Das Landesarbeitsgericht gab der Kündigungsschutzklage des Technischen Leiters statt [1] und das Bundesarbeitsgericht bestätigte das [2]. Die Kündigung war ungerechtfertigt [3]. Wesentliche Grundlage der Gerichtsurteile ist, dass der Technische Leiter im Grundsatz Verantwortung für die gesamte Technik im Betrieb hat – schwierig aber ist (wie immer) der Umfang und die Frage, ob der Verantwortliche genügend getan hat, um seine Technikpflichten zu erfüllen, ob er also der Technikverantwortung gerecht geworden ist [4].
Verantwortung des Technischen Leiters
Die Verantwortung des Technischen Leiters beschreibt das LAG mit dem Wort „Zuständigkeit“ im Urteil so: „Als Technischer Leiter ist er ganz allgemein gesprochen dafür zuständig, dass die im Betrieb eingesetzten technischen Anlagen laufen und sich in einem ordnungsgemäßen Zustand befinden“.
Die Leitungsverantwortung ergibt sich aus der Übernahme der Position [5] – nicht erst aus einer schriftlichen Pflichtenübertragung, die es hier aber in Form einer Stellenbeschreibung gegeben hat (siehe unten 2 .).
Konkret wiederholt das LAG Mecklenburg-Vorpommern die Zuständigkeiten des Technikleiters noch zu zwei Bereichen:
- Prüfung von Rolltoren: „Die Verantwortung für die Einhaltung der Pflicht zur jährlichen externen Überprüfung und Abnahme liegt unstreitig beim Kläger“;
- Prüfung von Eichfristen der Waagen, wo es zunächst streitig war: „Im Rahmen der Anhörung zu der beabsichtigten Verhängung eines Bußgeldes hat der Kläger versucht, seine Verantwortung für die Eichung der Waagen zu leugnen und hat stattdessen eine Verantwortung der Produktionsleiterin behauptet“. Aber jetzt „steht nicht mehr in Streit, dass die formale Verantwortung für die Einhaltung der Eichfristen beim Kläger liegt“.
Für die Verantwortung spielt es übrigens auch keine Rolle, dass – so das LAG – „kostenauslösende Maßnahmen (Einschaltung externer Handwerker und Dienstleister, Beschaffung von Ersatzteilen) vom Geschäftsführer genehmigt werden müssen. Der Kläger durfte nur Kosten bis zur Höhe von 500 Euro ohne Rücksprache auslösen.“ Trotz dieses geringen Budgets ist die Verantwortung umfassend – sie ist eben nur finanziell beschränkt und zwingt zu häufigen Rücksprachen.
Für die Technikverantwortung spielt es schließlich auch keine Rolle, dass der Betriebsleiter keine weiteren Mitarbeiter hatte. Dadurch fehlt ihm nur Weisungsbefugnis in Bezug auf Tätigkeiten und die damit verbundene Personalverantwortung, aber der Technische Leiter hat sachbezogene Technik- beziehungsweise Betreiberverantwortung.
Pflichtverstöße des Technischen Leiters
Von den elf Vorwürfen, die nach einer 4‑monatigen Erkrankung des Technischen Leiters von Ende März bis Ende Juli 2018 entdeckt worden sein sollen, werden hier exemplarisch acht dargestellt. Zu prüfen ist jeweils, ob der Arbeitnehmer gegen Arbeitsvertrags- oder gesetzliche Arbeitsschutzpflichten verstoßen hat – nur dann könnte eine Kündigung gerechtfertigt sein.
1 Anlagenwartung
Im November 2017 wartete ein externes Fachunternehmen die 25 Jahre alte Wasseraufbereitungsanlage mit Dampfdruckkessel und reparierte das Überdruckventil und Wasserstandselektrode. Der Technische Leiter begleitete diese Maßnahme „aufgrund seiner Zuständigkeit“.
Aber – so das LAG – „es kann nicht mit der für eine Kündigung erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Kläger die Abnahme der Leistung der beauftragten externen Firma Ende November 2017 vorwerfbar fehlerhaft durchgeführt hat“. Zwar „brachte ein Ortstermin mit dem TÜV im Januar 2018 nicht die erhoffte Abnahme der Anlage, da nach wie vor keine Betriebsgenehmigung für die auf Gas umgestellte Befeuerungsanlage vorhanden war“.
Aber selbst wenn unterstellt wird, „dass der Wiederauftritt des Schadens an den beiden Anlagenteilen darauf hindeutet, dass die Anlage Ende November 2017 durch die beauftragte Firma nur mangelhaft repariert wurde“, ist „nicht erkennbar, aus welchen Umständen geschlossen werden könnte, dass der Kläger diesen Mangel vorwerfbar nicht erkannt hat und er daher die Abnahme der Leistung der beauftragten Firma hätte verweigern müssen“.
Der Technische Leiter „hat zu seiner Entlastung vorgetragen, er habe vor der Abnahme der Leistung eine Funktionsprüfung durchgeführt und die beiden fraglichen Anlagenteile hätten funktioniert. Mit diesem Entlastungsvorbringen hat sich das Unternehmen nicht auseinandergesetzt. Da die beklagte Arbeitgeberin im Kündigungsschutzprozess für den Vortrag des Kündigungsgrundes einschließlich des Fehlens von Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen beweisbelastet ist, hätte sie diese klägerische Einlassung entweder widerlegen müssen oder durch Vortrag weiterer Indizien klarmachen müssen, dass die angeblich vorgenommene Funktionsprüfung nicht dem technischen Standard entsprochen habe.“
2 Betriebsgenehmigung
Das Unternehmen wirft dem Technischen Leiter noch vor, „der TÜV hätte die Anlage im Januar 2018 nicht abgenommen, weil unter anderem die Betriebsgenehmigung für die Umstellung der Befeuerung von Öl auf Gas noch nicht vorgelegen habe“.
Aber – so das Gericht – „die Abwicklung des Schriftverkehrs mit der Zulassungsbehörde gehörte nicht in den Zuständigkeitsbereich des Klägers. Daher ist dem Kläger sei in diesem Zusammenhang kein Vorwurf zu machen. Die Arbeitgeberin hat nicht näher erläutert, aus welchen Umständen sich ergibt, dass der Kläger für die Beantragung der Betriebsgenehmigung zuständig gewesen sein soll.“
Interessant ist noch, dass es für das Gericht, „sein mag, dass sich aus dem Text der Stellenbeschreibung für die Stelle des Klägers entnehmen lässt, dass der Stelleninhaber auch für derartige Aufgaben zuständig ist“. Da aber „die Einholung einer Betriebsgenehmigung für eine umgebaute Anlage jedenfalls nicht zum Alltagsgeschäft des Klägers gehört, muss das Gericht trotzdem zumindest von einer gemeinsamen Verantwortung des Klägers und der Geschäftsführung für die Erlangung der notwendigen Betriebsgenehmigung ausgehen“.
Und „ein weiteres kommt hinzu. Das Gericht hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung erlebt. Aufgrund des Eindrucks, den sich das Gericht dadurch vom Kläger machen konnte, geht das Gericht davon aus, dass der Kläger durch die Abwicklung des Schriftverkehrs mit der Genehmigungsbehörde überfordert gewesen wäre. Der Kläger mag ausreichenden technischen Sachverstand haben und er mag auch in der Lage sein, seiner Kernaufgabe der Überwachung der technischen Anlagen der Betriebsstätte zu genügen. Er ist aber ganz sicher nicht in der Lage, ohne Anleitung und Aufsicht den schriftlichen Dialog mit einer Genehmigungsbehörde zu führen.
Das muss dem Geschäftsführer in den Jahren der Zusammenarbeit mit dem Kläger seit Mitte 2014 auch aufgefallen sein. Es wäre daher verantwortungslos, wenn die Arbeitgeberin tatsächlich die Zuständigkeit für die Einholung der Genehmigung für die Befeuerung der Anlage mit Gas auf den Kläger delegiert hätte. Dies gilt gerade angesichts des Umstandes, dass die Wasseraufbereitungsanlage mit dem Dampfdruckkessel und der Gasbefeuerung eine der zentralen Produktionsanlagen in dem Betrieb darstellt.“
3 Nichtwartung der Anlage
Auch „der Vorwurf, der Kläger hätte es unterlassen, die Anlage regelmäßig zu warten, ist angesichts des Bestreitens des Klägers zu oberflächlich. Für einen ausreichenden Sachvortrag hätte die Arbeitgeberin im Einzelnen vortragen müssen, wie sie sich eine ordnungsgemäße Erfüllung der Wartungsaufgabe des Klägers vorstellt. Dem hätten dann die tatsächlich vom Kläger erbrachten Leistungen gegenübergestellt werden müssen. Erst aus dem Vergleich der Soll-Vorgaben mit dem tatsächlichen Geschehen hätte das Gericht in die Lage versetzt, das Vorliegen eines Pflichtverstoßes festzustellen und diesen alsdann seiner Schwere nach zu bewerten.“
4 Nichtwiederanfahren der Anlage
Das Unternehmen wirft dem Technischen Leiter weiter vor, dass er die Anlage vor seiner Krankheit nicht wieder angefahren hat.
- Darin sieht das Gericht zunächst einen Widerspruch und merkt an, dass sich daraus „nur dann ein Kündigungsgrund ergeben könnte, wenn sich die Wasseraufbereitungsanlage mit dem Dampfdruckkessel Ende März bzw. Anfang April 2018 tatsächlich in einem technischen Zustand befunden hätte, der ein Anfahren der Anlage erlaubt hätte. Das hat ja die Arbeitgeberin bestritten. Sie wirft dem Kläger dort vor, durch die Vielzahl seiner Nachlässigkeiten hätte sich die Anlage in einem technischen Zustand, der ein Anfahren der Anlage verbiete, befunden. Wenn die Anlage nicht angefahren werden konnte oder jedenfalls nicht betriebssicher angefahren werden konnte, konnte den Kläger auch keine Pflicht treffen, daran trotz seiner Arbeitsunfähigkeit mitzuwirken.“
- Aber – so das Gericht – „selbst dann, wenn man unterstellt, die Anlage war intakt, ergibt sich daraus kein Kündigungsgrund“ und „dass der Kläger aufgrund seiner Schlüsselstellung im Betrieb auch während einer Arbeitsunfähigkeit vom Grundsatz her verpflichtet war, bei Auftreten einer betrieblichen Zwangslage mit Rat und Tat zur Seite zu stehen“. Denn „der Kläger behauptete, er habe dieser Pflicht Genüge getan, indem er am 26. März 2018 zwei namentlich benannte Kollegen in die Inbetriebnahme der Anlage telefonisch eingewiesen habe“.
- Und ein Kündigungsgrund besteht selbst dann nicht, wenn der Kläger nicht „auf Anrufe der Beklagten und ihres Geschäftsführers mit Absicht reagiert“ haben sollte. „Denn es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger verdeutlicht wurde, dass es ohne seine Mithilfe nicht möglich sei, die betriebliche Zwangslage zu überwinden. Bei der Bewertung des Pflichtverstoßes muss mitberücksichtigt werden, dass der Kläger in einem Konflikt zwischen seinem Genesungswunsch und der Erfüllung der betrieblichen Pflichten stand. Entscheidet er sich in einer solchen Konfliktsituation falsch, kann dies die Kündigung ohne vorherige einschlägige Abmahnung nicht rechtfertigen.“
5 Kontrolle der Rolltore und Regale
Im Unternehmen „müssen die betriebenen Rolltore und Hochregale einmal jährlich durch die DEKRA oder einen ähnlichen Sachverständigen überprüft und abgenommen werden“ und „es kam 2017 zu einer Lücke in den vorgeschriebenen externen Prüfungen der Rolltore und Regale“.
- Aber erstens „gereicht es dem Kläger nicht zum Vorwurf, dass er es unterlassen hat, den Auftrag solange in mehrere Lose aufzuteilen, bis er in der Lage gewesen wäre, den Auftrag ohne Einschaltung der Geschäftsführung alleine auszulösen. Das Gericht teilt die Rechtsauffassung des Klägers, dass eine derartige künstliche Aufteilung eines Vorhabens in mehrere Aufträge unredlich gewesen wäre.“
- Zweitens „meinte auch der Geschäftsführer, als er den Kostenvoranschlag im Juli 2017 zur Billigung vorgelegt bekommen hatte, nicht etwa, es sei überflüssig gewesen, ihn einzuschalten. Vielmehr hat er sich dahin eingelassen, dass der Kläger erst einmal darlegen solle, weshalb es notwendig sei, diese Kosten auszulösen“. Der Technische Leiter „konnte nicht eine Freigabe der Mittel erwirken“.
- Drittens bestehen für das Gericht bestehen zwar „erhebliche Zweifel“, dass der Kläger die „Rückfragen des Geschäftsführers zum Vertragsangebot ausreichend beantwortet hatte“, aber „entscheidend“ ist für das LAG, dass sich die „Geschäftsführung Finanzentscheidungen der gegebenen Größe vorbehalten hatte, und dass der Kläger durch die Bitte um Freigabe der Mittel unter Benennung des Auftragszwecks die Geschäftsführung auch auf die sachlichen Gründe für diesen Ausgabeposten hingewiesen hat. Damit war die Verantwortung für diese Angelegenheit vom Kläger auf die Geschäftsführung verlagert worden. Wenn die weitere Verfolgung der Angelegenheit dort versäumt wurde, ergibt sich daraus kein Vorwurf gegenüber dem Kläger.“
6 Nichtkontrolle von Eichfristen
Gefährlich für den Technischen Leiter waren Vorwürfe im Zusammenhang mit der „mangelhaften Kontrolle des Ablaufs der Eichfristen Ende 2017 an drei im Betrieb eingesetzten Waagen“. Nach dem LAG „handelt es sich um einen schweren Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers, was schon daraus erkennbar ist, dass es sich um eine bußgeldbewehrte Ordnungswidrigkeit handelt.
Ein Bekanntwerden dieses Versäumnisses wäre zudem geeignet, das Vertrauen der Konsumenten in die Produkte des Unternehmens ernsthaft zu gefährden. Der Pflichtverstoß erhält auch dadurch zusätzliches Gewicht, dass der Kläger das Ablaufen der Eichfristen nicht selbst bemerkt hat, sondern das Problem erst im Rahmen einer staatlichen Kontrolle durch das Eichamt aufgedeckt wurde.
Gleichwohl ist dieser Vorfall wegen einer fehlenden einschlägigen Abmahnung nicht geeignet, die ausgesprochene Kündigung zu rechtfertigen. Eine Kündigung darf nicht als Sanktion für Fehlverhalten in der Vergangenheit missverstanden werden. Vielmehr kann eine Kündigung nur dann sozial gerechtfertigt sein, wenn sich aus gegebenem Fehlverhalten gegebenenfalls unter Mitberücksichtigung weiterer Umstände folgern lässt, dass auch in Zukunft mit vergleichbarem Fehlverhalten zu rechnen ist. Das Gericht sieht sich nicht in der Lage, diese Folgerung zu ziehen.
Es fehlt bereits an einer hinreichenden Darstellung der Ursachen für das klägerische Versagen. Geht man mit dem Kläger davon aus, dass er sich – sicherlich unberechtigt – darauf verlassen hat, dass die Kollegen aus der Produktion ihn schon auf den drohenden Ablauf von Eichfristen hinweisen werden, lässt sich die zukünftige Wiederholung des Fehlers schon durch eine Einweisung in die Führung eines Kalenders am Arbeitsplatzcomputer verbunden mit der Weisung, diesen sorgfältig zu führen, beheben. Gegebenenfalls hätte man diese Weisung auch in Form einer Abmahnung erteilen können, um dem Kläger die Bedeutung der Angelegenheit deutlich vor Augen zu führen“.
Daher „war der Ausspruch einer Abmahnung hier zur Behebung der Prognoseunsicherheit unverzichtbar“ und die Kündigung war sozial ungerechtfertigt.
7 Elektroanlagen ohne Schutz
Die Arbeitgeberin argumentierte noch, „einzelne Teile der elektrischen Anlage seien ohne die vorgeschriebenen Schutzabdeckungen betrieben worden“, aber „das wurde vom Kläger bestritten. Trotzdem hat die Beklagte zu diesem Vorwurf keine weiteren Einzelheiten vorgetragen. Damit ist der Vorwurf zur Begründung eines Kündigungsgrundes zu oberflächlich vorgetragen“ [6].
8 Unaufgeräumter Schreibtisch
„Aus dem unordentlichen Zustand des Schreibtisches des Klägers sowie des unordentlichen Zustandes weiterer Räume im Zuständigkeitsbereich des Klägers ergibt sich kein eigenständiger Kündigungsgrund.“
Zwar ergebe „Bildmaterial“ – so das LAG – einen „auffallend ungeordneten Zustand der Verkabelung im Serverschrank“, aber der Technische Leiter sagte, „für die IT-Anlage sei er nicht zuständig“ und „dem ist die Beklagte nicht ausreichend entgegengetreten. Es mag ja sein, dass man den Wortlaut der Stellenbeschreibung des Klägers auch so verstehen kann, dass sich seine Zuständigkeit auch auf die IT-Anlage bezieht. Das steht aber in einem Spannungsverhältnis zu dem unbestrittenen Vortrag, dass es für die IT eine gesonderte Zuständigkeit einer namentlich benannten Mitarbeiterin gebe. Ohne näheren Vortrag zu der Schnittstelle zwischen den Zuständigkeiten des Klägers und dieser Person, kann aus dem vorgelegten Bildmaterial nicht auf Fehlverhalten des Klägers geschlossen werden.“
Kündigung in der Zusammenschau aller Vorwürfe?
Das LAG sagt, „auch aus der Zusammenschau der Vorwürfe lässt sich die soziale Rechtfertigung der Kündigung nicht ableiten“.
- Zwar ist es „denkbar, dass sich erst aus einer gemeinsamen Betrachtung mehrerer Pflichtverletzungen, die jeweils für sich genommen möglicherweise eine Kündigung nicht rechtfertigen können, Hinweise auf das wahre Ausmaß des Fehlverhaltens ergeben. Liegt ein solcher Fall vor, ist es theoretisch denkbar, dass eine Kündigung, die sich auf eine Vielzahl kleinerer Pflichtverletzungen stützt, in der Summe dennoch sozial gerechtfertigt sein kann. Das setzt allerdings zwingend voraus, dass die gemeinsame Betrachtung der Einzelvorfälle einen tieferen Blick in Art und Ausmaß der Pflichtverletzung erlaubt.“
- Aber „das ist für das Gericht hier nicht erkennbar. Ein Großteil der Vorkommnisse kann schon nicht als Pflichtverletzung anerkannt werden, da sie entweder zu oberflächlich vorgetragen wurden oder die klägerische Einlassung nur unzureichend widerlegt wurde. Wenn es so etwas wie einen roten Faden gibt, der die verbleibenden Pflichtverletzungen verbindet, mag es der Verdacht sein, dass der Kläger seiner Aufgabe nicht in jeder Hinsicht gewachsen ist. Daraus ergibt sich aber kein eigener Kündigungsgrund.“
Fehlende Führungsanleitung
- Für mich ist folgender Gesichtspunkt sehr entscheidend: Die Arbeitgeberin kritisiert den Kläger in zahlreichen Punkten – aber was hat sie getan, um ihn zu unterstützen? Das Gericht sagt: „Da die Beklagte nicht vorgetragen hat, wie sie versucht hat, die möglicherweise bestehenden Defizite des Klägers zu beheben und ihm zu helfen, ist derzeit die Aussage nicht erlaubt, dass der Kläger mit seiner Aufgabe als technischer Leiter tatsächlich überfordert ist.“
- Beispielhaft regelt diese Unterstützungspflicht § 5 Abs. 2 ASiG für Fachkräfte für Arbeitssicherheit [7]: „Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass die von ihm bestellten Fachkräfte für Arbeitssicherheit ihre Aufgaben erfüllen. Er hat sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen; insbesondere ist er verpflichtet, ihnen, soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, Hilfspersonal sowie Räume, Einrichtungen, Geräte und Mittel zur Verfügung zu stellen.“
Quellen:
[1] LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 04.11.2019 (Az. 2 Sa 56/19).
[2] BAG, Beschluss v. 29.01.2020 (Az. 2 AZN 1380/19).
[3] Weitere Kündigungsfälle in Wilrich, Sicherheitstechnik und Maschinenunfälle vor Gericht – 40 Urteilsanalysen zu Produktsicherheit, Hersteller- und Konstruktionspflichten, Arbeitsschutz, Betreiber- und Organisationspflichten, 2022.
[4] Ausführlich hierzu mit zahlreichen weiteren Urteilen aus der Rechtsprechungspraxis Wilrich, Technik-Verantwortung – Sicherheitspflichten der Ingenieure, Meister und Fachkräfte und Organisation und Aufsicht durch Management und Führungskräfte, 2022.
[5] Siehe Wilrich, Pflichtendelegation im Arbeitsschutz – Betriebsorganisation und Personalmanagement durch Übertragung von Unternehmerpflichten auf Führungskräfte, erscheint 2024.
[6] Weitere Fallbesprechungen zu diesem Bereich Wilrich, Elektrotechnik und Stromunfälle vor Gericht – 77 Urteilsanalysen, 2023.
[7] Zu ihnen Wilrich, Verantwortung und Haftung der Sicherheitsingenieure: Unterstützungs‑, Beratungs‑, Berichts‑, Prüfungs‑, Warn- und Sorgfaltspflichten der Fachkräfte für Arbeitssicherheit als Stabsstelle und Unternehmerpflichten in der Linie – mit 20 Gerichtsurteilen und Strafverfahren zu Fahrlässigkeit und Schuld nach Arbeitsunfällen, 2. Aufl. 2023.
Hochschule München, Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen
www.rechtsanwalt-wilrich.de