Doch warum erfordert es eine neue EU-Maschinenverordnung (MVO)? Technologien entwickeln sich heute immer schneller weiter. Daher erweist es sich als unabdingbar, dass sich Richtlinien und Verordnungen ebenfalls an den Stand der Technik anpassen und mit der Zeit gehen müssen. Dies ist einer der Hauptgründe für die Überarbeitung. So sollen zukünftig im Rahmen der Maschinensicherheit auch die Bereiche Digitalisierung, Cyber Security und künstliche Intelligenz (KI) berücksichtigt werden.
Der Vorteil einer Verordnung gegenüber einer Richtlinie liegt in ihrer Verbindlichkeit. Da eine Richtlinie zunächst nicht als verpflichtend anzusehen ist, muss sie von den einzelnen Mitgliedstaaten zuerst in nationales Recht umgesetzt werden. Demgegenüber ist die EU-Maschinenverordnung nach Ablauf der 42 Monate unmittelbar für alle EU-Staaten direkt gültig und zwingend anzuwenden.
Änderungen im Überblick
Die Änderungen in der neuen EU-Maschinenverordnung betreffen nicht nur die Maschinenhersteller, sondern sämtliche Wirtschaftsakteure, die Maschinenprodukte im europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr bringen. Dazu gehören beispielsweise Händler und Importeure sowie Betreiber, die ihre Maschinen wesentlich verändern oder verketten.
Die wichtigsten Änderungen der MVO sollen im Folgenden betrachtet werden.
Redaktionelle Überarbeitungen
Die Struktur der Verordnung hat sich gewandelt. Hierbei handelt es sich zwar um eine rein redaktionelle Anpassung, die aber zur Folge hat, dass sich zum Beispiel die Reihenfolge der Anhänge verändert. Dadurch sind unter anderem Verweise und derzeit noch harmonisierte Normen nicht mehr korrekt. Der bisherige Anhang I (Grundlegende Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen) findet sich etwa demnächst in Anhang III. Anhang I umfasst dann die Inhalte des ursprünglichen Anhangs VI (Maschinen mit hohem Risikopotenzial).
Zudem wurden einige Begriffsdefinitionen überarbeitet, um ein besseres Verständnis sowie eine Vereinheitlichung zu schaffen. In der neuen EU-Maschinenverordnung wird etwa von „Maschinen und dazugehörigen Produkten“ gesprochen, was eine Abgrenzung von Maschinen an sich zu Produkten – etwa Sicherheitsbauteilen oder auswechselbaren Ausrüstungen – herstellt.
Begriffsbestimmungen (Anwendungsbereich)
Verschiedene Begriffsbestimmungen wurden in der EU-Maschinenverordnung adaptiert respektive erweitert. Eine Maschine, bei der lediglich das Aufspielen einer Software aussteht, fällt jetzt ebenso unter den Maschinenbegriff. Das führt zu einer Abgrenzung zu unvollständigen Maschinen.
Des Weiteren beinhaltet der Begriff des Sicherheitsbauteils nun auch Software, die zur Ausführung einer oder mehrerer Sicherheitsfunktionen dient und separat in Verkehr gebracht wird. Diese Software muss den Anforderungen der EU-Maschinenverordnung genügen.
Anhang I – Maschinenprodukte
Der neue Anhang I wird eine Liste von Maschinenprodukten (ehemaliger Anhang IV der Maschinenrichtlinie) enthalten. Diese Produkte sind besonders zu betrachten. Für das Konformitätsbewertungsverfahren wird zwischen Teil A und Teil B des Anhangs I unterschieden. Je nach Typ können verschiedene Wege der Konformitätsbewertung zum Ziel führen. Die Liste der Hochrisikomaschinen lässt sich durch die Kommission in Form von delegierten Rechtsakten anpassen.
Wesentliche Veränderung
Bislang ist das Thema der wesentlichen Veränderung von Maschinen in Deutschland über ein Interpretationspapier des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) geregelt worden, wenn eine vorhandene Maschine durch den Betreiber verändert wurde. Die EU-Maschinenverordnung umfasst jetzt den Begriff der „wesentlichen Veränderung“, sodass im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum ein einheitliches Vorgehen umgesetzt wird.
Werden Maschinen und zugehörige Produkte nachträglich verändert und resultiert aus dieser Modifikation ein erhöhtes Risiko, welches mit zusätzlichen Schutzmaßnahmen abzusichern ist, handelt es sich um eine wesentliche Veränderung. Maschinen, die wesentlich verändert werden, sind als neue Maschinen anzusehen. Der Betreiber der Maschine wird zum Hersteller und muss somit allen Anforderungen der EU-Maschinenverordnung gerecht werden.
Cyber Security
Die EU-Kommission zielt darauf ab, Maschinen und Produkte vor Cyber-Angriffen zu schützen. Solche Attacken können erhebliche Schäden an Maschinen hervorrufen und folglich die Sicherheit von Personen, die mit und an der Maschine arbeiten, gefährden. Daher wurden die grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen (Anhang III, Kapitel 1.1.9 – Schutz gegen Korrumpierung) angepasst respektive erweitert.
Gemäß der EU-Maschinenverordnung müssen Maschinen und Produkte so konstruiert sein, dass durch die Kommunikation über externe Wege – etwa Fernzugriffe und Datenübertragungen – keine gefährlichen Situationen entstehen können.
Digitale Betriebsanleitung und Konformitätserklärung
Die neue EU-Maschinenverordnung sieht die Möglichkeit vor, dass Betriebsanleitungen und Konformitätserklärungen zukünftig ebenfalls in digitaler Form zur Verfügung stehen. Das Bereitstellen einer Papierversion der beiden Dokumente auf Anfrage ist dennoch zwingend erforderlich. Wenn die Dokumente in digitaler Form vorliegen, muss auf dem Produkt selbst oder in den Begleitdokumenten eindeutig ersichtlich sein, wo die Dokumentation heruntergeladen werden kann.
Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass das angebotene Dateiformat auf dem Endgerät des Nutzers zu öffnen und lesbar ist. Und schließlich muss sich die aktuelle Version der Dokumentation eindeutig der entsprechenden Maschine zuordnen lassen. Ein Vorteil der digitalen Bereitstellung der Betriebsanleitung liegt in der Einsparung von Papier.
Ferner können sich in Zukunft neue Möglichkeiten der Verwendung ergeben. Denkbar wäre beispielsweise, dass sich Informationen über Störungen direkt über die Bedienoberfläche der Maschine darstellen lassen, sodass Störungen und Fehler schneller behoben werden können.
Integration der Neuerungen in die Prozesse
Abschließend bleibt festzustellen, dass sich viele aus der Maschinenrichtlinie bekannten Punkte in der EU-Maschinenverordnung wiederfinden. Jedoch führen kleine Änderungen sowie wichtige Ergänzungen in Zukunft dazu, dass sich Maschinenhersteller und teilweise auch ‑betreiber und ‑händler Konzepte überlegen müssen, wie sie zum Stichtag der Veröffentlichung mit den Neuerungen umgehen und diese in ihre Prozesse und somit ihre Maschinen integrieren können.
Functional Safety Engineer
Competence Center Services
Phoenix Contact GmbH & Co. KG, Blomberg