Das Tragen von Schutzhandschuhen ist eine effektive, schnell umzusetzende und kostengünstige Maßnahme zur Minimierung von Gefährdungen und Risiken am Arbeitsplatz. Bei der Auswahl geeigneter Produkte spielen nach der Gefährdungsbeurteilung und Risikobewertung deren Leistungs‑, Qualitäts- und Sicherheitskriterien eine tragende Rolle. Nahezu alle Normen zur Darstellung der chemischen und physikalischen (mechanischen) Leistungen stehen derzeit auf dem Prüfstand oder werden zeitnah in überarbeiteter Form veröffentlicht. Dieser Beitrag soll eine Übersicht zu den Neuerungen und deren Auswirkungen in der Praxis sowie grundlegenden Hinweisen zur Auswahl von Schutzhandschuhen geben.
Frank Zuther
Der Hersteller (Bereitsteller) von PSA muss die Konformität seiner PSA entsprechend der „Hersteller-Richtlinie“ 89/686/EWG (Richtlinie des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für persönliche Schutzausrüstungen) erklären. Diese Richtlinie wird in Deutschland in der Achten Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (Verordnung über die Bereitstellung von persönlichen Schutzausrüstungen auf dem Markt – 8. ProdSV) umgesetzt.
Die Hersteller-Richtlinie regelt zum einen die Anforderungen für das Bereitstellen von PSA auf dem Markt und den freien Verkehr innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Zum anderen trifft sie Vorgaben für die grundlegenden Sicherheitsanforderungen, die die PSA erfüllen müssen, um die Gesundheit und Sicherheit der Benutzer zu schützen. Dies beinhaltet grundsätzliche Mindestanforderungen, die Kennzeichnung, sowie Regelungen zum Zertifizierungsverfahren (ab Kategorie 2). Weiterhin wird vorgegeben, welche Produktinformationen notwendig sind, um dem Anwender eine vergleichende Auswahl zu ermöglichen.
PSA dürfen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie den grundlegenden Anforderungen für Gesundheitsschutz und Sicherheit des Anhangs II der Richtline 89/686/EWG entsprechen. Dazu zählen:
- Grundsätze der Gestaltung
- Ergonomie: Schutzniveau und Schutzklassen
- Unschädlichkeit der PSA
- Gefährliche und störende Eigenschaf-ten der PSA: Geeignete Ausgangswerkstoffe, Oberflächenzustand, höchstzulässige Behinderungen
- Bequemlichkeit und Effizienz
- Anpassung der PSA an die Gestalt des Benutzers
- Leichtigkeit und Festigkeit der Konstruktion
- Erforderliche Kompatibilität von PSA, die vom Benutzer gleichzeitig getragen werden sollen
Der Hersteller bestätigt mit der Kon-formitätserklärung für den Schutzhandschuh und Anbringen des CE Kennzeichens, dass den grundlegenden Anforderung der Richtlinie entsprochen wurde. PSA werden abhängig von der Gefährdung, gegen die sie schützen sollen, in drei Kategorien eingeteilt. Der Hersteller entscheidet damit durch die Produktauslobung über die Kategorisierung seiner PSA. Je höher die PSA eingestuft wird, umso umfangreicher sind die Bedingungen, die bei der Herstellung zu beachten und im Produkt zu realisieren sind. Die Kategorisierung hat nichts mit der Eignung des Schutzhandschuhs für die vorgesehene Nutzung zu tun. Sie bedeutet für Hersteller eine Vorgabe zur Kennzeichnung und Einhaltung der für sein Produkt geltenden gesetz-lichen Bestimmungen.
Die Richtlinie 89/686/EWG wurde am 20. April 2016 als europäische PSA-Verordnung (Verordnung (EU) 2016/425 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über persönliche Schutzausrüstungen und zur Aufhebung der Richtlinie 89/686/EWG) veröffentlicht. EU Richtlinien sind in nationale Rechtsvorschriften/Gesetze umzusetzen. EU Verordnungen gelten mit Text in der gesamten EU. Mit einer Übergangszeit von zwei Jahren wird sie die Richtlinie 89/686 EWG schrittweise ersetzen. Die neue PSA-Verordnung ist ab dem 21. April 2018 umzusetzen.
Die Übereinstimmung mit den grundlegenden Anforderungen des Anhangs II der RL 89/686/EWG muss belegt werden. Dies kann entsprechend den harmonisierten Normen erfolgen, die zwar nicht rechtsverbindlich, jedoch als Übereinkunft mit dem technischen Standard und dem Know-how der Fachwelt akzeptiert sind. Wird ein Produkt normgerecht beschrieben und in der Benutzerinformation entspre-chend dargestellt, so wird die Übereinstimmung mit den Anforderungen der RL 89/686/EWG angenommen. Obwohl Normen nicht automatisch rechtsverbindlich sind, erhalten sie durch diese Vorgaben eine besondere Rolle (Vermutungswirkung).
Neuerungen im Bereich der Normung
Harmonisierte DIN EN Normen für Schutzhandschuhe existieren seit mehr als 20 Jahren. Dabei handelt es sich um Prüf- und Anforderungsnormen sowie einer Mischung daraus. In den letzten Monaten war bei vielen Handschuh-normen eine umfassende Revision notwendig, um dem Stand der Technik gerecht zu werden. Einige überarbei-teten Normen wurden inzwischen bestätigt und werden zeitnah in 2016 und 2017 veröffentlicht. Nachfolgend wird ein kurzer Überblick hinsichtlich der Änderungen gegeben.
DIN EN 420: Schutzhandschuhe – Allgemeine Anforderungen und Prüfverfahren
Die DIN EN 420 legt die für alle Schutzhandschuhe anzuwendenden relevanten Prüfverfahren und die allgemeinen Anforderungen zu Gestaltungsgrundsät-zen, Handschuhkonfektionierung, Widerstand des Handschuhmaterials gegen Wasserdurchdringung, Unschädlichkeit, Komfort und Leistungsvermögen sowie die vom Hersteller vorzunehmende Kennzeichnung und vom Hersteller zu liefernden Informationen fest. Sie dient in Verbindung mit speziellen Produktnor-men als Grundlage für das Inverkehrbringen von Schutzhandschuhen unter der Richtlinie 89/686/EWG für Persönliche Schutzausrüstung.
Die Überarbeitung dieser Norm hat begonnen und hält noch an. Diskutiert werden Ergänzungen und Präzisierungen hinsichtlich des Standes der Technik, Verweise auf spezifische Normen, Prüfmethoden sowie Angaben zur Kennzeich-nung und Inhalte und Form der Benutzerinformation. Weiterhin sollen die Passform (Erweiterung der Handgrößen auf 4 – 13) sowie Präzisierungen zur Unschädlichkeit an aktuelle Erkenntnisse erfolgen (z.B. Latexprotein, Dimethyl-formamid, Allergene…). Derzeit liegt kein bestätigter Entwurf vor. Eine erste Entwurfsvorlage wird im April 2017 erwartet. Die Überarbeitung wird frühestens Ende 2017 abgeschlossen sein. Die Norm soll dann als ISO EN 21420 veröffentlicht werden.
DIN EN 374: Schutzhandschuhe gegen Chemikalien und Mikroorganismen
Die Änderungen in der DIN EN 374 sind gravierend. Bis vor kurzem bestand sie aus drei Teilen, in denen die Anforderun-gen an Handschuhe zum Schutz vor Chemikalien und/oder Mikroorganismen festgelegt wurden. In Teil 1 wurden die Terminologie und die Leistungsanforde-rungen geregelt. Teil 2 beinhaltete Angaben zur Bestimmung des Widerstandes gegen die Penetration, Teil 3 gegen die Permeation von Chemikalien. Ergänzt wurden im Jahr 2013 Teil 4 (EN 374–4:2013 „Bestimmung des Widerstan-des gegen Degradation durch Chemika-lien„) und in 2015 Teil 5 (Norm-Entwurf FprEN ISO 374–5:2015 „Terminologie und Leistungsanforderungen für Risiken durch Mikroorganismen“). Mit der Veröffentlichung von Teil 5 im Amtsblatt (ISO/FDIS 374–5:2016) wird in absehbarer Zeit gerechnet.
Teil 1 wird in überarbeiteter Form voraussichtlich Ende 2016 als DIN EN ISO 374–1:2015 veröffentlicht. Wichtig: Die Titel der ISO bzw. EN unterscheiden sich. Der Titel der FprEN ISO 374–1 lautet „Schutzhandschuhe gegen Chemikalien und Mikroorganismen – Teil 1: Terminologie und Leistungsanforderungen“ (ISO/FDIS 374–1:2016), während die ISO als ISO/FDIS 374–1 den Titel „Protective gloves against dangerous chemicals and micro-organisms – Part 1: Terminology and performance requirements for chemi-cal risks“ (ISO/FDIS 374–1:2016) trägt. Dabei ist verbindlich geregelt, dass nur der englische Text gilt – andere stellen lediglich Übersetzungen dar. Die künftige Fassung bezieht sich demnach nur noch auf Risiken durch gefährliche Chemikal-ien. Was man unter „dangerous chemi-cals“ versteht, wird in der Norm erklärt.
In der neuen Fassung von Teil 1 wurde der Passus zur Annahme des Schutzes gegen Mikroorganismen gestrichen. Die Anforderungen und Prüfmethoden zum Schutzziel Mikroorganismen in Teil 5 „Terminologie und Leistungsanforderun-gen für Risiken durch Mikroorganismen“ (ISO/FDIS 374–5:2016) geregelt. Teil 1 wird darauf verweisen.
Weiterhin werden normative Verweise geändert (Verweis zur EN 374–3 geändert auf EN 16523–1), eine klarere Formulierung der Prüfungen und des Prüfberichts erarbeitet und die Liste der Prüfchemika-lien von 12 auf 18 Chemikalien erweitert. Die 6 neuen Prüfchemikalien repräsentieren im Unterschied zu den zwölf bisherigen speziellen neuen Stoffgruppen. Es handelt sich weitestgehend um Ergänzungen bestehender Verbindungsklassen.
Von Interesse für Anwender wird künftig auch Unterpunkt 7 der Norm sein. Dort sind die Anforderungen an Informationen in der obligatorischen Benutzeranleitung aufgenommen. Die folgenden Warnhinweise müssen in der Benutzeranleitung hinzugefügt werden:
„Diese Information macht keine Angaben zur tatsächlichen Schutzdauer am Arbeitsplatz und zur Unterscheidung von Gemi-schen und reinen Chemikalien.“
„Der Widerstand gegen Chemikalien wurde unter Laborbedingungen an Proben beurteilt, die lediglich von der Handinnenfläche entnommen wurden und bezieht sich ausschließlich auf die geprüften Chemikalien. Er kann anders sein, wenn die Chemikalie in einem Gemisch verwendet wird.“
„Es wird eine Überprüfung empfohlen, ob die Handschuhe für die vorgesehene Verwendung geeignet sind, da die Bedingungen am Arbeitsplatz in Abhängigkeit von Temperatur, Abrieb und Degradation von denen der Typprüfung abweichen können.“
„Wurden Schutzhandschuhe bereits verwendet, können sie aufgrund von Verände-rungen ihrer physikalischen Eigenschaften geringeren Widerstand gegen gefährliche Chemikalien bieten. Durch Berührung mit Chemikalien verursachte Degradation, Bewegungen, Fadenziehen, Reibung usw. kann die tatsächliche Anwendungszeit wesentlich reduziert werden. Bei aggressi-ven Chemikalien kann die Degradation der wichtigste Faktor sein, der bei der Auswahl von gegen Chemikalien beständigen Handschuhen zu berücksichtigen ist.“
Teil 2 der EN 374–2 „Bestimmung des Widerstandes gegen Penetration“ wurde in 2014 ohne gravierende Änderung veröffentlicht. Dabei wurde der Anwen-dungsbereich umgeschrieben, normative Verweise aktualisiert und neue Begriffe eingefügt. Darüber hinaus wurde der Prüfablauf zur Bestimmung der Permea-tion genauer beschrieben. Praxisrele-vante Auswirkungen für Anwender gibt es nicht. Es ist offenkundig, dass ein Chemikalienschutzhandschuh gegen Luft/Wasser dicht sein muss.
Teil 3 der DIN EN 374 (Bestimmung der Permeation) soll zurückgezogen werden, wenn die neue EN 16523–1 als harmonisiere Norm bewertet und in die offiziellen Liste der geltenden harmonisierten Normen aufgenommen wurde (Info unter http://www.baua.de/de/Produktsicherheit/Produktinformationen/Normenverzeichnisse.html). Die Inhalte wurden teils in die neue DIN EN 16523–1 (Permeation durch eine flüssige Chemikalie unter Dauerkontakt; Deutsche Fassung EN 16523–1:2015) eingepflegt.
Die Bestimmung der Permeation nach DIN EN 16523–1 führt zu Permeationslevel, durch die der Anwender Hinweise bekommt, für welchen Stoff (aus Tabelle der EN374–1) bzw. für welche Stoffgruppe (Alkohole, Ester, Ketone, Säuren, aliphatische oder aromatische Kohlenwasserstoffe etc.) eine Barrierewirkung von bis zu 30 Minuten zu erwarten wäre. Sie dienen dem Produktvergleich unter standardisierten Prüfbedingungen. Diese entsprechen – wie bisher – nicht unbedingt den Bedingungen im Einsatz.
Nach Veröffentlichung der EN 374–1 und deren Anwendung bei Neu-Zertifizierun-gen wird sich die Norm-Kennzeichnung gravierend ändern. Während es bisher die Piktogramme „Becherglas“ (stellvertretend für „flüssigkeitsdicht“) und „Erlenmeyerkolben“ (30 Minuten beständig gegen 3 Stoffe aus der 12er-Liste) gab, erfolgt die Kennzeichnung nach DIN EN 16523–1 nur noch mit dem Erlenmeyerkolben und einer Typisierung der Handschuhe in A, B und C. Das Piktogramm „Becherglas“ wurde mit der DIN EN 16523–1 aufgehoben.
Künftig müssen Chemikalienschutzhandschuhe
- des Typs A: 30 Minuten gegenüber 6 Stoffen,
- des Typs B: 30 Minuten gegenüber 3 Stoffen und
- des Typs C: 15 Minuten gegenüber 1 Stoff
aus der erweiterten Liste der Prüfchemi-kalien beständig sein.
Experten sind sich einig, dass die Typisierung nicht genau genug ist. Unter Berücksichtigung der Prüfchemikalien sind zwar Differenzierungen im Bereich wanddünner Einmalhandschuhe möglich (C oder B), nicht aber im Bereich der klassischen Chemikalienschutzhandschuhe (so gut wie immer A).
Neu ist Teil 4 der DIN EN 374 „Bestim-mung des Widerstandes gegen Degradation durch Chemikalien“. Die Einwirkung einer chemischen Substanz auf einen polymeren Schutzhandschuh kann deutliche Änderungen in den mechanisch-physikalischen Materialeigenschaften bewirken – dies nicht nur während des Kontaktes, sondern auch bleibend nach dem Kontakt. Zu diesen Eigenschaften zählen unter anderem die Elastizität, die Reißdehnung, die Weiterreißfestigkeit und die elektrostatischen Kennwerte der Schutzmaterialien.
Eine Degradation kann auch die Barrierefunktion gegenüber Chemikalien deutlich verringern. Diese Bewertung gäbe Hinweise ob der Handschuh wiederver-wendet und wie lange er verwendet werden könnte. Die Degradation ist somit wichtig in der Beurteilung, ob, wann, wo ein Handschuh eingesetzt werden kann. Sie ist notwendig, um die theoretisch ermittelte Schutzleistung in bessere Empfehlungen zur Tragezeiten zu überführen. Bisher machten Hersteller bei einigen Modellen Angaben zur Degradation basierend auf verschiedenen Test- und Bewertungskriterien. Mit dem Ziel, vergleichbare Angaben zur Degradation zu erhalten, wurde mit Teil 4 der DIN EN 374 ein Prüfverfahren zur Bestimmung der Degradation festgelegt.
Danach wird der Widerstand eines Werkstoffes für Schutzhandschuhe gegen Degradation durch eine flüssige Chemikalie bestimmt, indem die Veränderung der Durchstichfestigkeit des Werkstoffs für Handschuhe nach 1 stündigem Dauerkontakt der Außenfläche mit der bean-spruchenden Prüfchemikalie gemessen wird. Eine Bewertung der Ergebnisse und Schlussfolgerungen für Anwender sind nicht festgelegt.
Die Bestimmung der Degradation ist insbesondere relevant
- für teure Schutzhandschuhe und/oder
- wenn Handschuhe am gleichen Tag mehrfach oder
- wenn Handschuhe an mehreren Tagen weiter Anwendung finden sollen und/oder
- wenn die Kontaktzeiten nahe an die Permeationszeiten heranreichen, die Durchbruchzeit also ausgereizt wird.
Das neue Prüfverfahren liefert leider keine Information, wie sich die Permeationszeit bei Wiederverwendung verändert. Das allerdings ist eine Voraussetzung für eine Entscheidung der Mehrfachnutzung nach Stoffkontakt. Zudem können gefütterte Handschuhe unbrauchbare Messergebnisse liefern. Der Nutzen dieser Normprüfung ist daher fraglich, jedoch die Angabe nun obligatorisch für die im Zertifizierungsverfahren nach EN 374–1 geprüfte Chemikalien.
Neu ist die EN ISO 374–5: 2015 „Terminologie und Leistungsanforderungen für Risiken im Kontakt mit Mikroorga-nismen“. Mit ihrer Veröffentlichung (voraussichtlich Anfang 2017) sollte diese Norm bei Risiken im Kontakt mit Mikroorganismen (Bakterien/Viren) beachtet werden.
DIN EN 388: Schutzhandschuhe gegen mechanische Risiken
Diese Europäische Norm legt Anforde-rungen, Prüfverfahren, Kennzeichnung und Herstellerinformationen für Schutzhandschuhe gegen die mechanischen Risiken Abrieb, Schnitt, Weiterreißen und Durchstich fest. Sie gilt zusammen mit der EN 420. Gegenüber DIN EN 388:2003 wurden normative Verweise aktualisiert und die Begriffe „Handschuhe aus mehreren Lagen“ und „abriebbedingter Durchbruch“ neu definiert.
Da das in der DIN EN 388:2003 beschriebene Schleifpapier zur Bestimmung der Abriebfestigkeit seit einiger Zeit nicht mehr verfügbar war, wurden in den letzten Jahren von den Prüfstellen unterschiedliche Schleifpapiere verwendet. Die bei Beauftragung zu einer Baumusterprüfung für Schutzhandschuhe ermittel-ten Abriebwerte wurden demnach nicht wie in der DIN EN 388:2003 gefordert durchgeführt. Die Unterschiede in den Prüfergebnissen waren enorm und eine vergleichende Leistungsbeschreibung nicht mehr realisierbar. In der Neufassung der Norm ist ein neues Schleifpapier benannt, welches künftig die vergleichende Leistungsbeschreibung in Bezug auf die Abriebfestigkeit gewährleisten soll.
Gravierende Änderungen gibt es in der Prüfung der Schnittfestigkeit, da die bisherige Methode bei Bauarten mit Faserkonstruktionen (Hybride), die anorgan-ische Bestandteile enthielten, an ihre Grenzen gestoßen ist. Sie bewirken ein Abstumpfen der Prüfklingen und zertrennen das Material nicht mehr. Mit diesen Bauarten werden entsprechend der Prüfmethode nach EN 388 zu hohe Schnittschutzlevel ermittelt – und das bei einer unter Umständen unakzeptablen Reproduzierbarkeit. Die Handschuhe schützen damit nicht in dem Maße, wie Anwender es entsprechend dem zugewiesenen Schutzlevel erwarten sollten.
Für die Bestimmung der Schnittfestigkeit nach EN 388: 2003 (Coup-Test) werden Prüflinge mit einer kreisförmig rotierenden Klinge (Rundklinge) geschnitten. Bei der Prüfung bewegt sich die Rundklinge unter festgelegter Belastung (5 Newton) auf dem Prüfling hin- und her und dreht sich gleichzeitig entgegen dieser Bewegung. Sobald der Prüfling von der Klinge zerschnitten wird, ist die Prüfung beendet. Zur Erfassung der Abnutzung der Klinge wird deren Schärfe sowohl zu Beginn der Prüfung als auch zum Ende mit Hilfe eines Referenzgewebes (Baumwolle) gemessen. Der Schnittschutzlevel wird basierend auf der Anzahl der Zyklen, die zum Zerschneiden des Prüflings notwendig waren und dem Abnutzungsgrad der Klinge errechnet. In der neuen Fassung der DIN EN 388 wird ergänzend zum Coup-Test eine neue Prüfmethode nach ISO 13997 („TDM-Test“) beschrieben. Im Unterschied zur bisherigen Prüfmethode nach EN 388, nach der die Anzahl der Zyklen bestimmt wird, bis eine Rundklinge nach wiederholtem Aufbringen auf den Prüfling das Gewebe durchschnitten hat, wird gemäß ISO 13997 die minimale Kraft zum Durchschnitt des Prüflings nach Aufbringen einer langen, geraden Normklinge nach 20 mm bestimmt. Da im TDM-Test für jeden Test eine neue Klinge verwendet wird, wirkt sich der Störeinfluss einer je nach Härte und Fasermaterial stumpf werdenden Klinge weniger stark aus. Insofern scheint die TDM-Methode im oberen Schnittlevel-Segment (Level 4 und 5) bessere Vergleichswerte zu liefern.
Zur Bestimmung der Schnittresistenz von Schutzhandschuhen (ohne anorganische Bestandteile), bei denen keine relevante Abstumpfung der Klinge im Coup-Test erfolgt, kann der TDM-Test nach ISO 13997 optional durchgeführt werden, er muss es aber nicht. Demgegenüber müssen Schutzhandschuhe, die im Coup-Test eine Abstumpfung der Klinge hervorrufen, zusätzlich dem TDM-Test unterzogen werden.
Die beiden Verfahren unterscheiden sich grundlegend voneinander:
- Klingenform: rund (EN 388), bzw. gerade (ISO 13997)
- Art des Schneidens: rotierend mit wiederholtem Kontakt(EN 388), bzw. linear mit einmaligem Kontakt (ISO 13997).
- Kraftausübung: konstant bei 5 N (EN 388), variabel zwischen 2 und 30 N (ISO 13997).
Die Testergebnisse beziehungsweise die bei den Testabläufen ermittelten Schutzstufen korrelieren nicht miteinander. Demnach muss es auch eine neue Klassifizierung der Leistungsstufen geben. Entsprechend dem Coup-Test wird die Schnittresistenz in Leistungsstufen zwischen 1 und 5 angegeben, während im TDM-Test eine Klassifizierung von A bis F erfolgt. Die Schutzstufen dienen dem Vergleich einer zu erwartenden Dimension der Schnitthemmung. Der gezielte Praxistest und die Wirkung bei realen Gefahren werden für die Auswahl des optimalen Schnitt-schutzhandschuhs entscheidend sein.
Immer sollte bedacht werden, dass hohe Schnittresistenzen auch mit mehr oder weniger starken Einbußen im Komfort, in der Fingerfertigkeit, der Passform und Griffsicherheit einhergehen können – und das ist in der Praxis ebenso relevant. Ein Handschuh sollte daher immer passend zur Gefährdung ausgewählt werden. Man wird Erfahrungen sammeln müssen, diese bewerten und basierend darauf gut abgesicherte Empfehlungen für Branchen und Tätigkeiten geben können.
Risiken durch das Tragen von Schutzhandschuhen?
PSA dürfen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie den grundlegenden Anforderungen für Gesundheitsschutz und Sicherheit des Anhangs II der RL 89/686/EWG (jetzt PSA V) entspre-chen. Dazu zählt neben den Grundsätzen der Gestaltung auch die Unschädlichkeit der PSA. Der Hersteller bestätigt mit dem Anbringen der CE-Kennzeichnung, dass er diese grundlegenden Vorgaben erfüllt.
Ergänzt wird dies durch das Produkt-sicherheitsgesetz (ProdSG). Gemäß § 3 ist eine Markteinführung von Produkten nur dann erlaubt, wenn es bei bestimmungsgemäßer oder vorhersehbarer Verwendung die Sicherheit und Gesundheit von Personen nicht gefährdet.
Dem „New Approach“ folgend wird die Konformität mit den gesetzlichen Forderungen vermutet (Kontrollbehörde), wenn das Produkt richtlinienkonform gefertigt, geeignete harmonisierten Normen angewendet und das Produkt anhand derer beschrieben wird.
Im Falle von Handschuhen nimmt man die Unschädlichkeit an, wenn sie nach bestätigter Baumusterprüfung der EN 420 entsprechen (Vermutungswirkung). In Punkt 4.3 der EN 420 „Unschädlichkeit von Schutzhandschuhen“ wird unter anderem gefordert, dass sie den Verwender nicht schädigen dürfen, wenn sie entspre-chend benutzt werden. Handschuhma-terial, Zersetzungsprodukte, enthaltene Substanzen, Nähte und Kanten und vor allem solche Teile des Handschuhs, die in engem Kontakt mit dem Benutzer stehen, dürfen sich nicht nachteilig auf die Gesundheit und Hygiene des Benutzers auswirken. Der Hersteller oder sein autorisierter Repräsentant muss alle im Handschuh enthaltenen Substanzen angeben, die bekannt sind, Allergien oder Kontaktdermatitis zu verursachen.
Trotzdem kann es durch das Tragen von Handschuhen in wenigen Fällen zu „unerwünschten Wirkungen“ kommen. Dies umfasst vor allem:
- Schwitzen in Handschuhen, insbeson-dere bei unakzeptablen Tragezeiten,
- Unkontrollierte Anwendung von Hautschutzmitteln unter Handschuhen, wenn sie dafür nicht ausdrücklich vorgesehen und die Kompatibilität des Hautschutzmittels mit dem Handschuh-Modell belegt ist.
- Unverträglichkeiten/Allergien, z.B. durch Vulkanisationsbeschleuniger, Chrom-VI etc.,
- Restlösemittel, Produktionsstoffe; Behandlungschemikalien im Handschuh, z.B. Dimethylformamid (DMFa), Amine, Toluol, Biozide, Witterungs- und Alterungsschutzmittel.
Die letzten beiden Punkte sind, wenn Anwender ohne Hautprobleme Produkte qualifizierter Hersteller benutzen, eher zu vernachlässigen. Trotzdem – und weil sie immer wieder im Fokus der Diskussionen stehen – werden sie im Folgenden näher dargestellt.
Allergien auf Handschuhinhaltsstoffe
„Schadstoffe“, „bedenkliche“ oder „umstrittene“ Inhaltsstoffe, Allergien durch Handschuhe – immer häufiger werden Schutzhandschuhe als Gefahrstoffquelle dargestellt, die die Gesundheit schädigen. In vielen Veröffentlichungen und natio-nalen Regeln, unter anderem in der Technischen Regel für Gefahrstoffe TRGS 401 „Gefährdung durch Hautkontakt“ werden Gefährdungen, die von Schutzhandschuhen ausgehen, überstei-gert dargestellt, so dass ihre Schutzfunktion in den Hintergrund rückt.
Dies ist nicht haltbar. Allergien auf Handschuhinhaltsstoffe sind weitaus seltener, als angenommen und oftmals dargestellt. Das hauptsächliche Risiko zur Entstehung von Hauterkrankungen liegt im Bereich Feuchtarbeit und bei wiederkehrenden Kontakten mit Desinfektionsmittel, Reinigern (Tensidreiniger), Kühlschmier-stoffen etc. Es ist an der Zeit, die vielen positiven Aspekte bei Verwendung von Schutzhandschuhen den deutlich geringeren Risiken gegenüberzustellen.
Natürlich sind auch bei der Herstellung von Schutzhandschuhen Chemikalien notwendig, da erst durch deren Zugabe Handschuhe mit definierten Eigenschaf-ten und Leistungen produzierbar sind. Chemikalien sind erforderlich, um den Komfort zu erhöhen oder die Leistung des Handschuhs zu verbessern. Aber: Werden Chemikalien in Produktionsprozessen verwendet, so ist dies kein ausrei-chendes Bewertungskriterium für eine gesund-heitliche Schädigung! Eine Schädigung kann nur dann stattfinden, wenn gewisse Stoffe unter bestimmungsgemäßer Verwendung in ausreichender Menge aus dem Handschuhmaterial freigesetzt werden.
Qualifizierte Hersteller betreiben einen hohen Aufwand, um sichere Produkte anzubieten. Zum einen setzen sie bei der Produktion ihrer Handschuhe die Beimengungen nur in den notwendigen Mindestmengen ein. Zum anderen wird auf größte Sorgfalt bei der Herstellung, zum Beispiel im Vulkanisationsprozess, geachtet. Um die Sicherheit ihrer Produkte zu optimieren, werden qualifizierte Hersteller den Herstellungsprozess so steuern, dass eventuell noch vorhandene überschüssige Stoffe durch umfangreiche Reinigungs- und Nachbereitungsprozesse entfernt werden. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass Produktionsstoffe bei bestimmungsgemäßer Verwendung des Produktes nicht mehr, beziehungsweise nur noch in unbedeutenden Minimalmengen bioverfügbar sind. Das bedeutet für hautgesunde Anwender, dass er – der Benutzerinformation folgend – bei der vorgesehenen Anwendung keine gesund-heitlichen Beeinträchtigungen zu befürchten hat.
Selbstverständlich ist es sicherer, bei bestehenden Sensibilisierungen (wodurch auch immer erworben) auf Handschuhinhaltsstoffe auf Produkte auszuweichen, die die das Allergen nicht enthalten. Die Praxis hat jedoch schon oft gezeigt, dass selbst bei bestehender Sensibilisierung zum Beispiel auf Dithiocarbamate qualitativ hochwertige Handschuhe, die diesen Stoff als Accelerator nutzen, gut vertragen werden, da er in gebundener Form vorliegt oder die im Fertigungsprozess verbrauchten, beziehungsweise verän-derten Stoffe nicht in problematischen Mengen herausgelöst werden können.
Stoffe müssen aus einem Produkt herausgelöst werden, um für eine Schädigung zur Verfügung zu stehen. Sie müssen bioverfügbar sein. Sind sie es nicht, kann auch keine negative Auswirkung erfolgen. Die Bioverfügbarkeit ist eines der grundlegenden Kriterien für das Auslösen eines Erkrankungsschubes bei einer bestehen-den Sensibilisierung.
Leider scheint es vor allem bei Prüfungen, die in der Laienpresse veröffentlicht werden, ein dominantes Ziel zu sein, systematisch Prüfverfahren anzuwenden, die durch extreme Bedingungen selbst fest gebundene Stoffe aus dem Handschuh herauslösen können. Diese extremen Bedingungen können bei bestimmungsgemäßer Verwendung niemals erreicht werden. Zudem werden durch die technische Entwicklung die nachweisbaren Mindestmengen immer geringer, so dass in jedem Produkt – sei es ein Handschuh oder zum Beispiel ein Kleidungsstück – Stoffe gefunden werden, die – theoretisch – „bedenklich“ sind.
Zur Bestimmung von Chemikalien sollten keine Prüfverfahren verwendet werden, die fern jeglicher Realität sind und mit der Praxis nichts gemeinsam haben. „Detektion“ ist keineswegs gleichbedeutend mit gesundheitlicher Schädigung. Leider wird dies oft vergessen. Andererseits existieren im Handschuhbereich noch keine bewährten und anerkannten Prüfverfahren zur Bestimmung der Bioverfügbarkeit von möglicherweise problematischen Stoffen, die im Herstellungsprozess eingesetzt werden.
Nichtsdestotrotz gibt es Handschuhinhaltsstoffe, die beispielsweise einen Aller-gieschub provozieren können. Thiurame (Vulkanisationsbeschleuniger) sind dabei besonders auffällig. Gemäß einer vom BVH in Auftrag gegebenen Literatur-recherche beim IVDK (Informationsverbund Dermatologischer Kliniken zur Erfassung und wissenschaftlichen Auswertung der Kontaktallergien) reagierten im Zeitraum von 1995 bis 2001 rund 15 Prozent der Patienten mit Berufsderma-tose und Verdacht auf Kontaktallergie auf Thiurame. Im Zeitraum 2002 bis 2010 waren es immerhin noch 13 Prozent.
Gleichzeitig ergab diese Recherche, dass die Handschuhinhaltsstoffe 1,3-Diphenylguanidin und Carba-Mix hautirritierend wirken und damit auch falsch-positive Reaktionen auslösen können.
Eine ausführliche Veröffentlichung zum Thema wird nach Abschluss der Ergebnisse erscheinen.
Nach dieser Recherche und eingehenden Diskussionen mit namhaften Berufsder-matologen lautet die klare BVH Empfehlung, potentielle Allergene, die im Fertigungsprozess zum Einsatz kommen, unabhängig von deren Bioverfügbarkeit vorsichtshalber zu deklarieren. Dies sollte nicht gleichbedeutend mit einer relevanten Bioverfügbarkeit gewertet werden. Vielmehr sollte Beschäftigten mit beste-hender Sensibilisierung dadurch die Möglichkeit gegeben werden, das Aller-gen sicher zu meiden.
N,N‑Dimethylformamid (DMFa)
N,N‑Dimethylformamid (DMFa) ist ein Lösungsmittel, welches im Produktionsprozess von PU-beschichteten Handschuhen eingesetzt werden kann. In der Technischen Regel für Gefahrstoffe 401 (TRGS 401 „Gefährdung durch Haut-kontakt“) wird für diesen Stoff ein Maximalwert von 10 mg/kg gefordert – dies ohne wissenschaftliche oder medizinische Begründung und ohne Angabe einer Bestimmungsmethode. Dieser kann von Experten nicht bestätigt werden.
Zwischenzeitlich wurde ein standardisiertes Verfahren Bestimmung von Dimethylformamid (DMFA)in Handschuhen erar-beitet und als EN 16778 veröffentlicht. Es wird erwartet, eindeutige Empfehlungen zur möglichen Restmenge DMFa in die neue Fassung der DIN EN 420 zu integrieren. Sie soll in frühestens einem Jahr als EN IS0 20420 erscheinen. Aktuell gibt es die BVH Branchenempfehlung mit max. 3mg DMFA/Handschuh Paar. Diese basiert auf toxikologischen Risikobewer-tungen unter Beachtung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse und Regelungen wie DNEL, AGW … . Die BVH Branchenempfehlung basiert darüber hinaus auf Berechnungen mit einem zusätzlichen Sicherheitsfaktor.
Es sei auch gesagt, dass DMFa als eines der meistverwendeten Lösemittel zur Herstellung vieler Produkte benutzt wird. Bei der Produktion von Handschuhen wird nur eine vergleichsweise kleine Menge der insgesamt verwendeten DMFa- Menge eingesetzt.
Außerdem wird von qualifizierten Herstellern das Lösemittel bei der Nachbe-handlung der produzierten Handschuhe weitestgehend entfernt. Aus diesem Grund gab es noch nie ein gesundheit-liches Problem. Zertifizierte Produkte gelten als sicher.
Handschuhokklusion – Schwitzen in Handschuhen – Feuchtarbeit
Okkludierend wirkende Handschuhe können die Schutzfunktion der Haut verändern, wenn die Anwendungsempfehlungen (Tragezeiten) nicht beachtet werden, der Anwender unter einer gene-tischen bedingten Hautempfindlichkeit leidet (z.B. Atopie, Neurodermitis, Schuppenflechte) oder die Hautbarriere des Nutzers bereits stark beeinträchtigt ist. Durch das Schwitzen im Handschuh kommt es zu einer Mazeration und Quellung der Haut. Dies hat eine gestörte Hautbarriere zur Folge, so dass die Eingangspforten für Schadstoffe geöffnet und Fremdstoffe leichter aufgenommen werden können. Die Entzündungsbereit-schaft der Haut ist erhöht, ein Handekzem kann entstehen.
In der Technischen Regel für Gefahrstoffe 401 (TRGS 401 „Gefährdung durch Hautkontakt“) wird das Tragen okklusiver Handschuhe mit Feuchtarbeit gleichgesetzt. Zwischenzeitlich wurde belegt, dass dies nicht den Tatsachen entspricht und diese Angabe nicht mehr dem Stand der Technik widergibt. Es ist zu hoffen, dass auch zum Thema Feuchtarbeit wissenschaftlich haltbare Differenzierungen in die Überarbeitung der TRGS einfließen, denn natürlich ist ein geeig-neter Schutzhandschuh bei andauernder Feuchtarbeit eine unerlässliche primäre Schutzperspektive zu Reduktion von Hauterkrankungen. Die Überarbeitung ist für 2017/2018 geplant.
Handschuhe – Auswahlhilfen
Sind die Gefährdungen am Arbeitsplatz, die Arbeitsbedingungen und die damit verbundenen Risiken sowie das Schutzprofil des in Betracht kommenden Handschuhes bekannt, sollte es für einen Experten kein Problem geben, den optimalen Schutzhandschuh auszuwählen.
Bei der Auswahl des geeigneten Schutzhandschuhs stehen Hilfsmittel zur Verfügung. Dies sind in erster Linie die TRGS 401 und die Sicherheitsdatenblätter der eingesetzten Stoffe. Helfen diese Instrumente tatsächlich weiter?
Tatsache ist, dass die TRGS 401 (Ausgabe 2008) nicht mehr den Stand der Technik widergibt. Der Stellenwert von Hautschutzmitteln zum Schutz gegen Chemi-kalien wird deutlich überschätzt. Demgegenüber wird die Belastung beim Tragen eines Handschuhes zu kritisch dargestellt. Auch sind dermale Gefährdungen und tatsächliche Risiken in Tätigkeiten nur unzureichend geregelt. Der Inhalt müsste an vielen Stellen überarbeitet werden. Stichworte sind hier – neben den Anpassungen an die Gefahrstoffverordnung: Feuchtarbeit, Allergene und Dimethylformamid. Daneben sind viele Textpassagen missverständlich, wichtige Definitionen fehlen. Als Auswahlhilfe für die optimalen persönlichen Schutzprodukte kann die TRGS 401 in der derzeitigen Fassung nicht als zeit-gemäß bewertet werden.
Bei der Auswahl von Schutzhandschuhen soll daneben das Sicherheitsdatenblatt berücksichtigt werden. Durch das Sicherheitsdatenblatt werden Informationen zum Stoff und gesicherte Fakten zum Gefahrenpotential vermittelt. Auch sollen Angaben zu den persönlichen Schutzmaßnahmen getroffen werden. Das kann helfen, jedoch geht es in der betrieb-lichen Praxis um das Erkennen der rea-len Risiken bei definierten Tätigkeiten und deren Minimierung durch das Umsetzen geeigneter Schutzmaßnahmen.
Sofern im Sicherheitsdatenblatt überhaupt geeignete Handschuhmaterialien oder sogar konkrete Produkte aufgeführt sind, können sie keine Angaben darüber enthalten, unter welchen Bedingungen der Handschuh eingesetzt wird und wie lange er eingesetzt werden kann. Wichtige Kriterien wie die Kontaktfläche, die Kontaktzeit, das Gefahrenpotential der Chemikalie sowie das Arbeiten mit weiteren chemischen Stoffen und Gemischen bleiben unberücksichtigt. Auch bei Nennung eines Handschuhmaterials oder ‑modells können in Sicherheitsdatenblättern keine verbindlichen Angaben zur Degradation, zur Permeationszeit und zur Art des Einsatzes getroffen werden. Daneben bleiben bei ausschließlicher Nennung von Handschuhmaterialien Qualitätskriterien und Inhaltsstoffe außen vor. Um sicher zu gehen, werden oft auch „überdimensio-nierte“ und in der Praxis ungeeignete Handschuh-Bauarten angegeben. Letztlich steht der für die Auswahl Verantwortliche oft ratlos da.
Jedem sei geraten, neben den „Auswahlhilfen“ auch den Service der Hersteller in Anspruch zu nehmen. Sie kennen die Eigenschaften, Grenzen und Möglichkeiten ihrer Produkte am besten und haben in den meisten Branchen eine breite und bewährte Erfahrung, wie und womit den Risiken am Arbeitsplatz entgegenzutreten ist.
Grundsätzlich müssen die gesetzlichen Vorgaben – auch bei Handschuhen – erfüllt werden. Dies gelingt, indem nur kontrolliert hergestellte Produkte von qualifizierten Herstellern mit geeignetem Service und sachkundigen Mitarbeitern in die Auswahl gelangen. Es geht letztlich um die Gesundheit und deren Erhalt auch bei Tätigkeiten mit unvermeidlichen Risiken für Gesundheit / Verletzung. Der Einsatz von PSA ist eine primäre persönliche Schutzmaßnahme. Billigprodukte sollten vermieden werden. Kriterien für verantwortungsvolle Hersteller sind:
- Korrekte Kennzeichnung auf dem Handschuh, der Verpackung und der Herstellerinformation
- Hochwertige Verarbeitung (z.B. Nähte, gleichmäßige Beschichtung/Tauchung) und gute Passform mit exzellentem Sitz.
- Auslobung wie „hypoallergen“, „allergenfrei“ oder „lösungsmittelfrei“ sollten kritisch betrachtet werden. Zur Handschuhherstellung müssen immer Chemikalien eingesetzt werden, um den Komfort und die Leistung zu gewährleisten.
- Der Preis eines Handschuhs sollte niemals das wesentliche Auswahlkriterium für Handschuhe sein! Die Standzeiten sollten immer in die in die Auswahl einbezogen werden, um das Preis-Leistungsverhältnis bewerten zu können.
Auswahl von Chemikalienschutzhandschuhen
Die Materialwahl ist abhängig von der Tätigkeit, den Arbeitsbedingungen, den Kontaktstoffen und der Dauer des Kontaktes. Durchbruchzeiten und gegebenenfalls problematische Inhaltsstoffe sollten beachtet werden. Augenscheinlich gleiche (in Form, Aussehen und Materialangaben) Schutzhandschuhe haben in der Regel keine identischen Schutzpotenziale.
Die Ausstattung des Handschuhs ist maßgeblich für den Tragekomfort und das Griffgefühl. Ein Baumwoll-Innentrikot sorgt beispielsweise für sehr guten Tragekomfort, verringert aber das Griffgefühl. Innentrikots aus synthetischen Fasern geben guten Komfort und ein gutes Griffgefühl. Auch chlorinierte Handschuhe liefern ein sehr gutes Griffgefühl bei noch gutem Tragekomfort.
Naturlatex sollte aus allergologischen Gründen nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden.
Handschuhe mit Innentrikot dürfen beim Umgang mit Chemikalien nur nach Rücksprache mit dem Hersteller verwendet werden.
Handschuhe zum Schutz vor mechanischen Gefährdungen
Bei leichten bis mittelstarken mechanischen Belastungen in trockenen bis leicht feuchten Bereichen können nahtlos gestrickte Handschuhe aus Polyamid/Nylongestrick mit Polyurethan (PU)-Beschichtung benutzt werden. Sie geben einen hervorragenden Tragekomfort und ein sehr gutes Griffgefühl.
Bei mechanischen Belastungen in feuchteren/öligen Bereichen bietet sich der Einsatz nahtlos gestrickter Handschuhe aus Polyamid/Nylon mit einer Nitril-Beschichtung an. Diese sind auch mit speziellem Ölgriff erhältlich.
Bei hohen mechanischen Belastungen und Schnittgefährdungen werden beschichtete Strickhandschuhe aus schnittfesten Garnen eingesetzt. Für die meisten Tätigkeiten reicht hier ein Handschuh mit Schnittschutzlevel 3 und hohem Komfort.
Qualitativ hochwertige Lederhandschuhe eignen sich für „grobere“ mechanische Belastungen, sowie im Schweißerschutz- und Hitzebereich und bei Stichgefährdungen. Sie sollten jedoch nur bei trockenen bis leicht feuchten Tätigkeiten eingesetzt werden.
Hinweise zur Anwendung von Handschuhen
Auch die Beschäftigten müssen wissen, welche Art von Gefährdungen und Risiken am Arbeitsplatz vorliegen und wie sich diese auf ihre Gesundheit auswirken können. Daneben müssen sie Kenntnisse zum Schutzprofil des eingesetzten Handschuhes bekommen. Die Unterweisung ist daher das A & O der Umsetzung von Schutzmaßnahmen im Betrieb!
Nachfolgend einige Hinweise zur Anwendung:
- Beachten Sie, dass nach längeren Tragezeiten das natürliche Hautschutzsystem beeinträchtigt wird. Wird die Arbeit nach längerer Tragezeit ohne Schutzhandschuhe fortgeführt, so sind die Eingangspforten für Schad- und Gefahrstoffe sowie Mikroorganismen weit geöffnet. Ein Stoffkontakt ist in dieser Zeit unbedingt zu verhindern.
- Beachten Sie die Hinweise zur korrekten Anwendung von Handschuhen, damit auch beim Ausziehen der Handschuhe kein Kontakt mit Chemikalien stattfindet, die noch am Handschuh haften.
- Spülen Sie den Chemikalienschutzhandschuh vor dem Ausziehen immer ab.
- Eine Wiederverwendung nach Bean-spruchung des Chemikalienschutzhandschuhs ist nur möglich, wenn der Hersteller dies begründet und bestätigt.
- Tragepausen bestimmen: Reduzieren Sie die Tragezeit von flüssigkeitsdich-ten Handschuhen auf max. 60 Minuten „am Stück“.
- Entscheiden sie nie über den Einsatz eines Schutzhandschuhes ohne
- die Risiken ermittelt zu haben!
- die Gefahrstoffe erfasst & die Substitution geprüft zu haben.
- dass die Leistungsdaten & Benutzerinformation des ausgewählten Handschuhes schriftlich vorliegen!
- dass die kritische Bewertung des Praxistests die Auswahl bestätigt!
- dass der Handschutz-Plan den Anwendern vermittelt wurde!
- dass sichergestellt wurde, dass auch mit dem geeigneten Schutzhandschuh sich der Gefahr bewusst gearbeitet wird.
- zu prüfen, ob der Handschuh nach Änderung der Arbeitsbedingungen und/oder der Arbeitsstoffe immer noch geeignet ist.
Schlusswort
In diesem Beitrag wurden viele – teils noch im Fluss befindliche – Neuerungen thematisch angesprochen. Jedes Thema für sich würde eine umfassende Veröffentlichung in Anspruch nehmen. Stellen Sie uns Ihre spezifischen Fragen telefonisch oder per Email – sie werden gerne beantwortet.
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CMR-Gefahrstoffe der Kat. 1A oder 1B stellen unter den Gefahrstoffen die höchste Gesundheitsgefahr dar, weshalb die Gefahrstoffverordnung in § 10 besondere Schutzmaßnahmen für diese Stoffe vorschreibt.
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