1 Monat GRATIS testen, danach für nur 3,90€/Monat!
Startseite » Fachbeiträge » Archiv SB »

Fleckenlose Sauberkeit

Französische Wäsche und deutsche Textilreinigung
Fleckenlose Sauberkeit

Was war es, das Napoleon Bona­parte qua­si zum Weg­bere­it­er der mod­er­nen chemis­chen Tex­til­reini­gung in Deutsch­land wer­den ließ? Nicht nur mit dieser Fragestel­lung, son­dern mit noch weit mehr inter­es­san­ten Ein­blick­en in die Entwick­lungs­geschichte von den allerersten Anfän­gen bis heute befasst sich Prof. Dr. Josef Kurz von den Hohen­stein­er Tex­til­forschungsin­sti­tuten in Bön­nigheim in seinem Buch „Franzö­sis­che Wäsche und deutsche Textilreinigung“.

Der Autor zeich­net nach, wie sich aus dem Zusam­men­wirken poli­tis­ch­er, gesellschaftlich­er, ökonomis­ch­er und tech­nis­ch­er Umbrüche in Europa eine ganze Branche her­auskristallisieren kon­nte: „Für uns ist es heutzu­tage eine Selb­stver­ständlichkeit, mit per­fekt gepflegter und gere­inigter Klei­dung in Erschei­n­ung zu treten. Das war nicht immer so. Lösemit­tel, Maschi­nen, Geräte und vor allem aber Men­schen haben seit dem Jahre 1825 dafür gesorgt, dass die Reini­gung von Tex­tilien aller Art auf immer ein­fachere Weise zu bewälti­gen war.“

Übri­gens ebnete Napoleon Bona­parte zusam­men mit sein­er dama­li­gen Frau Josephine durch sein nach der Franzö­sis­chen Rev­o­lu­tion neu geschaf­fenes Sauberkeit­side­al den Weg für eine neuar­tige Wäschep­flege. Fün­fzig Jahre zuvor galt Baden noch als unge­sund und mit der tex­tilen Hygiene war es auch nicht zum Besten bestellt. Wie also soll­ten die mit der Wäschep­flege Betraut­en ohne große Erfahrung die neue Her­aus­forderung „saubere Klei­dung“ meis­tern? Noch dazu unter Berück­sich­ti­gung von Kri­no­li­nen, Spitzenbesätzen, Reifröck­en und Schleppen?
Geburtsstunde der Chemischreinigung
In dieser Sit­u­a­tion grün­dete der franzö­sis­che Fär­ber­meis­ter Jol­ly Belin um 1825 bei Paris den ersten Laden zur Annahme von Klei­dung zum Reini­gen in Ter­pentinöl. Damit wurde er zum Erfind­er der Chemis­chreini­gung. Zwar war bere­its schon seit 1716 die fet­tlösende Wirkung von Ter­pentinöl doku­men­tiert, jedoch erst mit seinem Preisver­fall zu Beginn des 19. Jahrhun­derts wurde es möglich, Ter­pentinöl in großen Men­gen gewerblich zur Tex­til­reini­gung zu ver­wen­den. In Deutsch­land nan­nte man diese Meth­ode bald die „franzö­sis­che Wäsche“. Mit der Umstel­lung auf Ben­zol, ein neueres und besseres Lösemit­tel, war dann auch in Deutsch­land 1854 endgültig die „chemis­che Wäsche“ geboren. Nach­dem sich jedoch her­aus­gestellt hat­te, dass der offene Umgang mit Ben­zol ein erhe­blich­es gesund­heitlich­es Gefährdungspoten­zial barg, wurde es durch Ben­zin erset­zt. Dieses wiederum hat­te die unan­genehme Eigen­schaft, beim kle­in­sten Funken zu explodieren. Man glaubte, dieses Prob­lem durch die Ver­wen­dung von dicht ver­schließbaren Maschi­nen beseit­i­gen zu kön­nen. Nun began­nen gle­ich zwei Geschäft­szweige mit ihrer Arbeit: die chemis­che Indus­trie mit der Suche nach dem ulti­ma­tiv­en Lösungsmit­tel und die Maschi­nenin­dus­trie mit der Entwick­lung der opti­malen „Reini­gungs­mas­chine“.
Laden­be­triebe im Kommen
Es soll­ten jedoch noch mehrere Jahrzehnte verge­hen, ehe das wegen sein­er ein­fachen Hand­habung und seines kostengün­sti­gen Ein­satzes recht beliebte Ben­zin aus der Branche ver­schwun­den war. Erst ab 1920 kamen drei neue unbrennbare Lösemit­tel auf den Markt. Gle­ichzeit­ig wur­den Spezial­maschi­nen einge­set­zt, in denen durch inno­v­a­tive Tech­niken sog­ar eine Lösemit­tel­rück­gewin­nung möglich war. Wie sehr die Chemis­chreini­gung damals in das gesellschaftliche Leben inte­gri­ert war, man­i­festierte sich spätestens mit der Anerken­nung als eigen­ständi­ger Beruf am 25. Mai 1935. Nach Beendi­gung des zweit­en Weltkrieges fand inner­halb der Branche eine Ver­schiebung von der Chemie in die Tech­nik statt – es gelang, die Reini­gungs­maschi­nen von Groß­maschi­nen auf ein Schrank­for­mat zu reduzieren. Damit begann ein Struk­tur­wan­del weg von großen Zen­tral­be­trieben außer­halb der Stadtzen­tren hin zu Laden­be­trieben in den Städten und damit in unmit­tel­bare Kun­den­nähe. In den 1960er Jahren kamen noch zwei Flu­o­rchlorkohlen­wasser­stoffe als Lösemit­tel in die Tex­til­reini­gung, wur­den jedoch nach dem FCKW-Ver­bot in den 1980er Jahren durch Kohlen­wasser­stof­flösemit­tel erset­zt. Let­zter Stand der Entwick­lung ist die Ver­wen­dung von kom­prim­iertem Kohlen­diox­id in sicheren Reini­gungs­maschi­nen, die sämtliche Aufla­gen erfüllen. Doch was bewog let­z­tendlich die Men­schen damals wie heute, ihre Klei­dung im Dien­ste der „fleck­en­losen Sauberkeit“ den Chemis­chreinigern anzu­ver­trauen, obwohl sie doch stets auf Wass­er und Waschmit­tel hät­ten zurück­greifen können?
Mode als Aus­lös­er für Entwicklung
Damals wie heute war es die Mode, ohne die diese Evo­lu­tion wohl nicht stattge­fun­den hätte. Früher war es mith­il­fe der „franzö­sis­chen Wäsche“ möglich, mit Volants und Besätzen verzierte Klei­dung ohne aufzutren­nen, unter Garantie der Far­bechtheit sowie unter Beibehal­tung ihrer Fas­son zu reini­gen. Heutzu­tage sind es haupt­säch­lich nicht waschbare, empfind­liche oder wat­tierte Klei­dungsstücke wie etwa Wolle, Sei­de, Led­er oder Pelze, die dank mod­ern­er Tex­til­reini­gung wed­er Filzen noch Ein­laufen noch ihre Form ver­lieren. Diesem Schul­ter­schluss zwis­chen häus­lich­er Wäschep­flege und gewerblich­er Tex­til­reini­gung wid­mete sich Prof. Dr. Josef Kurz: „50 Jahre Arbeit am Tex­til­forschungsin­sti­tut Hohen­stein im Dien­ste der Tex­tilpflege gipfeln in der Her­aus­gabe mein­er Büch­er ‘Kul­turgeschichte der häus­lichen Wäschep­flege’ und ‘Franzö­sis­che Wäsche und deutsche Tex­til­reini­gung’ sowie dem in Arbeit befind­lichen Werk über die gewerbliche Wäscherei.“
Das Buch „Franzö­sis­che Wäsche und deutsche Tex­til­reini­gung“ wird von den Hohen­stein­er Insti­tuten her­aus­gegeben und kann über den SN-Ver­lag in Ham­burg unter der Fax-Num­mer 040/280‑3788 bezo­gen werden.
Unsere Webi­nar-Empfehlung
Newsletter

Jet­zt unseren Newslet­ter abonnieren

Webinar-Aufzeichnungen

Webcast

Jobs
Sicherheitsbeauftragter
Titelbild Sicherheitsbeauftragter 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Sicherheitsingenieur
Titelbild Sicherheitsingenieur 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
Special
Titelbild  Spezial zur A+A 2023
Spezial zur A+A 2023
Download

Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de