ist geplant, dass die Ladestationen auf dem Firmengelände von Externen genutzt werden dürfen.
Auch Seiz setzt auf nachhaltige Verpackung mit Papierbanderolen, die zeitgleich als Gebrauchsanweisung fungieren. So werden die Red Mamba Schutzhandschuhe, die beispielsweise in der Forstwirtschaft eingesetzt werden, nicht mehr mit PU-Beuteln, sondern mit den erwähnten Papierbanderolen zu je fünf oder zehn Paaren verpackt.
Das in Köln ansässige Unternehmen BP ist von einem Polybeutel pro Kleidungsstück auf einen Beutel für 20 Kleidungsstücke pro Karton für den Seetransport umgestiegen.
Klima-Ziele im Blick
Die Klima-Ziele der Unternehmen sind in vielen Fällen klar definiert; Tendenz ist fortschreitend. Produkte und Logistik sollen zunehmend CO2-neutral werden und die Produkte so weit wie möglich kreislauffähig sein. Doch was hier für Freizeitbekleidung in vielen Bereichen möglich scheint, gestaltet sich für Arbeitskleidung und PSA aufgrund der hochtechnischen Mischgewebe und deren Ausrüstung als kompliziert. „Der regulatorische Rahmen, in dem wir uns bewegen, ist sehr eng“, sagt Fabian Kusch von BP. Denn die Schutzfunktion hat bei dieser Kleidung immer Vorrang.
Herausforderungen bei Herstellung
PSA-Produkte sind komplex. Eine Rückführungslogistik ist nur sinnvoll, wenn es ein funktionierendes Recycling gibt. Auch die Verfügbarkeit von recycelten Komponenten, welche die Vorgaben für Schutzprodukte erfüllen, stellt in häufig eine Herausforderung dar. Hinzukommend sind die Preise oft sehr hoch, weswegen Unternehmen auf kostengünstigere Alternativen zurückgreifen. Und schließlich bräuchte die Branche bessere Recycling-Technologien. Es gibt zwar immer mehr Initiativen, heißt es bei ISM, aber die meisten Technologien befänden sich noch in der Pilotphase.
Nachhaltigkeit erfordert Transparenz
Was umsetzbar und für alle Beteiligten hilfreich ist, ist Transparenz. Uvex‘ Anliegen ist es, diese in allen Aktivitäten zu gewähren. Maßnahmen sollen nachvollziehbar und überprüfbar sein. „Denn nur durch Glaubwürdigkeit und Vertrauen entsteht echte Nachhaltigkeit.“
Öko-Labels
Die Anzahl der Öko-Labels ist groß und wächst stetig. Sie geben Auskunft über die Herkunft der Materialien und wie sie gehandelt werden (zum Beispiel Fair Trade Baumwolle) oder über soziale Nachhaltigkeit wie die Fair Wear Foundation. Mit dem Oekotex Standard 100 sind Textilien zertifiziert, die schadstoffgeprüft sind. Step by Oekotex steht für „Sustainable Textile and Leather Production“ und gibt Auskunft über Produktionsstätten entlang der Textil- und Lederlieferketten, die ihre umweltfreundlichen Herstellungsprozesse und sozialverträglichen Arbeitsbedingungen sicherstellen und transparent kommunizieren wollen.
Autorin:
Kirsten Rein
Fachjournalistin