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Arbeitsunfall: Wann greift der Versicherungsschutz?

Die gesetzliche Unfallversicherung
Arbeitsunfall: Wann greift der Versicherungsschutz?

Alle Arbeit­nehmenden sind im Rah­men ihres Beschäf­ti­gungsver­hält­niss­es geset­zlich unfal­lver­sichert – und das bere­its seit 1885: Seit ihrer Grün­dung vor mehr als 135 Jahren küm­mert sich die geset­zliche Unfal­lver­sicherung „mit allen geeigneten Mit­teln“ um ihre Ver­sicherten, wenn diese bei der Arbeit Ver­let­zun­gen erlei­den. Doch wann gilt ein Unfall als Arbeit­sun­fall? Und was ist zu tun, wenn es zu einem solchen gekom­men ist?

Der geset­zliche Unfal­lver­sicherungss­chutz ist im Siebten Buch des Sozialge­set­zbuchs (SGB VII) geregelt. Ver­sichert sind dem­nach unter anderem Arbeit­sun­fälle. Doch was sind Arbeit­sun­fälle und wann greift der Ver­sicherungss­chutz nach einem Arbeit­sun­fall? Zunächst ein­mal sind Arbeit­sun­fälle Unfälle, die ver­sicherte Per­so­n­en infolge der Ausübung ein­er ver­sicherten Tätigkeit erlei­den (§ 8 Abs. 1 SGB VII). Ver­sichert sind grund­sät­zlich alle Tätigkeit­en, die sich aus der arbeitsver­traglichen Verpflich­tung ergeben. Nicht ver­sichert sind dage­gen Hand­lun­gen, die nicht mehr im ursäch­lichen Zusam­men­hang mit der eigentlichen Arbeit ste­hen. Das sind soge­nan­nte eigen­wirtschaftliche, das heißt pri­vate Ver­rich­tun­gen wie zum Beispiel Essen, Trinken oder Rauchen. Diese kön­nen die ver­sicherte Tätigkeit und damit den Unfal­lver­sicherungss­chutz unter­brechen. Führt eine pri­vate Ver­rich­tung allerd­ings nur zu ein­er kurzen Unter­brechung der ver­sicherten Tätigkeit, bleibt der Ver­sicherungss­chutz beste­hen. Die Unter­brechung darf aber zeitlich und räum­lich nur sehr ger­ingfügig sein. Die entsprechende Hand­lung muss sozusagen „im Vor­beige­hen“ erledigt wer­den können.

Nahrungsaufnahme ist Privatsache

Essen und Trinken sind also grund­sät­zlich eigen­wirtschaftliche und damit unver­sicherte Ver­rich­tun­gen. Doch wer arbeit­et, muss auch essen – und zwar nor­maler­weise nicht am Arbeit­splatz. Der Weg in der Mit­tagspause mit dem Ziel, Nahrungsmit­tel für die Mit­tags­mahlzeit zu besor­gen oder ein Mit­tagessen einzunehmen, ist generell geschützt. Dies wird damit begrün­det, dass ger­ade der konkrete Weg, zum Beispiel zur Kan­tine, nur deshalb anfällt, weil der Beschäftigte per­sön­lich im Betrieb anwe­send sein muss, um sein­er Tätigkeit nachzuge­hen. Bezüglich des Ortes der Nahrungsauf­nahme beste­ht freie Wahl. Das heißt, auch Wege zur Nahrungsauf­nahme, die aus dem Betrieb hin­aus­führen, zum Beispiel in eine Fremd­kan­tine, nach Hause oder in eine Gast­stätte, sind in der Regel versichert.

Der Aufen­thalt in der Gast­stätte etc. selb­st ist nicht geschützt, der Ver­sicherungss­chutz endet beziehungsweise begin­nt an der Außen­tür. Auch während des Einkaufs in einem Lebens­mit­telgeschäft beste­ht kein Ver­sicherungss­chutz. Wer das Betrieb­s­gelände ver­lässt, um pri­vate Besorgun­gen zu machen, ste­ht eben­falls nicht unter Ver­sicherungss­chutz. Auch Spaziergänge während der Pause haben eigen­wirtschaftlichen Charak­ter und sind regelmäßig nicht versichert.

Rauchen auf eigene Gefahr

Rauchen gefährdet nicht nur die Gesund­heit, son­dern auch den Ver­sicherungss­chutz. Es ist – eben­so wie Essen und Trinken – eine pri­vate Tätigkeit und damit unver­sichert. Wird jemand während ein­er Raucher­pause ver­let­zt, ist die geset­zliche Unfal­lver­sicherung aus dem Schnei­der. Auch die Wege zu den Raucher­zo­nen oder ins Freie sind nicht ver­sichert. Und zwar unab­hängig davon, ob der Raucher­bere­ich mit oder ohne Genehmi­gung des Arbeit­ge­bers aufge­sucht wird. Ver­sicherungss­chutz beste­ht auch dann nicht, wenn der Rauch­er wegen eines beste­hen­den Rauchver­bots gezwun­gen ist, seinen Arbeit­splatz zu verlassen.

Die Wege zum Rauchen wer­den anders beurteilt als die Wege zur Essen­sein­nahme. Beim Essen han­delt es sich nicht nur um ein men­schlich­es Grundbedürf­nis. Die Nahrungsauf­nahme während der Arbeit­szeit dient auch der Erhal­tung der Arbeit­skraft und damit der Fort­set­zung der betrieblichen Tätigkeit. Für das Rauchen – wie den Kon­sum von Genuss­mit­teln all­ge­mein – hat dage­gen die per­sön­liche Entschei­dung des Einzel­nen eine so über­ra­gende Bedeu­tung, dass die betrieblichen Inter­essen dahin­ter zurücktreten.

Vorsicht auf dem stillen Örtchen

Ein so per­sön­lich­es Bedürf­nis wie das Auf­suchen der Toi­lette weist grund­sät­zlich keinen inneren Zusam­men­hang zur Arbeit auf. Deshalb ist die Ver­rich­tung der Not­durft dem pri­vat­en Bere­ich zuzurech­nen. Etwas anderes gilt aber für den Weg zur Toi­lette: Dieser ist generell geschützt. Der Grund für diese Unter­schei­dung ist ähn­lich gelagert wie bei den Wegen in der Mit­tagspause: Auch ohne die Arbeit­stätigkeit würde diese Notwendigkeit anfall­en und zählt daher zum pri­vat­en unver­sicherten Bere­ich. Der Ver­sicherte ist durch die Anwe­sen­heit auf der Betrieb­sstätte aber gezwun­gen, seine Not­durft an einem anderen Ort zu ver­richt­en, als er dies zu Hause tun würde. Deswe­gen ist der Weg von und zur Toi­lette ver­sichert. Die Gren­ze ist mit der Tür zum Zugang zu den Toi­let­ten­räu­men zu ziehen. Nur aus­nahm­sweise kann Ver­sicherungss­chutz auch während der Ver­rich­tung der Not­durft beste­hen, wenn soge­nan­nte beson­dere Gefahren­mo­mente vor­liegen, die den Unfall verur­sacht haben – so etwa ein rutschiger Steinfußboden.

Auch Mehrarbeit versichert

Die Über­schre­itung der geset­zlichen, tar­i­flichen oder ver­traglichen Arbeit­szeit wirkt sich generell nicht neg­a­tiv auf den geset­zlichen Unfal­lver­sicherungss­chutz aus. Und zwar unab­hängig davon, ob ein Arbeit­nehmer frei­willig die reg­uläre Arbeit­szeit über­schre­it­et oder ob vom Arbeit­ge­ber Mehrar­beit ange­ord­net wurde. Denn selb­st ver­botswidriges Han­deln schließt einen Ver­sicherungs­fall nicht aus. Entschei­dend ist auch hier, dass sich der Unfall infolge ein­er ver­sicherten Tätigkeit ereignet.

Auch eine beste­hende Krankschrei­bung hat auf den Schutz der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung keinen neg­a­tiv­en Ein­fluss. Denn diese bein­hal­tet kein Arbeitsver­bot. Vielmehr bescheinigt der Arzt die voraus­sichtliche Dauer der Arbeit­sun­fähigkeit. Wird ein Arbeit­nehmer schneller gesund oder beein­trächtigt der Grund sein­er Krankschrei­bung seine Tätigkeit nicht, kann er auch vor Ablauf der Bescheini­gung seine Arbeit wieder aufnehmen.

Versicherter Betriebssport

Sportliche Aktiv­itäten sind grund­sät­zlich Pri­vat­sache. Auch nicht jede vom Unternehmen erlaubte Teil­nahme an ein­er ange­bote­nen sportlichen Ver­anstal­tung begrün­det Unfal­lver­sicherungss­chutz. Wenn aber die sportliche Betä­ti­gung nicht nur per­sön­lichen Inter­essen des Beschäftigten, son­dern wesentlich auch denen des Unternehmens dient, kann aus­nahm­sweise Ver­sicherungss­chutz bestehen.

Für den Betrieb­ss­port hat das Bun­dessozial­gericht fol­gende Wer­tungskri­te­rien aufgestellt: Der Sport muss einen Aus­gle­ich für die kör­per­liche und geistige Belas­tung durch die Betrieb­stätigkeit darstellen und darf keinen Wet­tkampfcharak­ter haben. Außer­dem muss er regelmäßig min­destens ein­mal pro Monat stat­tfind­en und der Teil­nehmerkreis muss im Wesentlichen auf Betrieb­sange­hörige beschränkt sein. Die Übungszeit und ‑dauer müssen in einem dem Aus­gle­ich­szweck entsprechen­den Zusam­men­hang mit der betrieblichen Tätigkeit ste­hen, die Übun­gen müssen im Rah­men ein­er unternehmens­be­zo­ge­nen Organ­i­sa­tion stattfinden.

Gemeinschaftsveranstaltungen

Auch feiern im Betrieb ist erlaubt. Unter bes­timmten Voraus­set­zun­gen ist die Teil­nahme an ein­er betrieblichen Gemein­schaftsver­anstal­tung geset­zlich unfal­lver­sichert, weil durch sie das Betrieb­skli­ma gefördert und der Zusam­men­halt unter den Beschäftigten gestärkt wird. Nach der Recht­sprechung des Bun­dessozial­gerichts set­zt dies voraus, dass ein angemessen­er Gemein­schaft­szweck ver­fol­gt wird. Das bedeutet, dass die Pflege der Ver­bun­den­heit zwis­chen der Unternehmensleitung und den Beschäftigten oder der Beschäftigten untere­inan­der gefördert wer­den soll. Weit­ere Voraus­set­zung ist, dass die Feier „im Ein­vernehmen“ mit der Betrieb­sleitung stat­tfind­et. Die Unternehmensleitung muss nicht zwin­gend selb­st Ver­anstal­ter sein. Vielmehr genügt es, dass sie die Ver­anstal­tung bil­ligt und fördert, das heißt, die Durch­führung als betriebliche Gemein­schaftsver­anstal­tung muss von ihr gewollt sein. In größeren Unternehmen kön­nen auch für kleinere Unter­gliederun­gen des Betriebs wie Abteilun­gen oder Teams Gemein­schaftsver­anstal­tun­gen durchge­führt wer­den. Notwendig ist dafür aber, dass die Feier allen Mitar­bei­t­en­den des jew­eili­gen Teams offen­ste­ht und die jew­eilige Team­leitung auch an der Ver­anstal­tung teil­nimmt. Auf die tat­säch­liche Anzahl der Teil­nehmenden kommt es nicht an.

Unfallmeldung durch Arbeitgeber

Ist ein Arbeit­sun­fall einge­treten, so muss der Ver­sicherte diesen nicht etwa selb­st dem Unfal­lver­sicherungsträger melden. Vielmehr trifft diese Pflicht den Unternehmer und zwar immer dann, wenn Ver­sicherte tödlich ver­let­zt wur­den beziehungsweise so schw­er, dass sie mehr als drei Tage arbeit­sun­fähig sind. Die Unfal­lanzeige ist bin­nen drei Tagen zu erstat­ten, nach­dem der Unternehmer von dem Unfall Ken­nt­nis erlangt hat. Hier­bei han­delt es sich aber nicht um eine Auss­chlussfrist. Das heißt, es wirkt sich für den Ver­sicherten nicht neg­a­tiv aus, wenn der Unternehmer diese Frist nicht ein­hält. Auch Tage, Monate oder Jahre später kann ein Arbeit­sun­fall noch gemeldet und auch anerkan­nt wer­den. Aus Grün­den der Beweis­sicherung ist es allerd­ings rat­sam, Unfälle möglichst zeit­nah zu melden.

Nach einem Unfall zum D‑Arzt

Ist es zu einem Arbeit­sun­fall gekom­men, soll und darf der Ver­let­zte selb­stver­ständlich zunächst die am schnell­sten erre­ich­bare ärztliche Hil­fe in Anspruch nehmen. In bes­timmten Fällen muss der erst­be­han­del­nde Arzt den Unfal­lver­let­zten aber zu einem Durch­gangsarzt (D‑Arzt) über­weisen. Dies ist immer dann erforder­lich, wenn die Ver­let­zung über den Unfall­t­ag hin­aus zu ein­er Arbeit­sun­fähigkeit führt oder die Behand­lungs­bedürftigkeit voraus­sichtlich über eine Woche beträgt. Eine Vorstel­lung beim D‑Arzt muss auch dann erfol­gen, wenn die Verord­nung von Heil- oder Hil­f­s­mit­teln erforder­lich ist oder es sich um eine Wieder­erkrankung auf­grund von Unfall­fol­gen handelt.

Unter den D‑Ärzten beste­ht grund­sät­zlich freie Wahl. Die jew­eils gewählte Ärztin oder der jew­eils gewählte Arzt entschei­det dann, welche Art von Behand­lung ein­geleit­et wird. Han­delt es sich um eine leichte Ver­let­zung, genügt eine all­ge­meine Heil­be­hand­lung. Diese kann dann auch der Hausarzt durch­führen. Bei schw­er­eren Ver­let­zun­gen ist eine beson­dere Heil­be­hand­lung erforder­lich, die der D‑Arzt entwed­er selb­st durch­führt oder wozu er den Ver­let­zten in eine Klinik über­weist. Der D‑Arzt berichtet der zuständi­gen Beruf­sgenossen­schaft oder Unfal­lka­sse über das Ergeb­nis der Unter­suchung und gegebe­nen­falls auch über die weit­ere Behand­lung. Der behan­del­nde Arzt rech­net seine Kosten direkt mit dem Unfal­lver­sicherungsträger ab, sodass der Ver­let­zte keine Ver­sicherungskarte vorzule­gen braucht. Auch Eigenan­teile für Medika­mente oder Maß­nah­men wie Phys­io­ther­a­pie fall­en für die Ver­sicherten nicht an.

Wo sich der näch­st­gele­gene Durch­gangsarzt befind­et, ist unter anderem auf den Not­fallplä­nen hin­ter­legt, die in den Betrieben aushän­gen. Die Deutsche Geset­zliche Unfal­lver­sicherung stellt zudem eine Suche über die Ort­seingabe zur Verfügung.


Tanja Sautter
Tan­ja Saut­ter; Foto: © privat

Autorin:
Tan­ja Sautter
Lei­t­erin der Dien­st­stelle Unfallfür­sorge bei der BG Verkehr

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