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Erfolgskonzept mit Schulungsbedarf

Mensch-Roboter-Kollaboration
Erfolgskonzept mit Schulungsbedarf

Christine Speckner
Unternehmen brauchen eine Ori­en­tierung­shil­fe, damit sie die Men­sch-Robot­er-Kol­lab­o­ra­tion (MRK) wirtschaftlich ein­set­zen kön­nen. Eine wichtige Voraus­set­zung ist, Mitar­bei­t­ende erfol­gre­ich einzu­binden und zu qualifizieren.

Lena sitzt lächel­nd im Büros­tuhl, spricht mit ihren Teamkol­le­gen über Pro­jek­te und schlägt Lösun­gen vor. Lena ist kein Men­sch, son­dern ein inter­ak­tiv­er Robot­er mit kün­stlich­er Intel­li­genz (KI) – ein Robot­er, der einem Men­schen täuschend ähn­lich­sieht und sich men­schenähn­lich ver­hält. Nach Ansicht ihrer Entwick­ler ist die blonde Robot­er­frau nach jahre­langer Arbeit bald so weit, Kol­le­gen im Büro zu unter­stützen. „Sie hat den Wortschatz erhöht, sprach­lich dazugel­ernt und immer bess­er ver­standen“, sagt Ruth Stock-Hom­burg laut ein­er dpa-Mel­dung. Die Wirtschaft­spro­fes­sorin von der Tech­nis­chen Uni­ver­sität Darm­stadt beschreibt das Ergeb­nis eines Pro­jek­ts, das im Forschungsla­bor „Leap in Time Lab“ in Darm­stadt durchge­führt wurde. Acht Wochen lang gab es eine Kol­lab­o­ra­tion von mehreren Grup­pen mit dem Robot­er in ein­er Büroumge­bung: vier Teams mit dem androiden Robot­er, zwei mit ein­er KI-Box und ein Team ohne Kün­stliche Intelligenz.

Zugewandte Robo-Kollegin

Faz­it: Die Teams haben die Arbeit mit der Robo-Kol­le­gin pos­i­tiv wahrgenom­men. „Am Anfang war es ein biss­chen schwierig“, sagt Team­mit­glied Jil-Amy Leber. Dann habe Lena aber eigene Vorschläge geliefert, men­schliche Antworten gegeben und Präsen­ta­tio­nen vor­ge­tra­gen. Andere Mitar­bei­t­ende beschrieben sie als sehr kom­mu­nika­tiv. Lena habe Fra­gen gestellt und man habe sie nicht ein­fach als Daten­bank emp­fun­den. Anders als eine ein­fache Com­put­er­box richtet ein androi­der Robot­er sein Gesicht in Rich­tung seines Gesprächspart­ners. In zwei Teams kam die entschei­dende Idee von der KI. Bis Robot­er wie Lena im Büroall­t­ag einge­set­zt wer­den, muss freilich noch viel Entwick­lungsar­beit geleis­tet wer­den. Bis­lang arbeit­en Robot­er in der indus­triellen Fer­ti­gung, aber auch im Ser­vice, etwa in Kranken­häusern oder in der Pflege. Der Ein­satz der Men­sch-Robot­er-Kol­lab­o­ra­tion (MRK) hat in den ver­gan­genen Jahren zunehmende Aufmerk­samkeit erfahren. Die Nor­men­lage ist definiert, zahlre­iche Kom­po­nen­ten zur Umset­zung von MRK-Anla­gen sind ver­füg­bar und die Poten­ziale der Tech­nolo­gie weitre­ichend bekannt.

Für Unternehmen, die ihre Fer­ti­gungsabläufe automa­tisiert haben, kann die MRK die Chance bieten,

  • ihre Mitar­bei­t­en­den in belas­ten­den, monot­o­nen und nicht ergonomis­chen Bewe­gungsabläufen inten­siv­er zu unterstützen
  • die Leis­tungs­fähigkeit ein­er vom demografis­chen Wan­del betrof­fe­nen Belegschaft zu erhalten
  • Prozesse zu automa­tisieren sowie eine Verbesserung von Pro­duk­tiv­ität und Qual­ität zu erreichen

Den­noch sind MRK-Anwen­dun­gen, vor allem bei mit­tel­ständis­chen Unternehmen, noch nicht ver­bre­it­et. Berech­nun­gen der Inter­na­tion­al Fed­er­a­tion of Robot­ics (IFR) zufolge waren im Jahr 2019 lediglich 18.000 von mehr als 373.000 instal­lierten Indus­trier­o­bot­ern (4,8 Prozent) kol­lab­o­ra­tive Leicht­bau­ro­bot­er (Quelle: IFR, 2020) [2]. Der Grund: Aktuell fehlen die Erfahrungswerte. Ein­er­seits sind die sicher­heit­stech­nis­chen Anforderun­gen für eine CE-Kennze­ich­nung aufwendig und die Gestal­tung von rechtlich, tech­nisch wie gestal­ter­isch kon­for­men Arbeit­splätzen erfordert unter­schiedliche Exper­tise. Gle­ichzeit­ig schafft aber auch der zunehmende Fachkräfte­man­gel im nich­takademis­chen Bere­ich einen Anreiz, sich mit neuen Automa­tisierungsmöglichkeit­en auseinanderzusetzen.

Derzeit wird kol­lab­o­ra­tive Robotik oft aus ergonomis­chen Grün­den einge­set­zt [1] – mit dem Ziel, den Men­schen vor mit­tel- und länger­fristi­gen Schädi­gun­gen oder Beein­träch­ti­gun­gen zu bewahren, indem Robot­er ihn ent­las­ten und beispiel­sweise das Heben schw­er­er Gegen­stände oder das Aus­führen stark repet­i­tiv­er Auf­gaben unter­stützen. Robot­er haben aber noch mehr Poten­zial. Beispiel­sweise, wenn sie Werkzeugcharak­ter erhal­ten und von Beschäftigten entsprechend ihrer indi­vidu­ellen Bedarfe einge­set­zt wer­den, um kom­plexere Auf­gaben zu bear­beit­en. Oder aber, wenn der Men­sch in die Bedi­enung und Ein­rich­tung eines Robot­ers involviert wird und so Kom­pe­ten­zen im Umgang mit neuen Tech­nolo­gien erlernt. Das Pro­jekt AQUIAS (Arbeit­squal­ität durch indi­vidu­ell angepasste Arbeit­steilung zwis­chen Ser­vicer­o­bot­ern und schw­er-/nicht­be­hin­derten Pro­duk­tion­s­mi­tar­beit­ern) zur Unter­stützung von inklu­siv­er Arbeit durch MRI zeigt beispiel­sweise, wie Qual­i­fizierung für Wartung und Instand­hal­tung Teil der Men­sch-Robot­er-Inter­ak­tion wer­den kann, angepasst an die Aus­gangssi­t­u­a­tion und Bedarfe der jew­eili­gen Beschäftigten. Solche Pro­jek­te zeigen, was mit ein­er geschickt gestal­teten MRI für den Men­schen möglich ist.

Mitarbeitende frühzeitig einbinden

Für eine erfol­gre­iche MRK-Inte­gra­tion ist die Schu­lung und Weit­er­bil­dung der betrof­fe­nen Mitar­bei­t­en­den essen­ziell. Man darf nicht vergessen, dass der Ein­satz ein­er MRK-App­lika­tion neue Konzepte im Arbeits- und Pro­duk­tion­sprozess voraus­set­zt. Die Notwendigkeit der Qual­i­fizierung ergibt sich aus der Für­sorgepflicht gegenüber allen Beschäftigten sowie der Inten­tion, neg­a­tiv­en Effek­ten der MRK-Inte­gra­tion vorzubeu­gen und die Chan­cen dieser Sys­teme für die Betrof­fe­nen erkennbar und nutzbar zu machen. Hier­für braucht es Ver­ständ­nis für den Sinn und Zweck bei den Betrof­fe­nen sowie eine trans­par­ente Kom­mu­nika­tion. Da eine enge Zusam­me­nar­beit mit einem Robot­er oft auch Vor­be­halte aus­lösen kann, emp­fiehlt es sich, die betrof­fe­nen Per­so­n­en­grup­pen frühzeit­ig einzu­binden. Damit lässt sich die Akzep­tanz steigern und Berührungsäng­ste reduzieren.

Durch die Kol­lab­o­ra­tion von Men­sch und Cobot ergeben sich bezüglich Arbeitss­chutz und Arbeitssicher­heit fol­gende Änderungen:

  • Arbeit­splatz, ergonomis­che Arbeitsplatzgestaltung
  • Daten­schutz, u. a. Gefahr der Leistungskontrolle
  • Ent­gelt­mod­elle, Sicherung bei Aus­fällen oder gerin­gen Taktzeiten
  • Tätigkeit­spro­file, Auf- oder Abw­er­tung der Tätigkeit
  • Tak­tzeit, Abstim­mung auf den Men­schen u. a. im höheren Alter

Schu­lun­gen soll­ten einen Mehrw­ert für die Betrof­fe­nen haben. Dabei geht es um den Schutz vor berufs­be­d­ingten Gefahren, die Verbesserung der Arbeits­be­din­gun­gen, die Opti­mierung der eige­nen Fähigkeit­en sowie die Förderung der Gesund­heit. Wichtig sind konkrete Lernziele mit der Fragestel­lung: Welchen Mehrw­ert bietet die Ver­anstal­tung für die Per­so­n­en? Eine Sicher­heit­sun­ter­weisung kann fol­gende Ziele haben:

  • Die Men­schen ken­nen die Unter­schiede zwis­chen klas­sis­chen Indus­trier­o­bot­ern und MRK-Systemen.
  • Sie wis­sen um die Anforderun­gen an die MRK-Systeme.
  • Sie sind befähigt, Gefahren zu erken­nen und sit­u­a­tion­s­gerecht zu bewältigen.

Gelingt dies, kön­nen Vor­be­halte, wie zum Beispiel die Angst vor dem Ver­lust des Arbeit­splatzes, abge­baut wer­den. Hier hat die Forschung gezeigt, wie wichtig ger­ade soziale Fak­toren für die Imple­men­tierung von Men­sch-Robot­er-Inter­ak­tio­nen sind. So ist es förder­lich, wenn die Mitar­bei­t­en­den Hand­lungs- und Entschei­dungsspiel­räume bei der Arbeits­gestal­tung haben und den Umgang mit dem Cobot leicht erler­nen kön­nen [3].


Literaturhinweise zur Kollaboration:

[1] Leit­faden für den orts­flex­i­blen Ein­satz von kol­lab­o­ra­tiv­en Robot­ern. Her­aus­ge­ber: Fraun­hofer-Insti­tut IGCV und VDMA Bay­ern. 2022.

[2] siehe dazu: Leit­faden oben

[3] Tausch, Ali­na, 2021. Auf­gabenal­loka­tion in der Men­sch-Robot­er-Inter­ak­tion – Eine psy­chol­o­gis­che Betra­ch­tung von Auf­gaben­zuteilungs-Prozessen zur Gestal­tung men­schen­gerechter Zusam­me­nar­beit von Men­sch und Robot­er. 1. Auflage. Dort­mund: Bun­de­sanstalt für Arbeitss­chutz und Arbeitsmedi­zin. baua: Bericht.


Kollaborierende Roboter

Kol­la­bori­erende Indus­trier­o­bot­er (Cobots) sind kom­plexe Maschi­nen, die mit Per­so­n­en zusam­me­nar­beit­en und diese ent­las­ten. Beispiel: Ein Robot­er hebt und posi­tion­iert ein schw­eres Werk­stück, während eine Per­son leichte Eisen­hak­en anschweißt. Dabei beste­ht zwis­chen der Per­son und ver­schiede­nen Robot­erele­menten – beispiel­sweise Robot­er­arm, Werkzeug – eine große räum­liche Nähe. Die über­ar­beit­ete Norm EN ISO 10218, Teile 1 und 2, sowie die 2010 begonnene Spez­i­fika­tion ISO/TS 15066 definieren die sicher­heit­stech­nis­chen Anforderun­gen für das Anwen­dungs­ge­bi­et „kol­la­bori­erende Robot­er“ (Quelle: IFA).


Christine Speckner
Chris­tine Speck­n­er; Foto: © privat

Autorin:
Chris­tine Speckner
Freie Jour­nal­istin

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