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Der Unternehmer und seine Verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK) – diese Formulierung deutet eine besondere Beziehung an, und das ist sie auch. Klar ist: Beide sind aufeinander angewiesen. Hat ein Unternehmen einen elektrotechnischen Betriebsteil und hat der Unternehmer keine entsprechende Ausbildung, braucht er eine VEFK, die es wiederum ohne den Unternehmer nicht gäbe.
(Aktualisiert am 17.02.2020)
Diese gegenseitige Abhängigkeit legt eine enge Zusammenarbeit nahe. Wenn zudem die Unternehmensleitung der VEFK die erforderlichen Kompetenzen und Mitsprachemöglichkeiten einräumt, profitiert sie in mehrfacher Hinsicht von ihr. Um das zu verstehen, müssen aber zunächst die grundlegenden Voraussetzungen im Verhältnis zwischen VEFK und Unternehmensleitung erklärt werden.
Eine Voraussetzung in diesem Verhältnis ist unumstößlich. Die oberste Verantwortung für die Sicherheit im Betrieb hat immer der Unternehmer. Sie bleibt dort, auch wenn ein Teil der Verantwortung delegiert wird. Das ergibt sich aus den gesetzlichen Regelwerken und der Rechtsprechung. Es ist eine wesentliche Aufgabe jeder Unternehmensleitung, eine funktionierende betriebliche Organisation zu schaffen und aufrecht zu halten.
Das heißt im Umkehrschluss: Ist die Organisation mangelhaft und hat jemand aus diesem Grund einen Schaden erlitten, so kann das Unternehmen unmittelbar wegen eines sogenannten Organisationsverschuldens schadensersatzpflichtig gemacht werden. Um das zu vermeiden, ist eine klare und nachvollziehbare Organisationsstruktur erforderlich. Die Beauftragung einer Verantwortlichen Elektrofachkraft ist ein Teil davon.
Vorgaben der Gerichte
Werden die Maßnahmen, die den Mitarbeitern aus betrieblichen Erfordernissen entsprechende Sicherheit bringen sollen, mangelhaft wahrgenommen, setzt sich das Unternehmen dem Vorwurf des Organisationsverschuldens aus. Die Rechtsprechung hat im Laufe der Jahre hierzu folgende einfache Grundsätze aufgestellt:
- Eine Unternehmensorganisation genügt nur dann den rechtlichen Anforderungen, ist also nur dann „rechtssicher“, wenn der Unternehmensaufbau und die Betriebsabläufe transparent und präzise geregelt sind und die Durchführung von Kontrollmaßnahmen gewährleistet ist. Das heißt, durch Stichprobenkontrollen muss der Unternehmer seiner Überwachungs- und Kontrollpflicht – die er übrigens nicht vollkommen abgeben kann – nachkommen. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn die Arbeiten von Fremdfirmen durchgeführt werden.
Hier sei noch ein Hinweis auf die notwendige Dokumentation eingefügt, die sowohl Unternehmensleitung wie auch VEFK und Elektrofachkräfte (EFK) immer im Hinterkopf behalten sollten: Vor Gericht besteht nur das, was auch beweisbar ist. Daher wird dringend empfohlen, den Unternehmensaufbau, die Unterweisungen und Vorgaben für die Betriebsabläufe sowie die zwingend erforderliche Kontrolltätigkeit nachvollziehbar zu dokumentieren.
Merke: Die Mutter der Beweismittel ist die Dokumentation!
Aufteilung der Verantwortung
Je größer ein Unternehmen ist, je komplexer seine Prozesse, je mehr Fremdfirmen eingebunden sind, desto schwieriger wird es für die Unternehmensleitung ihrer Kontroll- und Aufsichtspflicht nachzukommen – allein schon weil ihr das notwendige Fachwissen fehlt. Niemand kann alles wissen.
Wie gesagt, die Unternehmensleitung kann sich ihrer grundsätzlichen Pflichten nicht völlig entledigen, sie kann aber Verantwortung an geeignete Personen abgeben. Durch eine so genannte Delegation wird die Unternehmerverantwortung auf die im Unternehmen eingesetzten Führungskräfte aufgeteilt, das heißt sie werden in die Unternehmerverantwortung im zugewiesenen Verantwortungsbereich einbezogen. Es entstehen dadurch die sogenannten Delegationsketten.
Dies wiederum erfordert die schon erwähnten transparenten Regelungen. Die Aufgabenbereiche, Kompetenzen und die damit verbundene Abgrenzung der Verantwortung müssen genau definiert und den eingesetzten Führungskräften zugewiesen werden. Damit steht dann auch die Verantwortung der einzelnen Führungskraft fest. Fehlen solche Voraussetzungen, bleibt die gesamte Verantwortung beim delegierenden Unternehmer. Der komplette Vorgang der Delegation sollte in Schriftform erfolgen. Das erfordert schon allein der Bedarf an Nachweisbarkeit für die Gerichte. Es macht die Angelegenheit für alle Seiten nachvollziehbarer.
Grundsätzlich gilt: In einem gut organisierten Unternehmen darf es keine Bereiche geben, für die keine Führungskraft zuständig ist. Alle Verantwortungsbereiche müssen deutlich voneinander abgegrenzt sein.
Im Umkehrschluss heißt das, dass jeder Mitarbeiter wissen muss, wer sein unmittelbarer Vorgesetzter (fachlich- und disziplinarisch) ist. Fehlt eine solche Regelung, bleibt die umfassende Verantwortung für die Arbeitssicherheit bei der zuständigen übergeordneten Führungskraft, in letzter Instanz also beim Unternehmer.
Im Idealfall liegen Personal-/Disziplinarverantwortung und Fachverantwortung in einer Hand. Dann werden fachliche sowie personalrechtliche Entscheidungen auf dem Dienstweg von ein und derselben Person getroffen.
Diese Kombination ist nicht überall gegeben. Nicht selten hat der Mitarbeiter zwei unmittelbare Vorgesetzte: Eine Führungskraft mit Personal-/Disziplinarverantwortung (personeller Vorgesetzter) und einen Fachvorgesetzten. Der Umfang der Verantwortung lässt sich hier konkret abgrenzen, Fachaufgaben müssen in einem Unternehmen häufig von der Personal-/Disziplinarverantwortung getrennt und anderen Stellen in der betrieblichen Hierarchie zugewiesen werden. Der Unternehmer muss dafür sorgen, dass die Zuständigkeiten bei einer solchen Konstellation klar abgegrenzt aber auch kommuniziert sind.
Elektrotechnische Sicherheit als Sonderfall
Besondere Bedeutung hat diese Unterscheidung bei der Regelung der speziellen Verantwortung für die elektrotechnische Sicherheit. Der Umgang mit dem elektrischen Strom stellt zusätzliche Anforderungen an die Unternehmer-/Führungsverantwortung und damit an die Unternehmensorganisation. Das ist in Rechtsvorschriften und Regelwerken besonders herausgestellt, siehe z.B. Energiewirtschaftsgesetz (EnWG); Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV); DGUV Vorschrift 3 (ehemals BGV A3; Unfallverhütungsvorschrift Elektrische Anlagen und Betriebsmittel); DIN VDE 1000-10 (Anforderungen an die im Bereich der Elektrotechnik tätigen Personen); DIN VDE 0105–100 (Betrieb von elektrischen Anlagen).
Aufgabenzuweisung an Elektrofachkräfte
Die allgemeinen Grundsätze für die Unternehmensorganisation, Delegation von Verantwortung, Führungs- und Fachaufgaben und Übertragung von speziellen Unternehmerpflichten gelten auch für die Elektrofachkraft.
Die Elektrofachkraft kann aufgrund einer besonderen Beauftragung, der so genannten Pflichtenübertragung, durch den Unternehmer mit unternehmerischen Befugnissen auf dem elektrotechnischen Fachgebiet ausgestattet werden.
Hinweis: Der Begriff „Elektrofachkraft“ stellt keine Berufsbezeichnung dar. Hier wird per Definition die erforderliche Befähigung der Mitarbeiter/-innen festgelegt, die benötigt wird, um in einem Bereich der Elektrotechnik elektrotechnische Arbeiten eigenverantwortlich und selbstständig durchführen zu dürfen.
Da der Umgang mit der Elektrizität eine besonders hohe Anforderung an die Elektrofachkraft stellt, hängt der Umfang der Verantwortung maßgeblich von der Aufgaben- und Kompetenzzuweisung im Unternehmen ab. Deshalb wird auch in der Norm DIN VDE 1000-10 ausdrücklich zwischen einer einfachen Elektrofachkraft (Ziff. 3.2) und einer Verantwortlichen Elektrofachkraft (Ziff. 3.1 und 5.3) unterschieden. Die Bedeutung beider Begriffe wird leider in der Praxis oft nicht richtig verstanden und demzufolge falsch im Unternehmen umgesetzt.
Fachlichen Voraussetzungen einer VEFK
Die Verantwortliche Elektrofachkraft, die für die fachliche Leitung eines elektrotechnischen Betriebs oder Betriebsteils verantwortlich ist, muss Meister, Techniker oder Ingenieur im Bereich der Elektrotechnik sein.[1]
- Ein zeitnaher Einsatz in diesem Bereich ebenso wie die Kenntnisse der aktuellen Normen und Vorschriften sind unabdingbare Voraussetzungen für die Übernahme der Aufgaben als Verantwortliche Elektrofachkraft in einem Unternehmen.
- Die Verantwortliche Elektrofachkraft trägt die Verantwortung für die Erfüllung von Unternehmeraufgaben im zugewiesenen Rahmen. Auch hier muss die Pflichtenübertragung schriftlich erfolgen. Aufgaben- und Kompetenzen sind präzise zu benennen.
- Die Verantwortliche Elektrofachkraft muss nicht nur fachlich richtig handeln. Sie muss darüber hinaus unternehmerische Entscheidungen treffen und Anordnungen auf elektrotechnischem Fachgebiet geben. Der Umfang der Entscheidungsbefugnis orientiert sich an dem zugewiesenen Verantwortungsbereich.
Merke: Die VEFK ist das elektrotechnische Gewissen des Unternehmers! Sie hat nicht nur eine beratende Funktion wie z.B. eine Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sifa) gemäß § 6 Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG). Die VEFK übernimmt für den Bereich der Elektrosicherheit die Unternehmerverantwortung. Jede im Unternehmen eingesetzte Elektrofachkraft trägt weiterhin Fachverantwortung. Dies bedeutet, sie steht immer für das fachliche Ergebnis der von ihr verantworteten elektrotechnischen Arbeiten ein.
Da ein Ziel der VEFK eine sichere und zugleich effektive Organisation der elektrotechnischen Sicherheit sein sollte, ist es sinnvoll, dass ihre Befugnisse in bestimmen Bereichen über rein fachliche Fragen zur Elektrotechnik insofern hinausreichen, dass man ihr unternehmerische Kompetenzen überträgt. So sollte das Fachwissen einer VEFK auch beim Einkauf gefragt sein. Nur wenn die Verantwortliche Elektrofachkraft Kriterien aufstellen kann, nach denen elektrische Arbeitsmittel und Anlagen beschafft werden, kann sie sicherstellen, dass nur solche Arbeitsmittel und Anlagen auf das Firmengelände gelangen, die auch für den jeweiligen Einsatzort geeignet sind.
Achtung: Eine bestimmungsgemäße Verwendung des jeweiligen Arbeitsmittels muss gewährleistet sein. Bedienungsanleitung des Herstellers beachten!
Auch bei der Personalauswahl sollte die Verantwortliche Elektrofachkraft hinzugezogen werden. Oft kann nur sie beurteilen, ob ein Bewerber die notwendigen Qualifikationen mitbringt.
Diese beiden Beispiele zeigen, dass es seitens der Unternehmensleitung Sinn ergibt, die Kompetenzen einer VEFK weiter zu fassen. Zugleich bedeutet dies, dass ohne die Unterstützung der Unternehmensleitung die Verantwortliche Elektrofachkraft nicht in der Lage ist, ihren Aufgaben umfassend nachzukommen.
VEFK als Vorteil für die Unternehmensleitung
Der Unternehmer seinerseits profitiert von einer VEFK, die einen Kompetenzrahmen zugewiesen bekommt, der ihr die Umsetzung ganzheitlicher Konzepte erlaubt. Beispielhaft wäre dies ein ganzheitliches Prüfkonzept bezüglich der Elektrosicherheit. Dies sorgt dafür, dass bei der Beschaffung gleich wesentliche Dokumente wie Prüfprotokolle, Bedienungsanleitungen usw. mitangefordert werden. Des Weiteren ermöglicht eine derartig strukturierte und belegbare Vorgehensweise unter Umständen, eine messtechnische Prüfung vor der ersten Verwendung, zum Beispiel bei EDV-Geräten, durch eine dokumentierte Sichtprüfung bezüglich Transportschäden im Unternehmen zu ersetzen.
Voraussetzung ist jedoch, dass diese Vorgehensweise von der VEFK anhand einer Gefährdungsbeurteilung nachvollziehbar ermittelt und dokumentiert wird. So lassen sich durch ein kluges Prüfmanagement langfristig Kosten sparen, ohne dass dies eine Einbuße an Sicherheit oder Rechtssicherheit bedeuten würde.
Fazit
Beide Seiten – Unternehmensleitung und verantwortliche Elektrofachkraft – tragen einen wesentlichen Teil zum Unternehmenserfolg bei – ähnlich wie in einer guten Partnerschaft, in die jeder seine Qualitäten und Stärken einbringt. Setzt die Unternehmensleitung zudem die VEFK intelligent ein, so kann sie dadurch zusätzlichen Nutzen erzielen: Neben einem hohen Unternehmenswert und einer rechtssicheren Organisation führt dies auch oft zu wirtschaftlichen Vorteilen.
Eine gutes und vertrauensvolles Zusammenspiel zwischen dem Unternehmer und seiner VEFK ist daher der Schlüssel zum Erfolg des Unternehmens.
[1] Anmerkung: Für andere Ausbildungsgänge ist die hierfür erforderliche Qualifikation gesondert nachzuweisen.
Autor
Stefan Euler
Geschäftsführer der MEBEDO Consulting GmbH
E‑Mail: euler@mebedo.de
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