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Wo ist zu Hause?

Lexikon der Unfallversicherung: Trennung öffentlicher Verkehrsraum und häuslicher Wirkungskreis
Wo ist zu Hause?

Rutschen Sie auf der Treppe aus und brechen sich das Bein, dann ist das kein Wege­un­fall, auch wenn Sie auf dem Weg zur Arbeit waren. Denn das Trep­pen­haus gilt noch als häus­lich­er, und deshalb unver­sichert­er, Bere­ich, auch wenn es sich um ein Mehrfam­i­lien­haus handelt.

Antje Did­laukat

Ger­ade bei Wegen zur oder von der Arbeit nach Hause wirft die Bes­tim­mung des Gren­zpunk­tes für den Beginn beziehungsweise das Ende des Ver­sicherungss­chutzes in Abgren­zung zum unver­sicherten pri­vat­en Lebens­bere­ich beson­dere Schwierigkeit­en auf. Seit sein­er grundle­gen­den Entschei­dung vom 13. März 1956 sieht das Bun­dessozial­gericht Wege in dem vom Ver­sicherten bewohn­ten Haus als nicht vom Ver­sicherungss­chutz mitum­fasst an. Dies gilt sog­ar – wie in dieser Entschei­dung näher aus­ge­führt ist – in städtis­chen Mehrfam­i­lien­häusern, weil auch deren Trep­pen­haus kein öffentlich­er Raum ist, dieses dem jew­eili­gen Ver­sicherten bess­er als anderen Per­so­n­en bekan­nt ist und er für diese „Gefahren­quelle“ mitver­ant­wortlich ist.
Wo die Gren­ze zwis­chen dem ver­sicherten öffentlichen Verkehrsraum und dem unver­sicherten häus­lichen Wirkungskreis gezo­gen wird, ist Gegen­stand des fol­gen­den Beitrags sein.
Welche Grund­sätze gelten?
Arbeit­nehmer ste­hen grund­sät­zlich auf dem mit der ver­sicherten Tätigkeit zusam­men­hän­gen­den unmit­tel­baren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit unter Ver­sicherungss­chutz. Der Ver­sicherungss­chutz begin­nt dabei mit dem Ver­lassen des häus­lichen Wirkungskreis­es, das heißt, mit dem Ver­lassen des vom Ver­sicherten bewohn­ten Gebäudes. Der häus­liche Wirkungskreis wird mit dem Durch­schre­it­en der Außen­tür des Gebäudes ver­lassen. Wege in einem vom Ver­sicherten bewohn­ten Haus ste­hen grund­sät­zlich nicht unter Ver­sicherungss­chutz. Aus Grün­den der Rechtssicher­heit wird eine klare Gren­ze zwis­chen öffentlichem Verkehrsraum und unver­sichertem häus­lichem Bere­ich durch die Recht­sprechung gezo­gen. Wurde die Außen­tür durch­schrit­ten, beste­ht Ver­sicherungss­chutz unab­hängig davon, ob der Unfall durch auf dem eige­nen Grund­stück beson­dere Gefahren­quellen, zum Beispiel einen freilaufend­en Hund oder eine Stolper­stelle, verur­sacht wurde. Die Beson­der­heit­en des Einzelfalls wer­den also hier­bei nicht berücksichtigt.
Not­falls auch durchs Fenster
Außen­tür ist übri­gens nicht nur die Haustür, durch die gewöhn­lich das Wohnge­bäude ver­lassen oder betreten wird, son­dern jede Außen­tür, durch die der häus­liche Bere­ich ver­lassen wer­den kann. Kann das Wohn­haus nicht auf nor­malen Weg ver­lassen oder betreten wer­den, zum Beispiel wegen eines defek­ten Türschloss­es oder Eingeschlossen­sein in der Woh­nung, ist der Gren­zpunkt daher das Äußere des Gebäudes. Der Ver­sicherungss­chutz begin­nt beispiel­sweise mit dem Her­aus­treten aus einem Fen­ster auf eine Leiter.
Auch für Trep­pen­häuser in Mehrfam­i­lien­häusern gilt der oben beschriebene Grund­satz. Auch hier beste­ht im Trep­pen­haus noch kein Ver­sicherungss­chutz – weil es kein öffentlich­er Raum ist.
Wer auf dem Weg zur Arbeit beim Durch­schre­it­en der Außen­tür verunglückt, ste­ht unter dem Schutz der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung. Auch wenn der Sturz zwar im häus­lichen Bere­ich begonnen hat, der Ver­sicherte sich aber erst beim Auf­prall vor der Haustür ver­let­zt, hat sich der Unfall schon auf dem Weg zum Ort der Tätigkeit ereignet und ist damit versichert.
Beson­der­heit­en für Garagen
Bei dem Weg zu Unter­stellmöglichkeit­en von Fahrzeu­gen jed­er Art (Garage, Schup­pen), die für den Weg zur Arbeit genutzt wer­den, wird danach dif­feren­ziert, ob sie eine bauliche Ein­heit mit dem Wohn­haus bilden und von diesem aus direkt betreten wer­den kön­nen oder nicht.
Die Garage gehört noch zum häus­lichen Wirkungskreis, das heißt, unver­sicherten Bere­ich, wenn die Garage eine bauliche Ein­heit mit dem Wohnge­bäude bildet und auch vom Gebäudein­neren betreten wer­den kann. Gelangt der Ver­sicherte vom Gebäudein­neren in die Garage ist das Gara­gen­tor die Außen­tür, mit deren Durch­queren erst der Ver­sicherungss­chutz begin­nt. Ver­lässt der Ver­sicherte zunächst das Gebäude durch die Außen­tür und beg­ibt sich dann wieder in die Garage, um das Fahrzeug her­ausz­u­fahren, begin­nt der Ver­sicherungss­chutz zunächst mit dem Durch­schre­it­en der Außen­tür des Gebäudes und endet wieder am Gara­genein­gang. Mit dem Betreten der Garage beg­ibt er sich wieder in den unver­sicherten, da häus­lichen Bere­ich. Ver­sicherungss­chutz beste­ht dann erst wieder beim Ver­lassen der Garage.
Bildet die Garage zwar eine bauliche Ein­heit mit dem Wohn­haus, kann aber nur von außen betreten wer­den, sind der Weg zwis­chen Haustür und Garage und sog­ar der Aufen­thalt in der Garage schon ver­sichert. Die Garage gehört man­gels Zutrittsmöglichkeit vom Haus aus nicht mehr zum häus­lichen Wirkungskreis.
Diese Grund­sätze gel­ten auch dann, wenn die Garage keine bauliche Ein­heit mit dem Gebäude bildet.
Beispiel:
In der Tief­garage ihres Haus­es stürzte A, die zur Arbeit fahren wollte und ver­let­zte sich. Die Tief­garage wurde von den Bewohn­ern dreier Mehrfam­i­lien­häuser genutzt und war unmit­tel­bar vom Keller des jew­eili­gen Gebäudes aus zugänglich. Das Lan­dessozial­gericht Nor­drhein-West­falen lehnte den Ver­sicherungss­chutz ab, da die Tief­garage mit den drei Mehrfam­i­lien­häusern eine bauliche Ein­heit bildet und damit kein öffentlich­er Raum ist (Urteil des Lan­dessozial­gerichts Nor­drhein-West­falen vom 3. Feb­ru­ar 2009, Az. L 15 U 93/08).
Beson­der­heit­en bei Tele-/Heimar­beit­splätzen
Für die Wege von der Woh­nung zur Arbeit gel­ten die all­ge­meinen Grund­sätze. Ver­sichert ist auch das Zurück­le­gen des mit der ver­sicherten Tätigkeit zusam­men­hän­gen­den unmit­tel­baren Weges von und zum Ort der Tätigkeit. Die Wege von der Woh­nung zur Betrieb­sstätte und zurück sind ver­sichert, wenn der Beschäftigte beispiel­sweise die Fir­ma auf­suchen muss, um an Kon­feren­zen teilzunehmen oder Arbeit­sergeb­nisse abliefert. Die Grund­sätze des Bun­dessozial­gerichts zur Abgren­zung des häus­lichen vom ver­sicherten Bere­ich find­en auch in diesem Zusam­men­hang Anwen­dung. Der Ver­sicherungss­chutz begin­nt beziehungsweise endet auch hier mit dem Durch­schre­it­en der Außen­tür des Gebäudes. Der Weg begin­nt eben nicht schon beim Durch­schre­it­en der Tür des Arbeit­sz­im­mers. Ein Unfall, der sich im Flur des Wohn­haus­es ereignen würde, wäre also noch dem pri­vat­en und damit unver­sicherten Bere­ich zuzurechnen.
Beispiel:
Das Bun­dessozial­gericht verneinte den Ver­sicherungss­chutz für einen Außen­di­en­st­mi­tar­beit­er, der seinen häus­lichen Arbeit­splatz ver­ließ, um einen Kun­den aufzusuchen. Er war im Trep­pen­haus des Mehrfam­i­lien­haus­es gestürzt und hat­te sich ver­let­zt. Gele­gentliche Besuche von Kun­den sah das Gericht als nicht aus­re­ichend für eine den Zweck­en des Unternehmens dienende Nutzung der Treppe (12. Dezem­ber 2006, Az. B 2 U 1/06 R).
Anson­sten beschränkt sich bei der Telear­beit der Ver­sicherungss­chutz auf die Bere­iche des Haus­es, die rechtlich wesentlich der Ausübung der ver­sicherten Tätigkeit dienen. Wesentlich heißt in diesem Fall: eine ständi­ge und nicht nur gele­gentliche Nutzung des Ortes für betriebliche Zwecke. Welche Tätigkeit­en davon genau umfasst sind, ergibt sich in der Regel aus dem Arbeitsver­trag. Wer also am Telear­beit­splatz über ein Druck­erk­a­bel stolpert ist in der gle­ichen Weise in den Ver­sicherungss­chutz der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung ein­be­zo­gen, wie der Kol­lege, der im Gebäude des Arbeit­ge­bers in die Stolper­falle tappt.
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