- Hans Kammerlander wurde als sechstes Kind einer Bergbauernfamilie am 06.12.1956 in Ahornach/Südtirol geboren, dort wohnhaft. In seiner frühen Jugend begann er die Berge seiner näheren Umgebung zu erklettern.
- Später folgten die Dolomiten, die großen Wände der Alpen und die hohen Berge der Welt. Insgesamt stand Kammerlander auf 13 (der insgesamt 14) Achttausender. Sieben davon bestieg er zusammen mit Reinhold Messner. Kammerlander ist staatlich geprüfter Berg- und Skiführer.
- 2002 „Internationales Jahr der Berge“: Auszeichnung in Berlin zum „Offiziellen Botschafter der Berge“.
- 2002 Auszeichnung mit dem „Rotary-Preis“: Die Vergabe verfolgt den Zweck, eine Persönlichkeit, die sich durch besondere Leistungen ausgezeichnet hat, die vor allem mit den Provinzen Trient und Südtirol und deren Bevölkerung zusammenhängen, auszuzeichnen.
„Die Tour ist nicht am Gipfel zu Ende“
Extrem-Bergsteiger Hans Kammerlander zur Sicherheit im alpinen Gelände
Vorm Urlaub war es nochmal ziemlich stressig. Jetzt aber ab ins Auto und in die Alpen gerauscht. Morgen früh gleich los und den Gipfel erklommen. Ganz so einfach ist das aber nicht – Sicherheitsbeauftragter-Redakteurin Dr. Christiane Eichhorn sprach mit dem südtiroler Extrembergsteiger Hans Kammerlander über Risiken und Gefahren in den Bergen.
Büro Hans Kammerlander Josef-Jungmann-Straße 8 I‑39032 Sand in Taufers (Südtirol)
Herr Kammerlander, Sie standen auf 13 Achttausendern dieser Welt. Das ist Erlebnis, Emotion, Strapaze – und Erfahrung. Was sollte man – auch als „Normalbergsteiger“ immer beachten, bevor man startet?
Kammerlander: Man muss sich an die Natur anpassen. Das heißt, die Wetterlage, und die allgemeinen Verhältnisse beachten. Das sind ganz wichtige Schritte in Richtung Sicherheit.
Was ist in puncto Ausrüstung wichtig?
Kammerlander: Im Allgemeinen ist die Ausrüstung der Leute recht gut geworden, zum Teil sind sie sogar überausgerüstet und dadurch mit einem zu schweren Rucksack unterwegs. Das ist aber nicht das eigentliche Problem. Weitaus kritischer ist, dass der Mensch sich zu wenig an die Natur, an ihre Verhältnisse anpasst.
Welche Gründe erkennen Sie dafür?
Kammerlander: Ein Grund ist die geringe Freizeit. Ein bestimmtes Wochenende wurde terminiert, um den Gipfel zu besteigen und dann wird es durchgezogen, äußere Bedingungen treten in den Hintergrund, weil es schon lang vorgeplant und die Vorfreude groß ist. Dann geht jemand vielleicht zu gipfelorientiert.
Sie haben als staatlich geprüfter Berg- und Skiführer viele Touristen sicher geführt. Andere gehen auf eigene Faust. Wie denken Sie über die Risikobereitschaft von Urlaubern heutzutage?
Kammerlander: Die Risikofreudigkeit ist nicht das Ausschlaggebende, eher die Unwissenheit. Wenn jemand nie mit den Naturgewalten konfrontiert wurde, schaut alles harmlos aus. Denn: Kenne ich eine Gefahr nicht, braucht es keinen Mut in ein Gebiet hinzugehen. Wenn ich nicht weiß, wie gefährlich ein Gletscher sein kann, weil die unsichtbaren, zugedeckten Gletscherspalten überall sein können, dann braucht es keine Überwindung über so ein flaches Schneefeld zu gehen.
Sie sind oft unterwegs, um in Dia-Vorträgen Menschen die Welt der Berge nahezubringen. Was möchten Sie zum Aspekt Sicherheit unbedingt weitergeben?
Kammerlander: Das ist leicht zu beantworten: Ich zeige den Leuten Touren und Expeditionen, bei denen ich ganz knapp vor dem Gipfel umgedreht habe, weil mir etwas nicht passte. Ein Beispiel: Am K2 habe ich 160 Meter vor dem Gipfel umgedreht. Es war zehn Uhr morgens, ein wunderschöner Sonnentag, doch mir war das letzte Stück zu stark durch Lawinen gefährdet. Natürlich sind das Entscheidungen, die schwer fallen. Schießlich hatte ich viel Zeit investiert und die Gefahr von einem Wetterumschwung war nicht gebeben. Dann trotzdem abzubrechen ist nicht leicht. Dennoch sage ich den Leuten ganz deutlich: ‘Ich freue mich , dass ich es gelernt habe umzudrehen, auch wenn das Ziel noch so nah ist’.
War das schwierig zu lernen?
Kammerlander: Das war schwer. In jungen Jahren war ich stark gipfelorientiert, umdrehen hätte ich irgendwie als Niederlage empfunden, das sehe ich jetzt ganz anders.
Woraus resultiert diese veränderte Sichtweise?
Kammerlander: Das hat sich dadurch ergeben, weil ich die Gefahren zwischenzeitlich besser kenne. Ich weiß, wenn ich jetzt weiter gehe, könnte es sich vielleicht so entwickeln, wie ich es an anderen Orten erlebt habe und drehe um. Und wenn ich umdrehe, dann weiß ich ja ganz genau, dass ich wiederkommen werde. Das ist kein Scheitern, das Ziel bleibt klar vor Augen. Nur dieses Mal ist es eben ein Teilstück gewesen, in dem ich mir Erfahrung geholt habe.
22. Juli 2001 – Ihnen glückte die Besteigung des 8611 Meter hohen K2. Einige Anläufe waren vorausgegangen.
Kammerlander: Alles in allem hatte ich fünf Anläufe, allerdings bin ich bei zwei Anläufen gar nicht bis zum Berg gelangt. Einmal bin ich über eine bürokratische Hürde gestolpert, das zweite Mal habe ich mir an einem Vorbereitungsberg den Fuß verstaucht. Dann kamen zwei Versuche am K2 und erst der dritte Versuch am Berg ist gelungen.
Wie war das, die eigenen Grenzen zu erfahren?
Kammerlander: Ich gehe entspannt zurück und ziehe das Positive heraus: Ein intensives Erlebnis an der Seite von ein paar netten Freunden. Wenn ich den Gipfel nicht erreiche, weil ich aufgrund eines Lawinenhanges umgedreht habe, sehe ich das nicht als mein persönliches Scheitern, ich habe mich dann eben nur der Natur angepasst. Ich bin nicht zurückgegangen, weil ich das konditionell nicht mehr geschafft habe, oder weil ich taktische Fehler gemacht habe. Deshalb kann ich damit gut umgehen.
Respekt und Angst vor dem Berg gehen manchmal ineinander über. Haben Sie ein Erlebnis, bei dem es für Sie selbst schon einmal knapp wurde?
Kammerlander: Ja, solche Erlebnisse habe ich viele gehabt. Ich habe auch leider Gottes schon den Großteil meiner engsten Kletterpartner am Berg verloren.
Was geht einem in solchen Momenten durch den Kopf?
Kammerlander: Da werden einem die Tatsachen hart ins Gesicht geschleudert. Die einzige Möglichkeit so etwas zu verarbeiten ist weiterzugehen. Nicht den Kopf in den Sand stecken und das Handtuch schmeißen, sondern weitergehen.
Macht die Geburt Ihrer Tochter einen Unterschied hinsichtlich Ihrer Risikobereitschaft?
Kammerlander: Ich habe noch keine größeren Touren seit ihrer Geburt unternommen. Ich habe mir im Frühsommer 2008 den Zeh gebrochen, so ging die Hauptzeit des Trainings verloren. 2009 möchte ich dann aber wieder richtig los, weil es meine Leidenschaft ist. Ich weiß nicht, ob das dann eine Rolle spielt, das kann ich jetzt noch nicht beurteilen. Ich glaube aber eher nicht. Wenn ich am Berg beginne, kann ich abschalten, dann zählen für mich nur noch die Wand vor mir und deren genaue Einschätzung. Auf diese Weise konzentriere ich mich. Ich vertraue meinen Fähigkeiten. Natürlich ist die Spannung immer da, aber ich darf keine Angst haben, vorher dreh ich um.
Eines Ihrer Bücher trägt den Titel „Bergsüchtig“ – Ist diese Sucht heilbar?
Kammerlander: Ich glaube nicht, diese Sucht ist ganz natürlich. Mein großer Traum wäre es weiterzumachen und beim Nachlassen der Kräfte leichtere Berge zu begehen. In umgekehrter Reihenfolge so wie ich nach oben gestiegen bin. Womöglich bin ich dann in zwanzig Jahren wieder an meinem Hausberg in Südtirol angelangt, an dem ich mit acht Jahren aus purer Neugierde begonnen habe. Dann würde sich ein schöner Kreis schließen
Treffen Sie auch auf Unverständnis bei den Leuten? Nach dem Motto „Was die da machen, das ist ja Irrsinn…“?
Kammerlander: Ja, durchaus. Ich verstehe das auch. Wenn jemand mit dem Bergsteigen nichts zu tun hat, ist es für denjenigen nicht verständlich, warum man sich beispielsweise der extremen Kälte aussetzt. Wenn jemand das aber auch mal gemacht hat, auch nur in kleinem Rahmen, kann er das nachvollziehen. Denn es gibt immer wieder Momente, die so stark sind, dass man sie nicht vergisst. Beispielsweise das Erlebnis eine schwierige Kletterstelle überwunden zu haben. Für dieses Gefühl lohnt es sich, die Strapazen in Kauf zu nehmen. Man ist nach den Expeditionen ein viel zufriedenerer Mensch.
Welche Tipps haben Sie für „Büromenschen“, die im Urlaub in die Berge gehen möchten?
Kammerlander: Es ist sicher gut, wenn man sich das Jahr über fit hält. Eine gute Vorbereitung sind Rad fahren oder noch besser Lauftraining. Letzteres hat Ähnlichkeiten mit den Bewegungen, die man am Berg macht.
Der Berg gehört Dir erst, wenn Du wieder im Tal bist, vorher gehörst Du ihm. Tatsächlich oder übervorsichtig?
Kammerlander: Das ist sicher so. Viele sind am Gipfel angekommen, oftmals schreiben sie sogar „mit letzten Kräften“. Das ist Blödsinn, denn da muss man sich doch fragen, warum hat derjenige die Zeilen überhaupt noch schreiben können? Der Gipfel ist in vielen Fällen erst die Hälfte des Weges. Nach dem Aufstieg kommt der Abstieg, bei dem die ganz große Motivation fehlt. Die Tour ist aber nicht am Gipfel zu Ende, deshalb den Abstieg nie aus den Augen lassen.
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