Ein Unfall aus innerer Ursache liegt vor, wenn dieser infolge einer krankhaften Erscheinung oder der Konstitution der versicherten Person eintritt. Typischerweise ist das etwa ein Herzinfarkt oder Kreislaufkollaps. Kommt als Unfallursache sowohl eine versicherte äußere Einwirkung als auch eine unversicherte, innere Ursache in Betracht, kann ausnahmsweise die versicherte Tätigkeit dennoch die wesentliche Unfallursache sein, wenn betriebliche Umstände zu Art oder Schwere der Verletzung beigetragen haben. So ist zum Beispiel ein ebenerdiger Sturz wegen eines Schwächeanfalls kein Arbeitsunfall. Stürzt der Versicherte aber auf einer Treppe oder von einer Leiter und zieht sich deshalb schwerere Verletzungen zu, so liegt ein Arbeitsunfall vor.
Auf Stufe ausgerutscht
Mit einer solchen Konstellation musste sich auch das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg auseinandersetzen. In dem zugrundeliegenden Fall ging es um einen Montierer/Kommissionierer, der auf dem Weg von der Kantine zu seinem Arbeitsplatz in einer ihm noch unbekannten Werkshalle auf der Kante einer nicht gekennzeichneten 20 Zentimeter hohen Stufe ausgerutscht war. Er stürzte, fiel auf den linken Arm und verletzte sich die Schulter. Nach dem Durchgangsarztbericht war ihm schon vor dem Sturz schwindelig geworden, nach seinen eigenen Angaben dagegen erst durch das Ausrutschen.
Unterschiedliche Bewertung
Die zuständige Berufsgenossenschaft wollte das Missgeschick nicht als Arbeitsunfall anerkennen, weil sich der Unfall aufgrund einer inneren Ursache, nämlich des Schwindels, ereignet habe. Das erstinstanzliche Sozialgericht Stuttgart sah das ebenso.
Das LSG hingegen verpflichtete die Beklagte nun, den Sturz als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die nicht zweifelsfrei zu klärende Frage, ob der Sturz des Klägers aus innerer Ursache – wegen Schwindels – erfolgt sei, hinderte das Gericht nicht an der Bewertung als Arbeitsunfall. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Kläger bereits vor seinem Sturz einen Schwindel verspürt haben sollte, hätten doch „erhebliche spezifische betriebliche Gefährdungsmomente“ mit dazu geführt, dass er die Stufe übersehen habe.
Der Kläger habe an jenem Tag die Werkshalle zum ersten Mal betreten und sei daher noch nicht mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut gewesen. Der Boden war dunkel und die Halle nicht voll beleuchtet. Zudem habe es keine farbigen Warnmarkierungen gegeben, um die Sichtbarkeit der Stufe zu seinem Arbeitsplatz zu erhöhen. Diese betrieblichen Umstände seien für den Sturz mitverantwortlich gewesen, betonte das Gericht. Ohne diese Faktoren wäre der Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit weniger schwerwiegend oder überhaupt nicht gestürzt.
(Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17.10.2022, Az. L 9 U 1970/21)