Zwar sind nicht alle Wunden lebensgefährlich, doch sehen sie für den Ersthelfer zumeist bedrohlich aus. Das liegt daran, dass selbst kleine Blutmengen verschmieren und so größer erscheinen als sie tatsächlich sind. Beim Helfer ruft Blut oftmals Hemmungen wegen einer potentiellen Ansteckungsgefahr und Ekel hervor. Die konsequente Verwendung von Einmalhandschuhen schließt zumindest die Ansteckungsgefahr und die Verunreinigung der Wunde aus.
Steffen Pluntke Otto-Hahn-Ring 9 14480 Potsdam
Als Wunden bezeichnet man thermische, chemische, strahlungsbedingte und mechanische Schädigungen des Gewebes und der Organe. Wunden treten in verschiedenen Arten, Ausmaßen und Schweregraden auf. Sie können harmlos, aber auch lebensbedrohlich sein. Nach der Art der Wunde sind zu unterscheiden: Schürf‑, Platz‑, Schnitt‑, Schuss‑, Stich‑, Quetsch‑, Riss‑, Biss- Ätz- und Brandwunden. Durch Verletzungen dringt Blut entweder in Körperhöhlen (innere Blutung), nach außen oder ins Gewebe (Bluterguss) ein.
Zu schweren Blutungen kommt es insbesondere dann, wenn größere Blutgefäße (z.B. Arterie) betroffen sind. Bei einem Erwachsenen beträgt die Gesamtblutmenge etwa 6 bis 8 Prozent seines Körpergewichtes. Im Blutkreislauf einer Person mit einem Körpergewicht von 75 kg zirkulieren so permanent 6 Liter Blut, das die Organe und Zellen mit Sauerstoff, Nährstoffen sowie Wärme versorgt. Gleichzeitig werden Stoffwechselendprodukte abtransportiert. Bei kleineren Blutungen wird über die Blutgerinnung die Wunde innerhalb weniger Minuten verschlossen.
Je nach betroffenem Körperteil und Wundgröße kann man unterschiedliche Verbände anlegen. Bei kleineren Verletzungen reicht es aus, den Wundbereich mit einem Pflasterverband zu bedecken, umso primär das Eindringen von Schmutzpartikeln zu verhindern. Bei großflächigen, jedoch nicht starken Blutungen ist ein Rahmenverband hilfreich. Bindenverbände werden zumeist nur dort angebracht, wo es sich entweder um starke Blutungen, ausgedehnte Wundareale (z.B. Verbrennungen) oder um die Ruhigstellung von Gelenken handelt.
Risiken
Je nach Art, Größe und Ausdehnung der Verletzung kommt es zu einer mehr oder weniger stark blutenden Wunde. Ab einem Blutverlust von circa 20 Prozent – bei einem Erwachsenen sind das circa 1 Liter – setzt ein Schock ein, da die Blutmenge nicht mehr zur optimalen Versorgung ausreicht. Zugleich können bei einer äußeren Wunde über die zerstörte Haut Krankheitserreger, Bakterien, Keime etc. eindringen. Die Gefahr ist am größten, wenn der Verletzungsgegenstand oder die Hände des Helfers schmutzig sind. Es droht eine Infektion. Unangenehm sind für den betroffenen zunächst die Schmerzen aufgrund einer lokalen Schädigung der Nerven. Schmerzen verstärken in der Regel den Schock.
Allgemeine Erstversorgung
Auch wenn eine Wunde durch einen Ersthelfer versorgt wurde, ersetzt das nicht die abschließende Behandlung durch einen Arzt innerhalb von 6 Stunden.
Wunden dürfen nicht mit Bändern und Gürteln abgebunden werden. Eine so hervorgerufene Blutstauung kann im schlimmsten Fall zum Absterben des Gewebes führen.
Die Selbstheilungskräfte setzen bei einem gesunden Menschen unmittelbar ein, so auch die Blutgerinnung. Damit diese nicht be- oder verhindert wird, darf die Verletzung nicht mit Wasser ausgewaschen werden. Eine Ausnahme von dieser Regel ist nur bei Verätzungen, Verbrennungen und Verbrühungen zulässig. Desinfektionsmittel, Sprays, Wundheilsalben usw. gehören nicht in die Hände des Ersthelfers, da sie (schmerzhafte) Nebenwirkungen haben können und möglicherweise den Wundverschluss verzögern. Fremdkörper in Wunden entfernt man nicht. Beim Herausziehen besteht die Gefahr, dass sie abbrechen bzw. den Wundbereich vergrößern. Schockbedingt wird den Betroffenen oft schwindlig. Damit sie deswegen bzw. im Falle einer Bewusstlosigkeit nicht stürzen und sich noch weitere Verletzungen zuziehen, legen Sie den Verletzten hin; zumindest sollte er sitzen.
Bei jeglichen Verletzungen ist eine zusätzliche Wundverunreinigung zu verhindern. Tragen Sie deshalb und aus Gründen des Infektionsschutzes stets Einmalhandschuhe. Sind im ersten Augenblick keine Verbandmaterialien vorhanden und liegt eine starke Blutung vor, kann die Wunde zunächst provisorisch – beispielsweise mit einem sauberen Bekleidungsstück – bedeckt werden. Steht Ihnen Verbandmaterial zur Verfügung, legen Sie sofort einen adäquaten Verband an. Sie können so die Blutung verringern sowie das Eindringen weiterer Verunreinigungen verhindern.
Beachten sie bei der Wundversorgung ebenso die anderen erforderlichen Hilfsmaßnahmen wie Notruf, Wärmeerhalt, emotionale Hilfe sowie die Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen.
Wunden an Extremitäten
Grundsätzlich sind blutende Extremitäten immer hochzuhalten oder hochzulegen und abzudrücken, um den Blutfluss zur Wunde zu verringern. Speziell bei starken Blutungen an den Armen und Beinen ist darüber hinaus das Anlegen eines Druckverbandes möglich. Dazu wird als erstes die Wundfläche mit einer Wundauflage bedeckt. Anschließend wird die Wundauflage mittels zwei- bis dreimaliger Umwicklung mit einer geeigneten Binde fixiert. Danach wickeln Sie einen entsprechend großen Druckkörper (z.B. ein noch verschlossenes Bindenpäckchen) so ein, dass er von oben die Wunde verschließt. Beim Abwickeln der Binde und dem Einschluss des Druckkörpers müssen Sie darauf achten, dass die Enden des Druckpolsters ebenso umschlossen werden, da sie sich ansonsten hochbiegen würden und das Blut dort herauslaufen könnte. Übungssache ist die genaue Dosierung des benötigten Druckes. Ist der Druck zu stark, wird Blut gestaut und der Betroffene verliert langsam sein Gefühl in der betroffenen Extremität. Ist der Druck andererseits zu gering, wird die Blutung nicht effektiv gestillt. Zum Schluss wird die Binde befestigt – am besten durch das Einreißen des Endes und die Verknotung über der Druckkompresse. Alternativ können Sie auch ein Dreiecktuch zum Wickeln verwenden. Sollte der Druckverband durchbluten, legen Sie einfach einen weiteren darüber an – ohne den alten zu entfernen.
Befindet sich die Blutung am Arm, ist durch einen weiteren Helfer die Hauptschlagader abzudrücken. Drücken Sie dazu beherzt mit vier Fingern einer Hand in die Muskellücke zwischen Ober- und Unterarmmuskeln. Anders als bei einem abgebundenen Arm versorgt das Blut das Gewebe so immer noch genügend mit Sauerstoff.
Amputationsverletzungen
Ein teilweiser oder vollständiger Abriss eines Körperteils (z.B. Finger) wird als Amputationsverletzung bezeichnet. Die moderne Medizin erlaubt es heute, dass bei sach- und fristgerechter Versorgung eine Replantation möglich ist. Allerdings hat bei der Versorgung immer der Betroffene Vorrang, insofern nicht mehrere Ersthelfer anwesend sind. Ist aufgrund des Abrisses das Anlegen eines Druckverbandes nicht möglich, ist bis zum Eintreffen der Rettungskräfte Verbandmaterial auf das Wundareal zu pressen. Das abgetrennte Körperteil ist weder zu reinigen – auch nicht bei Verschmutzung – noch im Kühl- oder Eisschrank zu kühlen. Wickeln Sie das Amputat in sauberes Verbandmaterial ein und packen Sie es in eine verschlossene Plastiktüte, die Sie wiederum in einen Behälter oder eine Tüte mit Eiswasser legen. Verwenden Sie kein pures Eis. Durch die Kälte können die Zellen geschädigt werden, sodass eine Replantation nicht mehr möglich ist.
Bauchverletzungen
Verletzungen des Bauchbereiches führen zu Blutungen nach außen oder in den Bauchraum. Letzteres ist sehr problematisch, da einerseits der Ersthelfer die entsprechenden Verletzungen nicht immer eindeutig erkennen kann und andererseits eine unmittelbare Blutstillung durch den Ersthelfer nicht möglich ist. Durch ein zerrissenes Blutgefäß können in den Bauchraum ohne weiteres mehrere Liter Blut strömen, ohne dass nennenswerte sichtbare Kennzeichen auftreten. Folgende Anzeichen weisen auf eine innere Blutung hin: brettharter Bauch, Verfärbungen der Bauchhaut, zunehmende Bauchschmerzen und der Unfallhergang. Da eine direkte blutstillende Hilfe nicht durchführbar ist, sind Ihre Aufgaben schnellstmöglicher Notruf sowie die Schock- und Schmerzbekämpfung. Schmerzlindernd ist die embryonale Haltung, bei der der Betroffene auf die Seite gedreht und die Bauchdecke durch das Anwinkeln der Beine entspannt wird.
Tritt Blut nach außen, können Sie als Ersthelfer in der Regel nur mit Ihrer Hand Verbandmaterial auf die Wunde aufpressen. Ein effektiver Bindenverband ist aufgrund der Körperform nicht möglich. Obendrein würde durch eine zu starke Bindenwicklung die Atmung des Betroffenen eingeschränkt werden.
Kopf- und Gesichtsverletzungen
Jegliche Blutung im Gesichtsbereich birgt über die bekannten Risiken des Blutverlustes die zusätzliche Gefahr der Atemwegsverlegung. Insofern muss es neben der Blutstillung auch Aufgabe des Ersthelfers sein, die Atemwege frei zu halten. Dies ist möglich, indem der Betroffene auf den Bauch gedreht wird. Das Blut kann so weitestgehend ungehindert abfließen. Legen Sie darüber hinaus einen entsprechenden Verband (bspw. Kopfverband) an.
Autor:
Steffen Pluntke
E‑Mail: s.pluntke@gmx.de
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