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Interview zum Thema Gefährdungsbeurteilung mit Ernst-Friedrich Pernack

„Die Umsetzung ist noch mangelhaft“
Interview zum Thema Gefährdungsbeurteilung mit Ernst-Friedrich Pernack

Interview zum Thema Gefährdungsbeurteilung mit Ernst-Friedrich Pernack
Ernst-Friedrich Pernack
Foto: © ASTA
Ernst-Friedrich Per­nack, ehe­ma­liger Vor­sitzen­der des Auss­chuss­es für Arbeitsstät­ten (ASTA) vom Bun­desmin­is­teri­um für Arbeit und Soziales (BMAS), hat das The­ma Gefährdungs­beurteilung über Jahrzehnte hin­weg begleit­et. Der Diplom-Physik­er war in zahlre­ichen Funk­tio­nen auch an der Geset­zge­bung im Arbeitss­chutz beteiligt und hat neben dem Arbeitss­chutzge­setz und der Verord­nung über Arbeitsstät­ten unter anderem im ASTA die Arbeitsstät­ten­regeln mitgestaltet.

Herr Per­nack, die Gefährdungs­beurteilung ist bere­its seit 1996 durch das Arbeitss­chutzge­setz vorgeschrieben. Den­noch zeigen die Zahlen der GDA-Befra­gun­gen, dass viele Betriebe sie noch ver­nach­läs­si­gen. Wie bew­erten Sie diese Entwicklung?

In den let­zten drei Jahrzehn­ten hat sich hier zwar schon etwas zum Pos­i­tiv­en entwick­elt, lei­der ist es aber den­noch so: Der Umset­zungs­stand bei der Gefährdungs­beurteilung ist bis heute man­gel­haft – trotz vielfältiger, teils auch branchen- und tätigkeit­sori­en­tiert­er Hil­festel­lun­gen, beispiel­sweise durch Unfal­lver­sicherungsträger, die staatlichen Arbeitss­chutzbe­hör­den oder die Bun­de­sanstalt für Arbeitss­chutz und Arbeitsmedizin.
So ergaben im Rah­men der Gemein­samen Deutschen Arbeitss­chutzs­trate­gie (GDA) durchge­führte Betrieb­s­be­fra­gun­gen, dass in den Zeiträu­men 2011 und 2015 nur cir­ca die Hälfte (51/54 Prozent) aller Betriebe eine Gefährdungs­beurteilung durchge­führt hat­ten. Mit diesem Ergeb­nis kön­nen wir nicht zufrieden sein. Ein wesentlich­es Ziel der derzeit laufend­en drit­ten GDA-Peri­ode (2019 bis 2024) ist daher, die Zahl der Betriebe sig­nifikant zu steigern, die eine angemessene Gefährdungs­beurteilung vor­weisen können.
Dazu wer­den unter anderem von den Präven­tions­di­en­sten der Unfal­lver­sicherungsträger und von den staatlichen Arbeitss­chutzbe­hör­den jew­eils 100.000 Betriebe mit einem ein­heitlichen Erhe­bungsin­stru­men­tar­i­um aufge­sucht und mit den Schw­er­punk­ten Arbeitss­chut­zor­gan­i­sa­tion und Gefährdungs­beurteilung besichtigt. Mit den Ergeb­nis­sen dieser aufwendi­gen Aktiv­ität ist früh­estens 2026 zu rech­nen. Let­z­tendlich streben wir an, den Umset­zungs­stand entschei­dend zu verbessern.

Gefährdun­gen beurteilen

Was ist noch geplant, damit dies auch gelingt?

Wir wer­den wohl auch darüber nach­denken müssen, ob das Word­ing für den Prozess vielle­icht ein­fach­er gestal­tet wer­den kann: Der Begriff der Gefährdungs­beurteilung… das klingt ins­beson­dere für kleine Betriebe schon etwas bürokratisch. Auch kön­nte die eine oder andere Vorschrift noch prax­is­fre­undlich­er aus­gestal­tet werden.
Zudem müssten die vie­len Regelun­gen des Arbeitss­chutzes für bes­timmte Branchen so auf­bere­it­et wer­den, dass der Arbeit­ge­ber diese ent­lang seines Wertschöp­fung­sprozess­es in ein­fach­er und bebildert­er Form dargelegt bekommt. Bund, Län­der und Unfal­lver­sicherungsträger haben sich hierzu schon 2011 im „Leitlin­ien­pa­pi­er zur Neuregelung des Vorschriften- und Regel­w­erks im Arbeitss­chutz“ darauf ver­ständigt, dass die Unfal­lver­sicherungsträger hier­für soge­nan­nte Branchen­regeln erstellen, mit denen sich die Anforderun­gen aus den staatlichen Regeln an die Gefährdungs­beurteilung zusam­men­fassen sowie gegebe­nen­falls visu­al­isieren und anschaulich umset­zen lassen.
So etwas gibt es in Einzelfällen schon, aber bei weit­em noch nicht für sämtliche Branchen und Tätigkeitsfelder.

Wie hat sich die ASR V3 seit ihrem Erscheinen in 2017 in der Prax­is bewährt?

Auf diese Arbeitsstät­ten­regel sind wir vom ASTA schon etwas stolz, denn ich meine, dass sie den Prozess der Gefährdungs­beurteilung sehr anschaulich beschreibt und auch gute prax­is­rel­e­vante Hin­weise liefert. Alle, die im betrieblichen Arbeitss­chutz tätig sind, also auch Sicher­heits­beauf­tragte, soll­ten sich zum Beispiel mal die darin beschriebe­nen Beurteilungs­maßstäbe anschauen.
Für die Durch­führung ein­er Gefährdungs­beurteilung beschreibt die ASR V3 über­sichtlich alle acht Prozesss­chritte, das ist schon ziem­lich hil­fre­ich. Übri­gens: Bei Fra­gen zur Ausle­gung oder Umset­zung dieser oder ander­er ASR kön­nen sich auch Sicher­heits­beauf­tragte immer gern an die BAuA wenden.

Mitwirkung an der Gefährdungsbeurteilung

Inwiefern kön­nen Sicher­heits­beauf­tragte zur Gefährdungs­beurteilung beitragen?

Für die Durch­führung an sich sind natür­lich die Sicher­heits­fachkräfte und andere fachkundi­ge Per­so­n­en zuständig. Sicher­heits­beauf­tragte kön­nen den Prozess der Gefährdungs­beurteilung aber unter­stützen, weil sie gute Hin­weis­ge­ber sind und durch ihre Nähe zu den anderen Beschäftigten auch als Sprachrohr fungieren können.
Sibe kön­nen auch dazu beitra­gen, dass die Umset­zung der Arbeitss­chutza­uf­gaben gut von den Kol­legin­nen und Kol­le­gen angenom­men wird. Was vie­len nicht bewusst ist: Nach dem Arbeitss­chutzge­setz müssen alle Beschäftigten, also auch Sibe, ihre Arbeit­ge­ber auf beobachtete Defizite hin­weisen. Wenn diese daraufhin die Män­gel nicht beheben, haben sie das Recht, sich an die zuständi­gen Arbeitss­chutzbe­hör­den zu wen­den. Diese gehen solchen Mel­dun­gen dann auch vor­rangig nach.


Das Gespräch führte Chris­tine Lendt,
Fachau­torin und freie Journalistin
 
Foto: © Simone Friese

Die Gefährdungsbeurteilung

Die Tech­nis­che Regel für Arbeitsstät­ten ASR V3 erk­lärt den Begriff wie fol­gt: „Die Gefährdungs­beurteilung nach § 3 Arb­StättV ist die auf das Ein­richt­en und Betreiben der Arbeitsstätte aus­gerichtete sys­tem­a­tis­che Ermit­tlung und Beurteilung aller möglichen Gefährdun­gen der Beschäftigten ein­schließlich der Fes­tle­gung der erforder­lichen Maß­nah­men für Sicher­heit und Gesund­heit bei der Arbeit.“

Sie ist also nicht (nur) als Ein­schätzung und Doku­men­ta­tion von möglichen Gefährdun­gen der Sicher­heit und Gesund­heit zu ver­ste­hen, son­dern als ein mehrstu­figer kon­tinuier­lich­er Prozess mit Maß­nah­men­festle­gung und Wirksamkeitskontrolle.

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