Die Einführung der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) jährte sich in 2012 zum zehnten Mal. Weil Doppelregulierungen durch den Staat und die Unfallversicherungsträger zukünftig vermieden werden sollten, wurden seit ihrer Einführung viele Unfallverhütungsvorschriften zurückgezogen. Also alles gut, weil angeblich „lean“?
Andere Unfallverhütungsvorschriften (UVV), zu denen auch die (UVV) BGV-/GUV‑V A3 „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ zählt, stehen auf der Kippe.
- Doch warum konnte gerade diese Vorschrift bisher noch nicht zurückgezogen werden?
- Worin bestehen Gemeinsamkeiten mit der BetrSichV und was ist anders?
- Was muss man tun, um momentan den Anforderungen beider Vorschriften zu genügen bzw. was kann oder muss man ändern?
- Und letztendlich: Welche Chancen und welche Risiken ergeben sich durch die Deregulierung speziell in Bezug auf die Elektrotechnik?
Diesen Fragen widmet sich der nachfolgende Artikel, wobei im ersten Teil vorrangig die Vorschriften gegenübergestellt und erläutert werden. Der Themenschwerpunkt des zweiten Teils wird die Umsetzung der Vorschriften insbesondere in Bezug auf die Prüfung von Arbeitsmitteln sein.
Nach dem Inkrafttreten …
Nach dem Inkrafttreten der Betriebssicherheitsverordnung wurde die bis dahin geltende Grundsatz-Unfallverhütungsvorschrift BGV- / GUV‑V A1 „Allgemeine Vorschriften“ durch die auf die neuen Verhältnisse angepasste Vorschrift BGV- / GUV‑V A1 „Grundsätze der Prävention“ ersetzt (im folgenden wird im Interesse der besseren Lesbarkeit nur die allgemein bekanntere Bezeichnung „BGV“ für „berufsgenossenschaftliche Vorschrift“ verwendet. Die für die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand geltenden Vorschriften mit der Bezeichnung GUV‑V gelten analog). Die Anpassung der BGV A1 war notwendig, da die Betriebssicherheitsverordnung beispielsweise ebenfalls Beschaffenheitsanforderungen enthält oder die Durchführung von Prüfungen regelt. Andere Unfallverhütungsvorschriften, wie etwa die VBG 14 „Hebebühnen“, wurden aus den gleichen Gründen zurückgezogen und mit anderen UVV’en zusammengefasst in der Regel BGR- 500 „Betreiben von Arbeitsmittel“ und neu aufgelegt. Durch dieses Vorgehen nahmen die Unfallversicherungsträger zwar eine gewisse Abstufung ihrer ehemaligen Unfallverhütungsvorschriften in Kauf, jedoch bot sich hierdurch die Chance, die bisher in den Vorschriften enthaltenen konkreten Informationen als anerkannte Regeln der Technik zu bewahren, auf die im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung weiterhin zurückgegriffen werden kann.
Ebenfalls kurz nach dem Inkrafttreten der Betriebssicherheitsverordnung erschienen die ersten „Technischen Regeln für Betriebssicherheit“ (TRBS), welche – ähnlich wie die Durchführungsanweisungen der Unfallverhütungsvorschriften – die Betriebssicherheitsverordnung erläutern und konkretisieren sollen. Diese werden regelmäßig aktualisiert und sind z. B. auf der Webseite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) (www.baua.de/de/Themen-von-A‑Z/Anlagen-und-Betriebssicherheit/TRBS/TRBS.html) in aktueller Form abrufbar. Da sich jedoch im Zusammenhang mit der Auslegung der Betriebssicherheitsverordnung immer noch viele Fragen ergaben (und auch noch weiterhin ergeben), wurde durch den „Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik“ (LASI) mit den „Leitlinien zur Betriebssicherheitsverordnung“ ein Positionspapier geschaffen, welches Antworten auf dort gestellte Fragen gibt (Quelle: http://lasi.osha.de/de/gfx/publications/LV35_info.htm; Aktualisierungen: http://lasi.osha.de/de/gfx/publications/aktualisierung_leitlinien.php).
Während in Unfallverhütungsvorschriften nach wie vor explizit auf bestimmte Normen (insbesondere des DIN oder VDE) verwiesen wird, sind weder in der Betriebssicherheitsverordnung noch in den Technischen Regeln für Betriebssicherheit vergleichbar konkrete Verweise auf Regelungen privatrechtlicher Institutionen enthalten.
Normen können zwar selbstverständlich weiterhin als Erkenntnisquellen zum Stand der Technik im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung herangezogen werden, doch können nun auch andere, gleichwertige Lösungen angewendet werden.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen BetrSichV und UVV
Gemeinsamkeiten zwischen der Betriebssicherheitsverordnung und den Unfallverhütungsvorschriften bestehen zunächst einmal hinsichtlich der Adressaten, auch wenn unterschiedliche Begriffe verwendet werden. Angesprochen ist im Wesentlichen der „Arbeitgeber“ (bzw. „Unternehmer“ nach UVV) sowie die nachgeordneten Führungskräfte im Rahmen ihrer Aufgaben und Verantwortlichkeiten.
Als zentrale Aufgaben haben diese Personen
- die Belange des Arbeits- und Gesundheitsschutzes bei der Organisation des Unternehmens und bei der Aufgabenübertragung zu berücksichtigen sowie
- Gefährdungen und Belastungen, denen die Beschäftigten ausgesetzt sein können, zu ermitteln, zu bewerten und Maßnahmen zu deren Vermeidung bzw. Reduzierung zu ergreifen.
In diesen allgemeinen Anforderungen unterscheiden sich die Betriebssicherheitsverordnung und die Unfallverhütungsvorschrift BGV-A1 nicht wesentlich voneinander.
Unterschiede bestehen jedoch in ihrem Anwendungsbereich: Die Betriebssicherheitsverordnung, deren vollständiger Titel „Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Bereitstellung von Arbeitsmitteln und deren Benutzung bei der Arbeit, über Sicherheit beim Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen und über die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes“ lautet, gilt eben vornehmlich für die Bereitstellung und Benutzung von Arbeitsmitteln, während die Unfallverhütungsvorschrift BGV A1 auch darüber hinausgehende Regelungen, wie zum Beispiel zur Organisation der Ersten Hilfe, der sicherheitstechnischen und arbeitsmedizinischen Betreuung sowie zur Anzahl der Sicherheitsbeauftragten enthält.
Gegenüberstellung der BetrSichV und der BGV A3
Aus den Vorschriftentiteln und Anwendungsbereichen lässt sich ebenfalls ableiten, warum die Unfallverhütungsvorschrift BGV A3 bisher noch nicht zurückgezogen werden konnte, denn sie gilt sowohl für elektrische Anlagen als auch für elektrische Betriebsmittel. Der letztgenannte Begriff kann zwar mit den (elektrischen) Arbeitsmitteln im Sinne der Betriebssicherheitsverordnung gleichgesetzt werden, der Begriff „elektrische Anlagen“ bezieht sich jedoch vorrangig auf die elektrische Ausstattung von Gebäuden, die (mit Ausnahme von z. B. Aufzügen oder Anlagen in explosionsgefährdeten Bereichen als „überwachungsbedürftige Anlagen“) nicht in den Anwendungsbereich der Betriebssicherheitsverordnung fallen (vgl. Frage/Antwort A 2.1 der Leitlinien zur Betriebssicherheitsverordnung LV 35 im Kasten
Hieraus folgt, dass die Betriebssicherheitsverordnung die Unfallverhütungsvorschrift BGV-A3 nur zum Teil abdeckt und dass letztere deswegen noch nicht zurückgezogen werden kann.
Dieser grundsätzliche Unterschied im Anwendungsbereich führt auch zu unterschiedlichen Aufgaben von befähigten Personen und Elektrofachkräften: In § 10 der Betriebssicherheitsverordnung wird der Begriff „befähigte Person“ nur im Zusammenhang mit der Prüfung solcher Arbeitsmittel verwendet, deren Sicherheit von den Montagebedingungen abhängig ist, die Schäden verursachenden Einflüssen unterliegen bzw. die außergewöhnlichen Ereignissen ausgesetzt waren oder an denen Änderungs- und Instandsetzungsarbeiten durchgeführt wurden. Kurz gefasst ist eine befähigte Person also ein Prüfer solcher Arbeitsmittel.
Sofern die elektrische Sicherheit von Arbeitsmitteln überprüft werden muss, ist für diese Prüftätigkeit unzweifelhaft eine befähigte Person mit elektrotechnischer Berufsausbildung vorzusehen. Sind hingegen nur rein mechanische Arbeitsmittel zu prüfen, sind entsprechend andere Anforderungen an die Qualifikation der befähigten Person zu stellen. Im Falle von komplexen Arbeitsmitteln mit sowohl elektrischen als auch mechanischen sicherheitsrelevanten Komponenten (wie z.B. Kräne) ist die Prüfaufgabe dann ggf. auf mehrere befähigte Personen unterschiedlicher Fachrichtungen zu übertragen.
Nicht unter § 10 fallende Arbeitsmittel können gegebenenfalls durch „unterwiesene Personen“ geprüft werden, wenn
- vom Prüfgegenstand ausgehende Gefährdungen ohne oder mit einfachen Hilfsmitteln offensichtlich feststellbar sind
- der Sollzustand jeder unterwiesenen Person einfach vermittelbar ist
- der Istzustand für jede unterwiesene Person leicht erkennbar ist
- der Prüfumfang nur wenige Prüfschritte umfasst und
- die Abweichung zwischen Ist- und Sollzustand durch unterwiesene Personen einfach bewertbar ist.
Ob dies zutrifft, ist gemäß § 3 Abs. 3 BetrSichV im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung zu überprüfen: „Für Arbeitsmittel sind insbesondere Art, Umfang und Fristen erforderlicher Prüfungen zu ermitteln. Ferner hat der Arbeitgeber die notwendigen Voraussetzungen zu ermitteln und festzulegen, welche die Personen erfüllen müssen, die von ihm mit der Prüfung oder Erprobung von Arbeitsmitteln zu beauftragen sind.“
Da die Sicherheit ortsveränderlicher elektrischer Arbeitsmittel in der Regel nicht von den Montagebedingungen abhängig ist und – eine bestimmungsgemäße Verwendung vorausgesetzt– bei ihrer Verwendung weder besondere Schäden verursachende Einflüsse noch außergewöhnliche Ereignisse zu erwarten sind, war für einige Zeit nicht eindeutig bestimmt, ob solche Arbeitsmittel allein durch befähigte Personen zu prüfen sind oder ob auch unterwiesene Personen die Prüfungen durchführen können. Immerhin ermöglichte bisher die UVV BGV A3 sogar die eigenverantwortliche Durchführung elektrotechnischer Prüfungen durch „elektrotechnisch unterwiesene Personen“ (euP) unter Verwendung geeigneter Prüfgeräte.
Mit dem Erscheinen der TRBS 1201* wurde diese Frage jedoch beantwortet, da in Abschnitt 3.5.2 die Prüfung elektrischer Arbeitsmittel den Prüfungen durch befähigte Personen zugeordnet wurde. Eine befähigte Person für die Prüfung elektrischer Arbeitsmittel muss demnach mindestens über
- eine elektrotechnische Berufsausbildung , ein abgeschlossenes Studium der Elektrotechnik oder eine andere für die vorgesehenen Prüfaufgaben ausreichende elektrotechnische Qualifikation,
- eine mindestens einjährige Erfahrung mit der Errichtung, dem Zusammenbau oder der
- Instandhaltung von elektrischen Arbeitsmitteln oder Anlagen sowie
- eine zeitnahe berufliche Tätigkeit
verfügen.
Ihre Kenntnisse der Elektrotechnik hat die befähigte Person z. B. durch die Teilnahme an Schulungen oder an einem einschlägigen Erfahrungsaustausch zu aktualisieren.
Die nach Unfallverhütungsvorschrift BGV-A3 ermöglichte Prüfung elektrischer Betriebsmittel durch elektrotechnisch unterwiesenen Personen wird weder in der Betriebssicherheitsverordnung noch in der TRBS 1201 erwähnt. Insofern bestand über eine längere Zeit ebenfalls Unsicherheit darüber, ob elektrotechnisch unterwiesene Personen noch bei der Durchführung elektrotechnischer Prüfungen eingesetzt werden können.
Diese Frage wurde durch einen Beitrag in den Aktualisierungen der LASI-Leitlinien LV 35 zur Betriebssicherheitsverordnung beantwortet (siehe Kasten).
Die dort enthaltenen Aussagen sind im Vergleich zur Unfallverhütungsvorschrift BGV-A3 nichts neues, denn auch die Unfallverhütungsvorschrift verlangte bereits die Übernahme der Fach- und Führungsverantwortung für den sicheren und sachgerechten Einsatz elektrotechnisch unterwiesener Personen durch eine mit der Leitungs- und Aufsichtsführung beauftragte Elektrofachkraft. Neu ist jedoch, dass das bisher auf Grundlage der Durchführungsanweisungen zu § 5 Abs. 1. Nr. 2 der UVV BGV-A3 mögliche „eigenverantwortliche Prüfen durch elektrotechnisch unterwiesene Personen“ nun nicht mehr angewendet werden kann. Verantwortlich für die ordnungsgemäße Durchführung der Prüfungen und die Bewertung der Ergebnisse ist nun eindeutig die befähigte Person.
Anforderungen an die Prüfdokumentation
In diesem Zusammenhang ist eine weitere durch die Betriebssicherheitsverordnung hervorgerufene Neuerung zu nennen: Die Prüfergebnisse von Arbeitsmitteln, welche durch befähigte Personen zu prüfen sind, unterliegen nun der Aufzeichnungspflicht. Werden solche Arbeitsmittel außerhalb des Unternehmens verwendet, muss ihnen sogar ein Nachweis der letzten Prüfung mitgegeben werden. Vorher war gemäß § 5 Abs. 3 der UVV BGV A3 lediglich auf Verlangen des Unfallversicherungsträgers ein Prüfbuch mit bestimmten Eintragungen zu führen.
Die Form der Aufzeichnungen ist zwar nicht festgelegt, jedoch sind sie nach Art und Umfang der Prüfungen angemessen zu gestalten. Das bedeutet, dass für einfach zu prüfende Arbeitsmittel nach wie vor sicherlich ein Prüfnachweis in Form einer Plakette ausreicht, für komplexere Arbeitsmittel jedoch ggf. eher ein Prüfprotokoll mit Messwerten als angemessen anzusehen ist.
Hieraus kann sich für die prüfende Person ggf. ein Dilemma ergeben: Gemäß Abschnitt 4.2.2 der TRBS 1201 legt der Arbeitgeber fest, dass und wie das Ergebnis der Prüfung durch die befähigte Person aufgezeichnet wird. Insbesondere bei der Prüfung ortsveränderlicher elektrischer Arbeitsmittel ergibt sich jedoch schnell ein sehr hoher Dokumentationsaufwand, wenn für jedes geprüfte Gerät ein (zuzuordnendes) Prüfprotokoll erstellt werden soll. Arbeitgeber werden also ein Interesse daran haben, das Potenzial zur Zeit- und Kostenersparnis bei der Dokumentation zu nutzen.
Die für die ordnungsgemäße Durchführung der Prüfungen verantwortliche befähigte Person wird demgegenüber jedoch dokumentieren wollen, dass ihre Ergebnisse und Entscheidungen richtig waren. Insofern müssen sich beide Seiten darüber einigen, in welcher Form die Prüfungen dokumentiert werden sollen.
Bewährt hat sich eine Kombination von Prüfprotokoll und Plakette: Der verantwortliche Prüfer kann durch das Prüfprotokoll auch später noch auf alle relevanten Daten zugreifen und seine Entscheidungen begründen, die Nutzer erhalten jedoch durch die ebenfalls vergebene Plakette die Information, dass ihr Arbeitsmittel geprüft und für in Ordnung befunden wurde. Werden Arbeitsmittel außerhalb des Betriebsgeländes genutzt, kann durch angebrachte Prüfplaketten zudem die Forderung der BetrSichV nach einem Prüfnachweis vor Ort erfüllt werden.
Da die Betriebssicherheitsverordnung nun höhere Anforderungen an die Qualifikation des Prüfpersonals stellt, ist es durchaus fraglich, ob die in manchen Unternehmen eingesetzten „Elektrofachkräfte für festgelegte Tätigkeiten“ die an eine befähigte Person gestellten Anforderungen erfüllen. Dieses auf den Durchführungsanweisungen zu § 2 Abs. 3 der UVV BGV-A3 beruhende Qualifikationsprofil wurde geschaffen, damit bestimmte gleichartige und sich wiederholende elektrotechnische Arbeiten, wie z. B. das Anklemmen eines Elektroherdes oder eines Durchlauferhitzers, auch von Fachkräften fremder Gewerke mit einer entsprechenden Zusatzqualifizierung in eigener fachlicher Verantwortung durchgeführt werden können. Allerdings „verselbstständigte“ sich dieses Qualifikationsprofil im Laufe der Zeit immer mehr und wird inzwischen relativ häufig auf breit gefächerte Aufgaben angewendet, ohne dass die hierfür notwendige Ausbildung und Erfahrung gegeben ist. Im Zweifelsfalle ist also nachzuweisen, ob eine solchermaßen ausgebildete Person tatsächlich über die geforderten Qualifikationen verfügt.
Tätigkeitsprofile von befähigten Personen und Elektrofachkräften
Während in der Betriebssicherheitsverordnung der Begriff „befähigte Person“ in erster Linie im Zusammenhang mit der Prüfung von Arbeitsmitteln nach § 10 sowie in §§ 14 und 15 auch in Bezug auf die Prüfung überwachungsbedürftiger Anlagen verwendet wird, umfasst der Begriff „Elektrofachkraft“ ein sehr viel größeres Spektrum, da diese gemäß § 3 Abs. 1 der UVV BGV-A3 nicht nur elektrische Anlagen und Betriebsmittel prüfen kann, sondern an diesen auch andere Arbeiten, wie errichten, ändern und in standhalten durchführen kann.
Unter Bezugnahme der elektrotechnischen Regeln (hier insbesondere DIN-VDE 0105–100) sind Elektrofachkräfte auch für den Betrieb elektrischer Anlagen vorzusehen. Im Falle der Errichtung, Änderung und Instandhaltung elektrischer Anlagen im Bereich des öffentlichen Stromnetzes sind Arbeiten sogar unter der fachlichen Leitung einer „verantwortlichen Elektrofachkraft“ durchzuführen, welche über die hierfür notwendige Berechtigung (Konzession) des zuständigen Energieversorgungsunternehmens verfügt.
Die grundsätzliche Beachtung der unterschiedlichen Anwendungsbereiche der jeweiligen Vorschriften ist wichtig, hat doch ein zu weit interpretierter Anwendungsbereich der Betriebssicherheitsverordnung bereits im Juli 2010 zu der überraschenden Aufhebung der TRBS 2131 „Elektrische Gefährdungen“ geführt. Diese enthielt Regelungen zu elektrischen Gefährdungen, die der jeweiligen Arbeitsumgebung (z.B. im Bereich von Bahnoberleitungen) zuzurechnen waren, obwohl sich der Geltungsbereich der BetrSichV vorrangig auf die Bereitstellung und Benutzung von Arbeitsmitteln beschränkt.
Für die Praxis bedeutet dies, dass man sich nun besondere Gedanken darüber machen muss, wen man für welche Aufgabe beauftragt: eine befähigte Person für die Prüfung (elektrischer) Arbeitsmittel oder eine Elektrofachkraft für die Prüfung elektrischer Anlagen?
Beiden Vorschriften weitestgehend gemeinsam sind jedoch ihre Qualifikationsanforderungen an elektrotechnische Prüfer: Sowohl die mit der Prüfung elektrischer Arbeitsmittel beauftragten befähigten Personen als auch Elektrofachkräfte müssen über eine elektrotechnische Berufsausbildung, über ausreichende Kenntnisse der aktuellen Vorschriften sowie über zeitnahe praktische Erfahrungen verfügen, um die zu prüfenden Arbeitsmittel beurteilen und geeignete Prüfverfahren auswählen zu können.
Somit ergibt sich die im Kasten dargestellte Gegenüberstellung hinsichtlich Aufgaben und Qualifikation von befähigter Person und Elektrofachkraft.
Falls die wahrzunehmenden Aufgaben nicht bereits aus dem Arbeitsvertrag oder der Stellenbeschreibung hervorgehen, ist sowohl die befähigte Person als auch die Elektrofachkraft auf Grundlage des § 13 der UVV BGV-A1 „Grundsätze der Prävention“ schriftlich zu bestellen. Dabei sind auch der Verantwortungsbereich sowie Befugnisse festzulegen. Gute Hilfestellungen hinsichtlich der ordnungsgemäßen Übertragung von Unternehmerpflichten liefert auch die berufsgenossenschaftliche Informationsschrift BGI 508.
Für eine ordnungsgemäße Aufgabenübertragung sollten demnach folgende Punkte berücksichtigt werden:
- die Beauftragung muss „ausdrücklich“ erfolgen (also den Wunsch des Auftraggebers zur Delegation verdeutlichen) und den übertragenen Aufgabenrahmen klar aufzeigen
- die übertragenen Pflichten werden in eigener Verantwortung des Beauftragten ausgeführt. Daraus folgt, dass auch die zur Wahrnehmung der Verantwortung notwendigen Mittel, Befugnisse und Vollmachten übertragen werden müssen.
- die Beauftragung muss im Rahmen des Sozialadäquaten liegen, also insbesondere hinsichtlich des Umfangs der Aufgaben sowie der Ausbildung, der Kenntnisse und Erfahrungen des Beauftragten angemessen („machbar“) sein
- die Beauftragung hat schriftlich zu erfolgen und ist vom Beauftragten gegenzuzeichnen.
- eine Kopie der Beauftragung ist dem Beauftragten auszuhändigen
Der in früheren Ausgaben der TRBS 1203 noch enthaltene Hinweis auf die notwendige Weisungsfreistellung befähigter Personen ist dort inzwischen zwar gestrichen worden, jedoch etwas versteckt nach wie vor unter § 2 Abs. 7 in der BetrSichV selbst enthalten. Im Falle der Unfallverhütungsvorschriften ist dieser Punkt bereits grundsätzlich durch § 13 UVV BGV A1 geregelt.
Bei der Übertragung von Unternehmerpflichten sollte weiterhin überprüft werden, ob die übertragene Aufgabe bereits von der eigenen Betriebshaftpflichtversicherung abgedeckt wird oder ob hier ggf. noch eine Anpassung vorgenommen werden muss.
Der Beitrag wird mit Teil 2 in der kommenden Ausgabe fortgesetzt. Dort werden vor allem Ansätze zur praktischen Umsetzung aufgezeigt.
Autor
Dipl.-Ing. Rainer Rottmann
Lesen Sie auch 10 Jahre Betriebssicherheitsverordnung vs. BGV- / GUV‑V A3 Teil 2 — Happy Birthday, BetrSichV! Good Bye UVV?
Unsere Webinar-Empfehlung
15.06.23 | 10:00 Uhr | Maßnahmenableitung, Wirksamkeitsüberprüfung und Fortschreibung – drei elementare Bausteine in jeder Gefährdungsbeurteilung, die mit Blick auf psychische Belastung bislang weniger Beachtung finden.
Teilen: