Konkret ereigneten sich 59.024 meldepflichtige Unfälle. Im Jahr 2021 waren es noch 61.578.
Die Unfallschwerpunkte
Der Blick in die Daten und Zahlen 2022 der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) macht deutlich: Unfallschwerpunkt bleibt die Nutztierhaltung mit 13.645 Unfällen. Darüber hinaus verzeichnete die SVLFG 12.602 Unfälle im Garten- und Landschaftsbau, 5.466 Unfälle bei Arbeiten im Pflanzenbau sowie 4.302 Unfälle bei der Waldarbeit.
Bedingt durch den verstärkten motormanuellen Einschlag von Brennholz stiegen dort die Unfallzahlen geringfügig um 6 % im Vergleich zu 2021 an. Insgesamt erlagen 117 Personen ihren Unfallfolgen, das sind acht weniger als im Vorjahr.
Die meisten tödlichen Unfälle ereignen sich bei Forst- und Waldarbeiten: 33 der Todesopfer erlagen dabei ihren Verletzungen; sieben mehr als im Vorjahr. Das entspricht einen Anstieg von 27 %. Besonders risikoreich ist die motormanuelle Holzernte. 24 der 33 tödlichen Unfälle ließen sich darauf zurückführen, dass Menschen bei Fällarbeiten von Baumteilen getroffen wurden.
Weitere vier Personen verunglückten tödlich durch indirekte Folgen der Holzernte. Zum Beispiel treffen immer wieder nachfallende abgestorbene Bäume Menschen, die sich im Gefährdungsbereich aufhalten. In der Tierhaltung kam es zu 17 Unfällen mit tödlichem Ausgang, im Gartenbau waren es acht.
Schwerpunkt sichere Waldarbeit
Die sichere Arbeit im Schadholz steht weiter im Fokus der Forstprävention. Ziel ist es, Waldbesitzer von den extrem gefährlichen motormanuellen Fällarbeiten in geschädigten Wäldern abzuhalten und diese an forstwirtschaftliche Dienstleister zu vergeben, die über Holzerntemaschinen und das nötige Know-how verfügen.
Das Präventionsangebot der SVLFG umfasst unter anderem Praxisvorführungen, Seminare und Vorträge zur sicheren Schadholzfällung, zum Sturmholz, zur Arbeit mit dem funkferngesteuerten Fällkeil und der Seilwinde. Ferner unterstützt die SVLFG bei Forstsicherheitstagen. Umfangreiches Informations- und Unterweisungsmaterial, zum Beispiel Broschüren, Flyer und Erklärfilme, gibt es online unter svlfg.de/waldarbeit.
Unfälle mit Traktoren
Verteilt über alle Arbeitsgebiete fällt auf, dass besonders viele Menschen (36) bei Arbeiten mit Fahrzeugen tödlich verunglückten. Bei 21 dieser Unfälle waren Traktoren beteiligt. Die verstorbenen Personen wurden entweder überfahren oder die Fahrzeuge stürzten um, wobei die Fahrer nicht angeschnallt waren. Durch den fehlenden Sicherheitsgurt zogen sie sich Verletzungen zu, denen sie erlagen.
Traktoren sind bei Arbeiten in der Landwirtschaft nicht wegzudenken. Laden, Transportieren und die Feldarbeit gehören zum täglichen Geschäft. Die Gefahren, die beim Fahren, Rangieren, Auf- und Absteigen und bei Reparaturen auftreten, müssen ernst genommen werden.
Über die Hälfte der gemeldeten Traktorunfälle stehen im Zusammenhang mit dem Auf- und Absteigen. Insbesondere das Absteigen ist riskant. Gefährlich ist besonders der Übergang zwischen der letzten Stufe des Aufstiegs und dem Boden. Als Grundregel gilt immer „vorwärts rauf und rückwärts runter“. Wenn es schnell gehen muss, wird dies leider mitunter missachtet.
Häufig wird die letzte Stufe übersprungen. Daraus resultiert zum einen eine extreme Belastung des Muskel-Skelett-Systems, zum anderen liegt in dem saloppen Sprung eine nennenswerte Gefahr, zu verunglücken. Die unsanfte Landung auf dem Boden endet häufig in einer Verstauchung, in einem gebrochenen Knie oder Knöchel oder in einem Bänderriss.
Bei Reparatur- oder Wartungsarbeiten an Maschinen und Traktoren ereignen sich besonders häufig Verletzungen der Hände. Die SVLFG rät deshalb dazu, derartige Arbeiten in Fachwerkstätten ausführen zu lassen.
Großtierhaltung
Im Bereich der Tierhaltung verunglücken vor allem Menschen, die mit Rindern oder Pferden arbeiten. Die Verteilung der Unfälle zeigt deutlich, welche Tätigkeiten besonders unfallträchtig sind. Im Jahr 2022 wurden 4.338 Menschen durch Rinder verletzt, 292 hiervon durch Bullen. Die meisten Unfälle sind darauf zurückzuführen, dass Personen beim Melken getreten wurden.
Angriffe von Bullen sind besonders häufig der Grund für schwere oder tödliche Verletzungen: Sie verursachten vier der neun tödlichen Unfälle, die sich im Umgang mit Rindern ereignet haben.
Geänderte Vorschriften für mehr Sicherheit
Die SVLFG hat aus diesem Grund die Vorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz in der Tierhaltung (VSG 4.1) geändert. Zum Schutz aller Personen, die in der Rinderhaltung arbeiten, gelten seitdem strengere Regeln im Umgang mit den Tieren, insbesondere mit Deckbullen. Die VSG 4.1 fordert unter anderem eine stärkere Trennung des Deckbullens von der Milchviehherde. Ideal wäre der Verzicht auf den in der Herde mitlaufenden Bullen.
Alternativ könnten die Betriebe auf die Kombination der künstlichen Befruchtung mit einer elektronischen Brunsterkennung umstellen. Das Arbeitsrisiko sinkt dadurch sofort. Die Vorteile solcher Systeme liegen auf der Hand: Sie haben sich in der Praxis bewährt, sind erschwinglich und liefern dem Unternehmer viele zusätzliche Informationen, etwa zum Gesundheitszustand der Tiere.
Trotzdem sind Deckbullen immer noch häufig fester Bestandteil der Milchviehherde. Warum? Milchviehhalter verlassen sich gerne auf Bewährtes. Besonders dann, wenn ihre Arbeitsbelastung steigt und die Herden immer größer werden. Es bleibt dann vermeintlich keine Zeit für „solche Experimente“. Zuverlässig übernimmt der mitlaufende Bulle die Besamung der Kühe.
Der Preis dafür kann jedoch hoch sein. Milchviehhaltung mit freilaufenden Bullen ist gefährlich für alle, die mit den Rindern arbeiten, egal, ob Unternehmer/in, Familienmitglieder, Beschäftigte, Tierärzte oder Klauenpfleger. Die Tiere sind nicht kalkulierbar und greifen unvermittelt an, zum Beispiel, wenn der Tierbetreuer mit anderen Tätigkeiten in der Herde beschäftigt ist.
So wird der Bulle sicher untergebracht
Deckbullen müssen gemäß VSG 4.1 im Milchviehstall in einer separaten Bucht gehalten werden, die über mindestens eine Fixiereinrichtung und mindestens eine Fluchtmöglichkeit (Personenschlupföffnung) verfügt. Als Fixiereinrichtung eignet sich beispielsweise ein stabiles, ausreichend dimensioniertes Sicherheitsfangfressgitter. Stabile, senkrechte Stangen sind eine geeignete Abtrennung der Deckbullenbucht.
Sie ermöglichen Personen bei Gefahr den Durchschlupf und damit die Flucht. Die Einzelbuchten müssen stabil sein und über einen rutschfesten Bodenbelag verfügen. Diverse Stallbauer bieten Komplettlösungen an. In älteren Ställen rüsten Tierhalter Bullenbuchten mit Hilfe geeigneter Einzelkomponenten nach.
Elektronische Brunsterkennungssyteme und Bullenhaltung lassen sich gut kombinieren. Diese Variante macht die Milchviehhaltung etwas sicherer und der Unternehmer entscheidet gezielt, welche Kühe er dem Deckbullen in der Bucht zuführt. Ein großer Vorteil: Der Bulle braucht nicht mehr zusammen mit den Milchkühen auf die Weide. Geht er dennoch mit, muss er danach wieder in seine Bucht. Fangfressgitter oder Selektionstore helfen dabei.
Grundsätzlich anders ist es beim Jungvieh oder in der Mutterkuhherde. Hier darf der Bulle in der Herde bleiben. Personen haben in solchen Fällen seltener direkten Kontakt zu den Rindern. Sicherer ist es aber auch hier, auf den Bullen in der Herde zu verzichten. Läuft ein Deckbulle auf der Weide oder im Jungviehbereich mit, dürfen Personen die Herde nur in Begleitung von Helfenden mit entsprechenden Kenntnissen betreten. Zusätzlich müssen Fluchtmöglichkeiten und stabile Treibhilfen vorhanden sein.
Kostenlose Bauberatung für Tierhalter
Die SVLFG bietet sowohl bei Stallneubauten als auch bei Umbaumaßnahmen eine kostenlose Bauberatung direkt vor Ort im Betrieb an. So können Tierhalter sicherstellen, dass ihre Stallungen den geänderten Vorgaben der VSG 4.1 entsprechen. Die zuständigen Ansprechpartner sowie weitere Informationen stehen auf der Internetseite www.svlfg.de/rinderhaltung.
Pferdehaltung
1.877 Menschen verunglückten im Berichtsjahr bei der Arbeit mit Pferden. Zwei dieser Unfälle endeten tödlich. 40 Prozent der Arbeitsunfälle ereigneten sich beim Reiten, Voltigieren und Longieren. Annähernd genauso häufig verunglückten Menschen beim Führen und Loslassen. Meistens kommt es zu Verletzungen, weil die Tiere austreten oder ausschlagen.
Ein typischer Unfallhergang sieht so aus: Ein Pferd wird zur Koppel geführt. Auf dem Weg dorthin reißt es sich von der Hand des Pferdepflegers los und galoppiert, übermütig bockend und ausschlagend, zur Weide. Dabei trifft es den Führenden mit seinem Hinterhuf.
Aufmerksamkeit schärfen
Immer wieder erklären die verletzten Personen: „Das Pferd hat plötzlich aus unerklärlichen Gründen gescheut.“ Oft waren die Betroffenen aber während der Arbeit abgelenkt, zum Beispiel durch ihr Handy. Auch Unkenntnis über natürliche Verhaltensweisen der Tiere spielt eine große Rolle.
Unverzichtbar ist es daher, dass Menschen, die mit Pferden arbeiten, Kenntnisse über deren Sinneswahrnehmungen und natürlichen Verhaltensweisen haben. Außerdem müssen sie konzentriert arbeiten. Die Persönliche Schutzausrüstung (PSA) steigert die Arbeitssicherheit weiter. Dazu zählen Reithelm und Sicherheitsweste beim Reiten sowie Sicherheitsschuhe und Handschuhe bei allen Arbeiten rund ums Pferd.
Pferde richtig führen und wenden
Beim Führen ist die richtige Position wichtig. Sie befindet sich zwischen dem Pferdekopf und der Schulter. Wird ein Pferd am Halfter geführt, ist dies nur in Kombination mit einem geeigneten Führstrick zulässig. Weder Führstrick noch Zügel dürfen um das Handgelenk gewickelt werden.
Das Wenden, zum Beispiel um das Pferd loszulassen, erfolgt immer weg vom Menschen. Die Person dreht dabei das Pferd, bis es mit dem Kopf zu ihr steht. Danach löst sie den Strick und das Halfter. Umgehend verlässt sie dann den Gefahrenbereich, der innerhalb der Reichweite der Hinterhufe liegt.
Bringen mehrere Menschen gleichzeitig Pferde auf die Weide, müssen die Tiere auf gleicher Höhe und mit ausreichend Abstand beim Drehen stehen. Alle Personen lassen die Pferde nach Absprache gleichzeitig los. Unter www.svlfg.de/pferdehaltung gibt es weitere Tipps für Pferdhalter. Unter anderem geht es um das Verladen der Tiere, um die Gestaltung sicherer baulicher Anlagen und um die Sinneswahrnehmung von Pferden.
Neben persönlichen Beratungsangeboten bietet die SVLFG auch Online-Vorträge zu ausgewählten Themen, auch im Bereich der sicheren Pferdehaltung, an. Nähere Informationen gibt es unter: www.svlfg.de/onlinevortraege