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Konzeptioneller Brandschutz - Leitfaden zu geltenden Vorschriften

Konzeptioneller Brandschutz
Roter Faden durch den Vorschriftendschungel

Roter Faden durch den Vorschriftendschungel
Brandschutzmaßnahmen müssen risikogerecht und sinnvoll zu einem tragfähigen Konzept verbunden werden. Foto: © maho - stock.adobe.com
Dr. Friedhelm Kring
Etwa alle zwei Minuten bricht in Deutsch­land ein Feuer aus, und sta­tis­tisch gese­hen stirbt hierzu­lande jeden Tag ein Men­sch durch Rauch, Feuer oder Flam­men. Bren­nt es in einem Unternehmen, führt dies nicht sel­ten zur Insol­venz. Denn bei schw­eren Ver­säum­nis­sen im Brand­schutz wer­den Brand- und Gebäude­ver­sicher­er nicht zahlen. Gründe genug, sich inten­siv mit dem betrieblichen Brand­schutzkonzept zu befassen.

Konzep­tioneller Brand­schutz ist für viele Betriebe und Unternehmen eine Auf­gabe und Verpflich­tung, die in der Prax­is immer kom­plex­er wird. Die Zahl der Vorschriften und tech­nis­chen Regeln ist groß und die Vor­gaben sind zudem in mehreren Rechts­ge­bi­eten ange­siedelt, vom Bau­recht über das Arbeitss­chutzrecht bis zum beruf­sgenossen­schaftlichen Regel­w­erk. Den Überblick hier zu behal­ten, ist nicht ganz einfach.

Feuer bleibt die teuerste aller Gefahren für Unternehmen

Dazu kommt, dass Unternehmen derzeit jede Menge Krisen und Schwierigkeit­en zu bewälti­gen haben. Doch den betrieblichen Brand­schutz auf allen Ebe­nen – vor­beu­gend, abwehrend, organ­isatorisch – in den Hin­ter­grund zu schieben, kön­nte sich als fatal erweisen. Die Allianz-Ver­sicherung warnte erst vor eini­gen Wochen davor, vor allem auf Hack­eran­griffe, Lief­er­eng­pässe und Gaspreise zu fokussieren, da Feuer nach wie vor die größte und teuer­ste aller Gefahren darstellt.

Ein neues Buch mit dem Titel “Konzep­tioneller Brand­schutz” will als Weg­weis­er dienen. Das mehr als 400 Seit­en umfassende Werk zieht einen roten Faden durch die Vielzahl von Vorschriften und zeigt, wie Brand­schutz­maß­nah­men risikogerecht und sin­nvoll zu einem tragfähi­gen Konzept ver­bun­den wer­den. Das Buch ist in fünf Abschnitte gegliedert:

  1. Die Grund­la­gen der Brand- und Rauchausbreitung
  2. Der bauliche Brand­schutz für Stan­dard- und Sonderbauten
  3. Die Bran­derken­nung und Brandmeldung
  4. Sta­tionäre und mobile Löschanlagen
  5. Der organ­isatorische Brand­schutz und die Löschwasserversorgung

Von den technisch-wissenschaftlichen Grundlagen zur Praxis

Die Inhalte des Werks basieren auf ein­er Vor­lesungsrei­he. Die Autoren zeigen die grund­sät­zliche Herange­hensweise zur Erstel­lung eines Brand­schutzkonzepts, wie etwa die Ein­stu­fung eines Gebäudes in eine Gebäudeklasse oder die Prü­fung der Son­der­bau­tatbestände. Sie erläutern dann, wie die wesentlichen materiellen Anforderun­gen for­mal kor­rekt auf ein Pro­jekt ange­wandt wer­den. Dabei geht es z. B. um die Feuer­wider­stands­dauer raum­ab­schließen­der Bauteile, das Pla­nen von Ret­tungswe­gen über Flure, Trep­pen und Trep­pen­räume und viele andere Aspek­te. Die anla­gen­tech­nis­chen Kapi­tel gehen aus­führlich auf die Möglichkeit­en sowie Anwen­dun­gen von Brand­melde- und Löschan­la­gen ein.

Bei einem solchen Grund­la­gen- und Nach­schlagew­erk zum Brand­schutz dür­fen auch die natur- und inge­nieur­wis­senschaftlichen Hin­ter­gründe nicht fehlen. Sie wer­den z. T. mit physikalis­chen Formeln, aber den­noch ver­ständlich und immer wieder mit Hin­weisen für die Prax­is erläutert. Wer in seinem Unternehmen für den Brand­schutz (mit)verantwortlich ist, dürfte – ob als Betrieb­sleit­er, Führungskraft, Fachkraft für Arbeitssicher­heit oder Brand­schutzbeauf­tragter – auch von dem Kapi­tel zum organ­isatorischen Brand­schutz profitieren.


Interview mit den Autoren des Buchs “Konzeptioneller Brandschutz”

Die Redak­tion des Sicher­heitsin­ge­nieur hat sich mit den bei­den Autoren des Werks, Prof. Dr. Roland Goertz und M. Sc. Fabi­an Ladzin­s­ki, unter­hal­ten und einige Fra­gen gestellt.

Herr Prof. Goertz und Herr Ladzin­s­ki, Sie begin­nen Ihr Buch mit dem Satz „Angst ist ger­ade im Brand­schutz ein schlechter Rat­ge­ber“. Damit kann kaum gemeint sein, dass wir ein Feuer nicht mehr fürcht­en soll­ten, oder?

Natür­lich. Das Feuer und seine Auswirkun­gen auf Men­schen und bauliche Anla­gen muss man ernst nehmen. Allerd­ings bei der Frage, wie viel Brand­schutz denn nun wirk­lich notwendig ist, um das Risiko in einen akzept­ablen Bere­ich zu brin­gen, lässt sich in der Prax­is häu­fig beobacht­en, dass Sicher­heit schein­bar doch als eine nach oben offene Spi­rale aufge­fasst und teil­weise mit der Forderung nach Brand­schutz maß­los über­trieben wird. Der dafür ver­mut­lich ursäch­lichen Angst, die ein schlechter Rat­ge­ber ist, lässt sich nur mit Wis­sen begegnen.

Der Buchti­tel lautet „Konzep­tioneller Brand­schutz“. Wer muss bzw. darf denn über­haupt ein Brand­schutzkonzept erstellen und wem muss er dieses Konzept vorlegen?

Ein Brand­schutzkonzept ist eine beson­dere Form des Brand­schutz­nach­weis­es. Jedes Gebäude benötigt einen Brand­schutz­nach­weis, in dem ein Abgle­ich zwis­chen den bauord­nungsrechtlichen bes­timmten materiellen Anforderun­gen an den Brand­schutz und den geplanten Maß­nah­men stat­tfind­et. Bei „nor­malen“ Gebäu­den reicht meist ein tabel­lar­isch­er Abgle­ich zwis­chen den Pla­nun­gen sowie den Vor­gaben, während bei Son­der­baut­en immer, bei Gebäu­den der Gebäudeklasse 5 oft, ein Brand­schutzkonzept benötigt wird. Brand­schutzkonzepte wer­den von Fachplanerinnen/Fachplanern oder Brand­schutzsachver­ständi­gen erstellt und dienen bei Neubaut­en sowie Umnutzun­gen dem Nach­weis eines aus­re­ichen­den Brand­schutzes für die Genehmigungsbehörde.

An wen richtet sich das Werk oder – im Hin­blick auf unsere Leser­schaft – anders gefragt, inwiefern hän­gen betrieblich­er Brand­schutz und Arbeitss­chutz zusammen?

Das Werk umfasst ja nicht nur den bauord­nungsrechtlichen Brand­schutz nach Muster­bauord­nung und den Muster-Son­der­bau­vorschriften, es schließt auch wesentliche Inhalte der Brand­dy­namik sowie des anla­gen­tech­nis­chen Brand­schutzes ein. Insofern kann es für die Pla­nung und Prü­fung des Brand­schutzes, als Lehr- und Nach­schlagew­erk eben­so wie z. B. für spezielle Fra­gen des vor­beu­gen­den Brand­schutzes bei der Bran­dur­sach­en­er­mit­tlung und all­ge­mein bei Fra­gen zur Fes­tle­gung von Brand­schutz­maß­nah­men genutzt werden.

Das beste­hende Span­nungs­feld zwis­chen Bun­des-Arbeitss­chutz und Lan­des-Brand­schutz ist sich­er ein beson­deres The­ma. Bei­de Rechts­ge­bi­ete haben Ein­fluss auf bauliche Anla­gen und ihre Sicher­heit. Let­ztlich lassen sich die Anforderun­gen nur dann har­monisch gut zusam­men­führen, wenn man bei­de Anforderun­gen gut ken­nt und beherrscht. Hier will unser Werk auch den Arbeitss­chützern die Brand­schutzsichtweise näherbringen.

Was sind nach Ihren Erfahrun­gen typ­is­che Schwach­stellen, Ver­säum­nisse oder Män­gel in den Brand­schutzkonzepten von Betrieben und Unternehmen?

Ger­ade bei Son­der­baut­en kommt es vor, dass in Brand­schutzkonzepten materielle Anforderun­gen ver­schieden­er Son­der­bau­vorschriften ver­mis­cht wer­den. Das führt häu­fig zu wenig zufrieden­stel­len­den und inho­mo­ge­nen Lösun­gen. Zudem ist auf­fäl­lig, dass bes­timmte For­mulierun­gen, ger­ade in Son­der­bau­vorschriften, nur ver­ständlich wer­den, wenn man die Begrün­dung der Muster-Vorschrift gele­sen hat.

Generell sollte aus betrieblich­er Sicht noch viel stärk­er dif­feren­ziert wer­den, dass für eine Bau­genehmi­gung, also für die Erfül­lung der bauord­nungsrechtlichen Ziele, häu­fig schon ver­gle­ich­sweise wenig Brand­schutz aus­re­icht, dadurch aber die betrieblichen Erfordernisse noch lange nicht aus­re­ichend berück­sichtigt sind. Hier ist ein neuer Blick aus dem Betrieb­skon­ti­nu­itäts­man­age­ment notwendig. Was muss getan wer­den und wie muss Brand­schutz ausse­hen, damit nach einem Brand der Betrieb nicht unter eine kri­tis­che Schwelle der Betrieb­s­fähigkeit sinkt, damit er möglichst schnell wieder seine volle Betrieb­s­fähigkeit zurückerlangt?

Im Arbeits- und Umweltschutz gibt es viele For­men eines frei­willi­gen Engage­ments wie Zer­ti­fizierun­gen, Audits, Selb­stverpflich­tun­gen, Kam­pag­nen, betriebliche Sicher­heit­stage usw. Was empfehlen Sie in Sachen Brand­schutz, wenn ein Unternehmen über die unmit­tel­bar binden­den Vorschriften hin­aus in Sachen Brand­präven­tion aktiv wer­den möchte?

Der Brand­schutz sollte aus der Blick­rich­tung des Betrieb­skon­ti­nu­itäts­man­age­ments her­aus betra­chtet und dort mit inte­gri­ert wer­den. Nur so wird aus dem nach außen gerichteten, öffentlich-rechtlichen Brand­schutz, der die All­ge­mein­heit schützen soll, ein sin­nvolles Gesamtkonzept, das hil­ft, den Betrieb nach einem Brand aufrechtzuer­hal­ten. Zum Beispiel muss gut geplant wer­den, welche Betrieb­sein­rich­tun­gen auf welche Brand­ab­schnitte aufgeteilt wer­den, um für den Schadens­fall Redun­danzen zu besitzen. Auch die Rauch­ab­schnitte unter der Decke kor­re­spondieren oft nicht mit den betrieblichen Abläufen am Boden, sodass im Brand­fall mehrere Rauch­ab­schnitte betrof­fen sind und größere Schä­den entste­hen als nötig.

Als häu­fig­ste Bran­dur­sache für Deutsch­land wird in Sta­tis­tiken oft Elek­triz­ität genan­nt. Müssten hier Vorschriften nachgebessert wer­den, bedarf es mehr Aufk­lärung oder wo sehen Sie Ansatzpunk­te für die Prävention?

Vorschriften haben wir sich­er genug. Es scheint nur so zu sein, dass viel häu­figer mit Augen­maß an die Pla­nung herange­gan­gen wer­den muss, um spez­i­fis­che, risikoangepasste Anforderun­gen zu stellen. Im Grunde scheint es so, als wür­den Brand­schutz­maß­nah­men viel zu häu­fig pauschal nach Vorschrift fest­gelegt, obwohl die bauord­nungsrechtlichen und arbeitsstät­ten­rechtlichen Regelun­gen alle Instru­mente hergeben, um indi­vidu­elle Anforderun­gen stellen zu können.

Hal­ten Sie es für wün­schenswert oder erforder­lich, für Deutsch­land eine ein­heitliche und umfassende Brand­sta­tis­tik aufzubauen?

Natür­lich wäre eine ein­heitliche Brand­sta­tis­tik sin­nvoll, aber alleine die Sta­tis­tik hil­ft nicht viel. Es müssen viel mehr konkrete Lehren aus den stattge­fun­de­nen Brän­den gezo­gen wer­den. Nur dann kön­nen wir beurteilen, ob die konzep­tionellen Maß­nah­men wirkungsvoll und angemessen sind und in der Prax­is funk­tion­ieren. Alleine aus ein­er Sta­tis­tik wäre so etwas schw­er abzuleiten.


Konzeptioneller Brandschutz

Roland Goertz und Fabi­an Ladzinski
Erich Schmidt Ver­lag, 1. Auflage, 2022
472 Seit­en, mehr als 160 far­bige Abbil­dun­gen, fes­ter Einband
59,90 Euro

 

 

Die Autoren:

Brandschutz_interview.jpg
Prof. Dr. Roland Goertz
Foto: © ZIM Medien-Service

Univ.-Prof. Dipl.-Chem. Dr. rer. nat. Roland Goertz: Nach dem Chemie-Studi­um Ref­er­en­dari­at und 2. Staat­sex­a­m­en für den höheren feuer­wehrtech­nis­chen Dienst, anschließend stel­lv. Leit­er und Leit­er des Amtes für Brand­schutz, Ret­tungs­di­enst und Katas­tro­phen­schutz der Lan­deshaupt­stadt Erfurt, Leit­er der Brand­di­rek­tion Karl­sruhe und seit 2012 Lehrstuhl für Chemis­che Sicher­heit und Abwehren­den Brand­schutz, Direk­tor des Feuer­wehrwis­senschaftlichen Insti­tuts der Ber­gis­chen Uni­ver­sität Wup­per­tal. Sachver­ständi­ger für Brand­schutz und Brand- und Explosionsursachenermittlung.

 

 

Brandschutz_Ladzinski.jpg
M. Sc. Fabi­an Ladzin­s­ki
Foto: © ZIM Medien-Service

Fabi­an Ladzin­s­ki, M.Sc.: Bach­e­lor- und Mas­ter­studi­um der Sicher­heit­stech­nik, unter anderem mit dem Schw­er­punkt Bevölkerungs- und Brand­schutz, an der Ber­gis­chen Uni­ver­sität in Wup­per­tal mit ein­er Abschlus­sar­beit über die Möglichkeit­en ein­er Kosten- und Nutzen­analyse von brand­schutztech­nis­chen Maß­nah­men. Anschließend Wis­senschaftlich­er Mitar­beit­er am Lehrstuhl für Chemis­che Sicher­heit und Abwehren­den Brand­schutz der Ber­gis­chen Uni­ver­sität Wuppertal.

 

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