Manche Beschäftigte zeigen sich bei der ersten Ermahnung einsichtig, andere hingegen bleiben uneinsichtig. Dieser Artikel beschreibt mögliche arbeitsrechtliche Sanktionen, um Arbeitsschutzmaßnahmen im Betrieb sachgerecht und rechtswirksam durchzusetzen.
Nach dem Leitbild des Gesetzgebers sind in erster Linie Arbeitgeber die Adressaten von Arbeitsschutzvorschriften. Die sogenannten Grundpflichten aus § 4 des Arbeitsschutzgesetzes verlangen nicht nur, dass Arbeitgeber für eine geeignete Arbeitsschutzorganisation sorgen und die hierfür erforderlichen Mittel bereitstellen, sondern auch, dass sie Vorkehrungen treffen, damit die Arbeitsschutzmaßnahmen auf allen betrieblichen Ebenen beachtet werden.
Hierzu hat der Arbeitgeber die Beschäftigten gemäß § 12 Arbeitsschutzgesetz über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz angemessen zu unterweisen. Aber umgekehrt ist die Einhaltung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen auch eine gesetzliche Verpflichtung der Arbeitnehmenden.
Gemäß § 15 Arbeitsschutzgesetz müssen Beschäftigte nach ihren Möglichkeiten sowie gemäß der Unterweisung des Arbeitgebers für die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit Sorge tragen – und zwar nicht nur für sie selbst, sondern auch für alle Personen, die von ihren Handlungen (oder Unterlassungen) bei der Arbeit betroffen sein können.
Hierzu haben die Beschäftigten insbesondere Maschinen, Werkzeuge, Arbeitsstoffe und sonstige Arbeitsmittel sowie die ihnen zur Verfügung gestellte PSA bestimmungsgemäß zu verwenden. Die gesetzlichen Bestimmungen betreffen also beide Seiten, Arbeitgebende und Arbeitnehmende.
Aber auch aus dem Arbeitsvertrag entsteht die Pflicht, die Rechtsgüter und Interessen der jeweils anderen Vertragspartei zu wahren. So hat der Arbeitgeber eine vertragliche Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beschäftigten. Diese wiederum müssen ihre Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so erfüllen, dass sie die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers und auch die der anderen Arbeitnehmenden im Betrieb nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) wahren.
Halten Beschäftigte arbeitsschutzrechtliche Vorschriften nicht ein – zum Beispiel, indem sie Maschinen nicht gewissenhaft bedienen, gefährliche Arbeiten nicht ordnungsgemäß absichern oder ihre PSA nicht (sachgerecht) verwenden – verstoßen sie also nicht nur gegen gesetzliche, sondern auch gegen arbeitsvertragliche Pflichten. Dies wiederum löst Sanktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers aus, die aber aus Rechtsgründen stets angemessen sein müssen.
Dies setzt zunächst voraus, dass Arbeitgeber (und Vorgesetzte) selbst die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften im Betrieb ernst nehmen und als Vorbilder taugen. Lassen sie die Zügel schleifen und dulden Verstöße gegen die Arbeitssicherheit, kann eine Sanktion mangels Angemessenheit ins Leere laufen und im Streitfall vor dem Arbeitsgericht keinen Bestand haben.
Zudem besteht das Risiko für Arbeitgeber (und Vorgesetzte), bei Arbeitsunfällen selbst zu haften, zum Beispiel wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen. Das Verschulden liegt dann darin, dass der betriebliche Arbeitsschutz nicht vernünftig geregelt ist.
Daher sollte jeder Arbeitgeber ein vitales Interesse an der Einhaltung der arbeitsschutzrechtlichen Vorgaben in seinem Betrieb haben und Verstöße seiner Beschäftigten stringent ahnden. Die Mittel hierfür sind vielfältig und beginnen bei der ersten Ermahnung, setzen sich fort über Betriebs(geld)bußen oder schriftliche Abmahnungen und enden bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Wichtig für den Arbeitgeber: das jeweils rechtlich angemessene Mittel zu kennen und rechtssicher anwenden zu können.
Vorab sind zwei Dinge hervorzuheben, die schon beschriebene Vorbildfunktion der Geschäftsführung und Vorgesetzten und daneben die Empfehlung, Arbeitsschutzverstöße, die sanktioniert werden sollen, zu Beweiszwecken zu dokumentieren. Wichtig ist, dass die Unternehmensführung den Arbeitsschutz vorlebt.
Das Sprichwort: „Der Fisch stinkt vom Kopf her“ oder der bei der Einführung von Compliance-Systemen häufig verwendete Slogan „tone from the top“ verdeutlichen diese Maxime. Denn das Verhalten an der Spitze eines Unternehmens färbt grundsätzlich auf die Beschäftigten ab.
Der Wille des Arbeitgebers, Verstöße gegen Arbeitsschutzvorschriften nicht hinzunehmen, sollte im Unternehmen bekannt sein und vorgelebt werden. So wissen die Beschäftigten, mit welchen Folgen zu rechnen ist, und können sich darauf einstellen. Dazu gehören vor allem klare Sicherheitsvorschriften, ausreichende Unterweisungen, regelmäßige Kontrollen und die nachhaltige Sanktionierung von Verstößen.
Zudem sollten Arbeitgeber Verstöße, die sanktioniert werden sollen, genau dokumentieren, das heißt, den Sachverhalt mit Datum, Zeit, Ort, Art und Weise des Verstoßes sowie möglichen Zeugen erfassen. Dies ist zum einen wichtig, um bei einer streitigen Auseinandersetzung über einen Beweis zu verfügen, zum anderen kann die Dokumentation des Vorgangs auch Relevanz für die Mitteilung gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung haben, wenn durch die Pflichtverletzung ein Arbeitsunfall verursacht wurde.
Belehrendes Gespräch (Ermahnung)
Das mildeste Mittel ist das mahnende Gespräch mit dem Arbeitnehmenden. Bei kleineren, erstmaligen Verstößen sollte ihm dieser vor Augen gehalten und erklärt werden, dass ein solches Verhalten nicht gebilligt wird.
Der Beschäftigte sollte zudem nochmals in geeigneter Form unterwiesen werden. Zeitpunkt, Anlass und Inhalt des Gesprächs können zudem in einer kurzen Notiz für die Personalakte festgehalten werden.
Betriebliche Geldbuße
Größere Unternehmen haben mitunter umfangreiche Betriebs- oder Arbeitsordnungen, die auch Betriebsbußen vorsehen. Eine Betriebsordnung wird als Betriebsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat geschlossen. Betriebsbußen kommen für Verstöße von Beschäftigten in Betracht, die sich gemeinschaftswidrig verhalten, indem sie zum Beispiel gefährliche Stoffe unsachgemäß lagern oder mit diesen unsachgemäß hantieren, so dass andere Beschäftigte gefährdet werden. Ein gemeinschaftswidriges Verhalten ist wesentliche Voraussetzung für die Verhängung einer Betriebsbuße.
Sie kann dagegen nicht verhängt werden, wenn zum Beispiel der Arbeitnehmende ständig zu spät kommt, weil dieses Verhalten nur das direkte Vertragsverhältnis zwischen ihm und dem Arbeitgeber betrifft, nicht aber andere Mitarbeitende gefährdet. Betriebsbußen können in Form einer Verwarnung, einer förmlichen Missbilligung oder einer Geldbuße maximal bis zu einem Tagesverdienst ausgesprochen werden.
Der Betriebsrat hat nicht nur bei der Aufstellung einer Bußordnung, sondern auch bei der Verhängung der Betriebsbuße ein Mitbestimmungsrecht, muss also hinzugezogen werden.
Abmahnung
Die Abmahnung dient im Gegensatz zur Betriebsbuße der Sicherung der individuell geschuldeten Arbeitsleistung des Arbeitnehmenden. Der Betriebsrat ist hieran nicht zu beteiligen. Abmahnfähig ist nur ein konkreter Verstoß gegen bestimmbare arbeitsvertragliche Pflichten, zum Beispiel wenn der Beschäftigte sich weigert, Sicherheitsschuhe zu tragen, einen Schutzhelm oder keine Absturzsicherung vornimmt.
Die Abmahnung sollte zu Beweiszwecken stets schriftlich erfolgen, und das vertragswidrige Verhalten präzise beanstanden, das bedeutet, dieses so genau wie möglich beschreiben und klarstellen, dass es gegen arbeitsvertragliche Verpflichtungen verstößt. Zudem muss der Hinweis erfolgen, dass dieses Fehlverhalten zukünftig nicht mehr geduldet wird und für den Wiederholungsfall konkrete, arbeitsrechtliche Maßnahmen bis hin zur Kündigung drohen.
Die Abmahnung soll also eine Warnfunktion haben. Sie muss dem Beschäftigten daher nachweislich bekannt gemacht werden. Zu empfehlen ist die persönliche Übergabe unter Zeugen oder die postalische Versendung per Einwurf-Einschreiben, denn der Arbeitgeber ist für den Zugang beweispflichtig.
Ist der Arbeitnehmende mit der Abmahnung nicht einverstanden, kann er vor dem Arbeitsgericht auf Entfernung aus seiner Personalakte klagen oder sich darauf beschränken, eine Gegendarstellung zu verfassen, die – unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt – zur Personalakte zu nehmen ist. Bei wiederholten gleichartigen Verstößen kann die Abmahnung zur Begründung einer verhaltensbedingten Kündigung herangezogen werden.
Ordentliche Kündigung
Wurden die vorgenannten Mittel ausgeschöpft, verbleibt als letzte Möglichkeit die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Bei Verstößen gegen Arbeitsschutzbestimmungen liegt der Grund im Verhalten des Arbeitnehmenden und es kommt eine sogenannte „verhaltensbedingte” Kündigung zur Anwendung.
Einem Beschäftigten kann nur dann verhaltensbedingt gekündigt werden, wenn das betreffende Verhalten zuvor abgemahnt wurde und ein wiederholter Verstoß vorliegt. Die Kündigungsfrist richtet sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit und reicht von zwei Wochen in der Probezeit bis hin zu sieben Monaten bei mindestens zwanzigjähriger Betriebszugehörigkeit.
Die Kündigung muss schriftlich erfolgen, vom Arbeitgeber beziehungsweise einer vertretungsberechtigten Person (zumeist aus der Personalabteilung) unterzeichnet sein und dem Beschäftigten im Original zugehen. Für den Zugang gelten die gleichen Voraussetzungen wie bei der Abmahnung.
Besteht ein Betriebsrat, muss dieser zu der Kündigung angehört werden. Gegen die Kündigung kann der Arbeitnehmende binnen drei Wochen ab Zustellung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht erheben.
Liegt ein besonders schwerer Fall einer Verletzung von Arbeitsschutzpflichten vor, sodass dem Arbeitgeber ein weiteres Festhalten am Arbeitsvertrag nicht zugemutet werden kann, zum Beispiel weil der Mitarbeitende bewusst gegen Pflichten verstößt und dadurch Kolleginnen oder Kollegen oder Vorgesetzte grob fahrlässig oder vorsätzlich gefährdet oder sogar verletzt hat, kommt eine außerordentliche, fristlose Kündigung in Betracht.
Auch die fristlose Kündigung muss schriftlich erfolgen, dem Beschäftigten zugehen und bedarf zumeist einer vorausgehenden Abmahnung. Die Frage, ob dem Arbeitgeber das weitere Festhalten am Arbeitsvertrag unzumutbar ist, entscheidet im Streitfall das Gericht nach seinem Ermessen. Wichtig ist, dass der Arbeitgeber die fristlose Kündigung innerhalb von zwei Wochen ab Kenntnis des Kündigungsgrunds aussprechen muss. Zudem ist auch hier der Betriebsrat anzuhören.
Wegen der hohen Anforderungen an die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung empfiehlt es sich immer, hilfsweise das Arbeitsverhältnis ordentlich, also fristgerecht zu kündigen.
Sonderfall Leiharbeitnehmende
Leiharbeitnehmende unterliegen dem Weisungsrecht des entleihenden Arbeitgebers und müssen sich an dessen betriebliche Regeln halten. Bei Verstößen können sie ermahnt und – sollten – erneut unterwiesen werden. Es können jedoch durch den Entleiher keine arbeitsrechtlichen Sanktionen wie eine Abmahnung oder eine Kündigung ausgesprochen werden.
Bei wiederholten Verstößen empfiehlt es sich, den Verleiher aufzufordern, die entsprechende Person aus dem entleihenden Betrieb abzuziehen und für geeigneten Ersatz zu sorgen. Verursacht der Arbeitnehmende einen Schaden im Betrieb, können gegen den Verleiher Schadensersatzansprüche entstehen.
Fazit
Arbeitgeber sollten ihre Sanktionsmöglichkeiten kennen, um betriebliche Arbeitsschutzmaßnahmen wirkungsvoll und rechtssicher durchzusetzen. Voraussetzung einer angemessenen Reaktion auf Arbeitsschutzverstöße ist aber, dass der Arbeitsschutz als Führungsaufgabe angesehen und entsprechend vorgelebt wird.