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Befähigung von Führungskräften

Keinen Bock auf Arbeitsschutz?
Befähigung von Führungskräften

Befähigung von Führungskräften
Foto: © Djomas - stock.adobe.com
(generiert mit KI)
Die große Mehrheit der Fachkräfte für Arbeitssicher­heit hat­te sicher­lich min­destens ein­mal den Gedanken, dass Führungskräfte in ihrem Unternehmen kein Inter­esse am Arbeitss­chutz haben. Geprägt wird diese Wahrnehmung dadurch, dass manche Führungskräfte zu viele Auf­gaben zu delegieren scheinen und die Vor­bil­drolle gegenüber den Mitar­bei­t­en­den nicht annehmen.

Diese Sichtweise entste­ht beispiel­sweise dadurch, dass Gefährdungs­beurteilun­gen nicht selb­st erstellt und als Auf­gabe lediglich der Arbeitss­chutz­abteilung gese­hen wer­den. Sel­biges gilt auch für die Durch­führung von Unter­weisun­gen oder die Erstel­lung von Betriebsanweisungen.

Je häu­figer diese Gedanken im betrieblichen All­t­ag auf­tauchen, desto wahrschein­lich­er ist es, dass eine innere Unzufrieden­heit gegenüber den Führungskräften steigt und vielle­icht sog­ar zu ein­er gewis­sen Ablehnung führt.

Ger­ade in solchen Sit­u­a­tio­nen soll­ten sich Fachkräfte für Arbeitssicher­heit zum einen darauf besin­nen, dass es nicht nur die eine Wahrnehmung der Real­ität gibt, und sich zum zweit­en auch die Frage stellen: Was habe ich getan, damit die Führungskräfte ihre rechtlichen Auf­gaben im Arbeitss­chutz auch wirk­sam umset­zen können?

Gelebte Arbeitss­chut­zor­gan­i­sa­tion

Es gibt nicht nur eine Realität

Eine wichtige Erken­nt­nis im Leben ist, dass es nicht nur eine Wahrnehmung der Real­ität gibt. Die Art und Weise, wie Men­schen die Real­ität wahrnehmen, hängt hier­bei unmit­tel­bar vom famil­iären, sozialen sowie kul­turellen Umfeld und den gesam­melten Erfahrun­gen ab.

Es kann dur­chaus sein, dass die eigene Wahrnehmung als Sicher­heitsin­ge­nieur und Fachkraft für Arbeitssicher­heit durch aktuelle Erfahrun­gen und Beschrei­bun­gen aus dem Umfeld getrübt wird.

In einem mit­tel­ständis­chen chemis­chen Unternehmen beschrieb die Fachkraft für Arbeitssicher­heit ihre Führungskräfte als weniger inter­essiert am Arbeitss­chutz. Neben den Führungskräften besaßen auch die Mitar­beit­er kein angemessenes Sicher­heits­be­wusst­sein und der Maschi­nen­park der Pro­duk­tion entsprach in vie­len Bere­ichen auch noch nicht dem Stand der Technik.

Beim genauen Blick von außen wurde allerd­ings deut­lich, dass die Sit­u­a­tion um die Führungskräfte nicht so gravierend war, wie durch die Fachkraft für Arbeitssicher­heit beschrieben wurde. Die Führungskräfte woll­ten an vie­len Stellen etwas bewirken, es scheit­erte allerd­ings an den Fähigkeit­en. Die einge­führten Maß­nah­men, wie beispiel­sweise ver­hal­tensori­en­tierte Bege­hun­gen mit dem Fokus auf Abwe­ichun­gen, wur­den von den Führungskräften man­gels Ver­ständ­nis nicht akzep­tiert und daher auch schnell nicht mehr durchgeführt.

Im Rah­men ein­er Ist-Zus­tand-Bew­er­tung fiel hier­bei auf, dass die Führungskräfte ihre Auf­gaben gar nicht richtig und effizient aus­führen kon­nten, weil die Befähi­gung dazu fehlte.

 

Einflussfaktoren auf die menschliche Wahrnehmung
Ein­flussfak­toren auf die men­schliche Wahrnehmung
Grafik: © WandelWerker

Rechtliche Betrachtung

Grund­sät­zlich besitzt die Ver­ant­wor­tung zur Bere­it­stel­lung von sicheren und gesun­den Arbeit­splätzen der Unternehmer, der diese Auf­gaben an seine Führungskräfte entsprechend delegieren kann. Die Kon­trollpflicht besitzt der Unternehmer natür­lich weiterhin.

In den meis­ten Fällen erfol­gt zumin­d­est eine schriftliche Über­tra­gung der Unternehmerpflicht­en ohne eine Gegen­wehr der Führungskräfte. In den Gesprächen wird regelmäßig spür­bar, dass die gesamte Trag­weite dieser Del­e­ga­tion vie­len Führungskräften nicht richtig bewusst ist.

Im Rah­men der Pflich­t­en­del­e­ga­tion erhal­ten Führungskräfte in den meis­ten Fällen eine Schu­lung zur rechtlichen Ver­ant­wor­tung und Haf­tung im Arbeitss­chutz – ein Klas­sik­er, der richtig durchge­führt eine wichtige Grund­lage für den Ein­satz der Führungskräfte im Arbeitss­chutz ist.

Mit der Schu­lung zur rechtlichen Ver­ant­wor­tung und Haf­tung ver­ste­hen Führungskräfte ihre Auf­gaben und auch die Fol­gen ihres Han­delns. Allerd­ings lässt sich in der betrieblichen Prax­is sehr oft eine nicht gewün­schte Reak­tion fest­stellen: Es wird noch mehr in Rich­tung der Fachkraft für Arbeitssicher­heit delegiert.

Im Grunde ist diese Reak­tion men­schlich nachvol­lziehbar, denn schließlich ken­nen die Führungskräfte jet­zt ihre Ver­ant­wor­tung und Haf­tung, jedoch wis­sen sie immer noch nicht, wie sie ihrer Rolle inhaltlich recht­skon­form und auch zeitlich effizient nachkom­men sollen.

An dieser Stelle ist es notwendig, dass die Fachkraft für Arbeitssicher­heit sach­lich und neu­tral ver­sucht, die Per­spek­tive der Führungskräfte einzunehmen. Sicher­lich mag es auch Führungskräfte geben, deren Inter­esse am Arbeitss­chutz wirk­lich ger­ing ist, allerd­ings ist dies erfahrungs­gemäß eine Minderheit.

Durch den Per­spek­tivwech­sel haben Fachkräfte für Arbeitssicher­heit die Möglichkeit, gemein­sam mit den Führungskräften an ein­er Lösung zu arbeit­en. Es gilt her­auszufind­en, was Führungskräfte wirk­lich benöti­gen, um ihre Auf­gaben zu übernehmen und als Vor­bild aktiv zu werden.

Manip­u­la­tio­nen an Maschinen-Schutzeinrichtungen

Befähigung von Führungskräften

Die Del­e­ga­tion von Auf­gaben erfol­gt seit­ens der Führungskräfte in vie­len Fällen bed­ingt durch die Sorge, etwas falsch zu machen, und den Glauben, dass die Zeit für den Arbeitss­chutz fehlt. Die Fachkraft für Arbeitssicher­heit sollte in ihrer Rolle die erforder­lichen Rah­menbe­din­gun­gen schaf­fen, damit diese Sor­gen genom­men werden.

Wenn Führungskräfte erfol­gre­ich den Arbeitss­chutz organ­isieren und Mitar­bei­t­ende dafür gewin­nen sollen, dann müssen sie selb­st­be­wusst, sich­er und wirk­sam auftreten. Diese drei Fak­toren sind allerd­ings nur möglich, wenn auch die Befähi­gung und die erforder­lichen Soft Skills vorhan­den sind.

Diesen notwendi­gen Schritt gehen lei­der nur wenige Unternehmen. Zwar gibt es diverse Schu­lun­gen und Onboard­ings zur Führung von Mitar­bei­t­en­den, für den Arbeitss­chutz fehlt jedoch oft ein geeignetes Train­ing. In eini­gen Unternehmen wird zumin­d­est ver­sucht, die Führungskräfte für den Arbeitss­chutz zu befähi­gen, in der Regel durch ein- bis dre­itägige Schulungen.

Im Grunde pos­i­tiv, führt dies am Ende jedoch nur in sel­te­nen Fällen dazu, dass sich Führungskräfte bere­it für ihre Auf­gaben fühlen. Die Wis­senschaft zeigt seit vie­len Jahren, dass der Lern- und Behal­tensprozess des Men­schen durch Wieder­hol­un­gen und das „Machen” nach­haltiger und wirk­samer ist.

 

Behaltenskurve_nach_Ebbinghaus.jpg
Behal­tenskurve nach Ebbing­haus
Grafik: © WandelWerker

Aufbau eines Schulungsprogramms

Die Befähi­gung von Führungskräften sollte über einen län­geren Zeitraum andauern. Die Erfahrung zeigt, dass ein Schu­lung­spro­gramm über rund sechs Monate mit weit­eren Reviews in einem gewis­sen zeitlichen Abstand zu einem guten Ergeb­nis führt. Es braucht hier­bei genü­gend Zeit, um das in der The­o­rie erlernte Fach­wis­sen auch in der betrieblichen Prax­is anzuwen­den, sich selb­st zu reflek­tieren, gegebe­nen­falls Änderun­gen vorzunehmen und erneut zu versuchen.

Zu Beginn ist es empfehlenswert, klar und ein­deutig die Erwartung­shal­tung des Unternehmens an die Arbeit der Führungskräfte zu kom­mu­nizieren. Weit­er­hin bedarf es oft­mals der Trans­for­ma­tion der Ein­stel­lung von Führungskräften zum Arbeitss­chutz. Ein häu­figer Vor- bzw. Ein­wand ist, dass aktuell keine Zeit für den Arbeitss­chutz vorhan­den sei. Dieser Vor- bzw. Ein­wand muss zuerst gelöst werden.

Die Erfol­gsaus­sicht­en steigen, wenn durch einen inter­nen oder exter­nen Train­er ein inter­ak­tiv­er Work­shop durchge­führt wird, bei denen die Führungskräfte selb­st zu der Erken­nt­nis kom­men, dass ein gelebter Arbeitss­chutz nicht nur Zeit kostet, son­dern am Ende auch Zeit spart und weit­ere Vorteile mit sich bringt.

In einem met­al­lver­ar­bei­t­en­den Konz­ern sagte ein­er der oper­a­tiv­en Führungskräfte zu Beginn eines Work­shops, dass er keine Zeit für Sicher­heit habe. Nach rund zwei Stun­den fol­gte die Erken­nt­nis: „Ich rauche zu viel, sagt meine Frau, und ich trinke auch zu viel Kaf­fee. Eigentlich habe ich genug Zeit für Sicherheit.“

Wenn die Ein­stel­lung zum Arbeitss­chutz eine erste Trans­for­ma­tion durch­laufen hat, entwick­elt sich bei den Führungskräften eine innere Moti­va­tion, mehr zu erfahren. An dieser Stelle müssen in einem regelmäßi­gen zeitlichen Abstand weit­ere inter­ak­tive Work­shops durchge­führt wer­den. Neben den Fähigkeit­en zur Erstel­lung von Gefährdungs­beurteilun­gen und dem Erken­nen von Risiken sollte auch auf The­men wie Bege­hun­gen und Unter­weisun­gen einge­gan­gen werden.

Melde­mor­al von Arbeits- und Beinaheunfällen

Auch die Beteili­gung und Mitwirkung von Sicher­heits­beauf­tragten sowie Mitar­bei­t­en­den sollte ver­mit­telt wer­den, weil die Führungskraft Unter­stützung bekommt und die Akzep­tanz für den Arbeitss­chutz unter den Mitar­beit­ern steigt.

Der Unter­schied zwis­chen dieser Meth­ode und den kurzen Schu­lun­gen ist, dass die Führungskräfte begleit­et wer­den und spüren, dass das Erlernte in der betrieblichen Prax­is funk­tion­iert. Wenn Führungskräfte nach jedem Work­shop das Erlernte umset­zen und Erfol­gser­leb­nisse erleben, dann führt das zu einem größeren Selb­st­be­wusst­sein sowie ein­er selb­st­sicheren und wirk­sameren Umset­zung von Auf­gaben im Arbeitsschutz.

Zusammenfassung

Die Mehrheit der Führungskräfte, die regelmäßig möglichst viele Auf­gaben zum Arbeitss­chutz an andere Per­so­n­en delegiert, man­gelt es sel­ten an Inter­esse, son­dern mehr an den notwendi­gen Fähigkeit­en. Die Schu­lung zur rechtlichen Ver­ant­wor­tung und Haf­tung im Arbeitss­chutz ist zwar eine wichtige Grund­säule, allerd­ings nicht aus­re­ichend, um die Führungskräfte in den notwendi­gen Skills zu befähigen.

Es braucht vielmehr ein Schu­lung­spro­gramm, das über mehrere Monate andauert und durch einen inter­nen oder exter­nen Train­er begleit­et wird. Mit Hil­fe dieser Begleitung kann das the­o­retis­che Wis­sen auch erfol­gre­ich in die betriebliche Prax­is gebracht werden.

Durch die neuen Fähigkeit­en und die ersten Erfolge bei der Umset­zung ändert sich die Ein­stel­lung der Führungskräfte zum Arbeitss­chutz, sie übernehmen immer mehr Ver­ant­wor­tung und die dauer­hafte Del­e­ga­tion von Auf­gaben an die Fachkraft für Arbeitssicher­heit hat ein Ende.

Quellen:

  • Ebbing­haus, Her­mann (1885): Über das Gedächt­nis. Unter­suchun­gen zur exper­i­mentellen Psy­cholo­gie. Leipzig. Dunker & Humblot
  • Ganzke, Anna; Ganzke, Ste­fan (2023): Arbeitss­chutz begin­nt im Kopf – Warum die Arbeit­sun­fälle und unsicheren Sit­u­a­tio­nen in den Unternehmen stagnieren.

 


Autor: Ste­fan Ganzke
Geschäftsführer
Wan­del­W­erk­er Con­sult­ing GmbH
 
Foto: © WandelWerker
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