Zum Wechsel von Werkzeugformen wird in der Spritzerei eines Chemie-Unternehmens ein Brückenkran verwendet. Weil ein Werkzeug unerwartet festsaß und mit zu hoher Zugkraft zu schnell angehoben wurde, wurde eine Aufhängeöse überlastet. Sie zerriss und ein mit Wucht weg geschleudertes Trümmerstück verletzte einen Mitarbeiter schwer.
Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit Frau Doris Keller Kurfürsten-Anlage 62 69115 Heidelberg
Unfallhergang
Der Betrieb stellt im Spritzgießverfahren Formteile für die Automobilindustrie her. In der Kunststoffspritzerei kommen hierzu Werkzeugformen mit einem Gewicht zwischen sechs und 30 Tonnen zum Einsatz. Ein Kranführer wollte eine sechs Tonnen schwere Werkzeugform wechseln. Dazu sollte sie mit einem 50 Tonnen Brückenkran leicht angehoben werden, anschließend die Schrauben gelöst und die Werkzeugform gegen eine andere ausgetauscht werden.
Der vorgesehene Arbeitsablauf lief am Unfalltag außerplanmäßig ab: Weil das Werkzeug unerwartet festsaß, misslang das „leichte Anheben“ und die hohe Zugkraft des Krans überlastete die auf eine Tragkraft von 12 Tonnen ausgelegte Aufhängeöse. Diese zerriss (Abb. 1), wobei ein weg geschleudertes Trümmerstück den Kranführer traf. Mit welcher Wucht dies passierte, belegt die Schwere der Verletzung eindrucksvoll: Der getroffene Mitarbeiter erlitt eine Unterarmfraktur, das „Geschoss“ durchdrang das Muskelgewebe und blieb in seinem Arm stecken (Abb. 2).
Unfallursache
Um die Zugkraft des Krans kontrollieren zu können, ist die Krananlage mit einer Hublastanzeige mit Tara-Funktion ausgerüstet (Abb. 3). Der Kran selbst wird über eine Fernsteuerung bedient, die über einen Wahlschalter für ‚schnell’ und ‚langsam’ verfügt. Durch eine Unaufmerksamkeit des Kranführers wurde der Kran am Unfalltag vermutlich im Schnellgang, statt wie vorgesehen im Langsamgang betrieben. Da die Hubbewegung bei dieser Betriebsart einen deutlichen Nachlauf hat, ist eine „Feindosierung“ der Zugkraft kaum möglich. Ob möglicherweise auch noch die Tara-Taste gedrückt worden war und dies dem Kranführer eine falsche Information zur Last vermittelte, konnte nachträglich nicht mehr festgestellt werden.
Maßnahmen
Der Betrieb plant, die Krananlage mit weiteren Überlastsicherungspunkten nachzurüsten. Diese müssen sicherheitstechnisch so ausgeführt sein, dass die Kransteuerung frühzeitig, also bereits beim Ansteigen der Zugkraft auf einen definierten Grenzwert (z. B. 80 % der maximal zulässigen Zugkraft), die Hubgeschwindigkeit sicher auf einen unkritischen Wert reduziert oder eine sichere Abschaltung des Hubwerkes vor dem Erreichen einer unzulässig hohen Zugkraft herbeiführt.
Als Alternative wird aber auch über die Nachrüstung der Spritzgießmaschine mit einem Werkzeugwechselsystem nachgedacht, was den Einsatz eines Krans erübrigen würde.
Abweichen von Vorschriften
Nach § 38 der Unfallverhütungsvorschrift „Krane“ (BGV D6) darf der Unternehmer zum Losreißen festsitzender Lasten nur Krane mit Überlastsicherung einsetzen. Das „Losreißen“ des Werkzeuges war hier zwar nicht geplant, der Unfall zeigt jedoch, dass auch das „Anheben festsitzender Lasten“ hochgradig gefährlich ist. Nach Rücksprache mit Fachleuten kommen solche Unfälle nicht selten vor.
Nachdruck aus Sichere Chemiearbeit Nr. 12/2009
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