Auch wenn jeder von uns bestimmt schon langweilige und schlechte Unterweisungen erlebt hat: Es gibt ein paar Tipps, Unterweisungen spannender zu gestalten und zu präsentieren.
Als Unterweisungsthema hier habe ich „Tätigkeiten mit giftiger Flusssäure und giftigen Fluoriden“ ausgewählt. Im Folgenden werden Auszüge präsentiert und Tipps zur Veranschaulichung. Generell gilt: Die wichtigsten Teile einer Präsentation sind der Anfang und das Ende. Wer es am Anfang versäumt, die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu erlangen, der hat während der kompletten Unterweisung schlechte Karten.
Tipp 1: Fragen stellen
Zu den Themen Flusssäure und Fluoride lässt sich ein einfacher und alltäglicher Einstieg nutzen, um die Aufmerksamkeit aller Teilnehmer auf das Thema zu lenken. Die Einstiegsfrage, um das Interesse der Teilnehmer für die Giftigkeit von Fluoriden zu wecken lautet: „Jeder von Ihnen kommt (hoffentlich) sogar mehrfach täglich mit giftigem Natriumfluorid in Kontakt, sogar ohne sich mit persönlicher Schutzausrüstung oder anderen Schutzmaßnahmen dagegen zu schützen?“ Die Antwort, die meistens von den zu Unterweisenden gefunden wird lautet: „Genau, beim Zähneputzen!“
Tipp 2: Bilder, Symbole usw.
Und für das Thema Zähneputzen bietet sich die Abbildung einer Zahnbürste beziehungsweise einer Zahnpastatube an. Denn Bilder bleiben viel eher im Gedächtnis als Text. Schauen Sie dazu mal in den üblichen Präsentationsprogrammen unter „Einfügen → Piktogramme“ nach. Dort finden sie viele Piktogramme gruppiert in unterschiedliche Themen – unter anderem „Zuhause“ mit Zahnbürste und Tube.
Ein anderer Tipp für das Auffinden von passenden Bildern und ähnlichem: Geben Sie in eine Suchmaschine einzelne oder mehrere Wörter ein und klicken Sie auf „Bilder“: Schon werden Ihnen zumindest ein paar passende Bilder zu Ihren Wörtern vorgeschlagen.
Übrigens: Die Konzentration an Natriumfluorid in Zahnpasta ist mit circa 1.400 ppm (0,14 Prozent) natürlich so gering, dass keine Vergiftungserscheinungen auftreten und Erwachsene deshalb auch keine Schutzmaßnahmen beim Zähneputzen brauchen. Da bei Kindern davon auszugehen ist, dass diese die Zahnpasta eher verschlucken als Erwachsene, enthält Kinderzahnpasta nur circa 500 ppm (0,05 Prozent) Natriumfluorid.
Tipp 3: Das Wesentliche
Konzentrieren Sie sich bei der Wissensvermittlung auf das Wesentliche. Drei Kernthemen reichen in der Regel vollkommen aus (siehe oben rechts).
Tipp 4: Unterschiede darstellen
Die Kennzeichnung von „normalen Säuren“ unterscheidet sich von der Kennzeichnung von Flusssäure. Fragen Sie daher:
- „Mit welchem Piktogramm sind viele Säuren gekennzeichnet?“ Antwort: „Mit dem Piktogramm Ätzwirkung“.
- „Mit welchen zwei Piktogrammen ist Flusssäure gekennzeichnet?“ Antwort: „Mit dem Piktogramm „Ätzwirkung“ und zusätzlich mit dem Piktogramm „Totenkopf mit gekreuzten Knochen“ – das Piktogramm heißt wirklich so.
Tipp 5: Animationen einsetzen
Nutzen Sie insbesondere für die Beantwortung der Frage „Mit welchen zwei Piktogrammen ist Flusssäure gekennzeichnet?“ die Animationsfunktionen in Präsentationsprogrammen:
Wenn keine Antwort von den Teilnehmern kommen sollte, können Sie die Animation nutzen, um dann selbst die Erklärungen zu geben.
Und aus diesem zweiten Piktogramm ergibt sich schon die Überleitung zum Kernthema Nr. 2 „Giftwirkung“: Warum wirken Flusssäure und lösliche Fluoride giftig? Um das zu verstehen, muss man jetzt doch ein wenig in die Chemie einsteigen. Bezüglich der Giftwirkung ist zu unterscheiden zwischen giftigen (löslichen) und ungiftigen (unlöslichen) Fluoriden:
- Bei Flusssäure und giftigen Fluoriden liegen Fluorid-Ionen „frei“, „gelöst“ zum Beispiel in Wasser vor und können ihre Giftwirkung entfalten.
- Bei ungiftigen Fluoriden „kleben die Fluorid-Ionen fest am jeweiligen Gegenion wie zum Beispiel Calcium oder Magnesium fest“, sind daher „unlöslich“ und haben deshalb keine Giftwirkung mehr.
Die Giftwirkung auf den menschlichen Körper entsteht dadurch, dass freie Fluorid-Ionen dem Körper lebenswichtiges „freies“ Calcium entziehen, da das Calcium sich mit dem Fluorid „fest“ verbindet zu unlöslichem Calciumfluorid. Diese unterschiedlichen Wirkungen kann man in einer Tabelle gegenüberstellen und als Piktogramm zusätzlich einen Erlenmeyerkolben nutzen, wie die folgende Abbildung zeigt. Das war´s jetzt schon mit den chemischen Kenntnissen, die aber notwendig sind, um gegen die Giftwirkung die richtigen Schutzmaßnahmen einzuleiten.
Die Giftwirkung der Fluorid-Ionen auf den menschlichen Körper kann man auch graphisch darstellen:
Und schließlich: Wie kann man die Giftwirkung verhindern? Antwort: Indem dem Fluorid-Ion anderes Calcium, zum Beispiel aus dem auf die Haut aufgetragenen Calcium-Gluconatgel, angeboten wird. Dadurch sinkt zwar auch erst einmal die Konzentration an körpereigenem freiem Calcium, aber eben nicht mehr in den lebensbedrohlichen „roten Bereich“, dargestellt in der folgenden Abbildung:
Schließen sollte die Unterweisung wieder mit der Tabelle mit den drei Kernthemen vom Anfang der Unterweisung. Durch Häkchen wird verdeutlicht, was mit der Unterweisung erreicht wurde:
- Die Gesundheitsgefahr durch Flusssäure kann durch die Kennzeichnung mit dem Piktogramm „Totenkopf“ erkannt werden.
- Die Giftwirkung (Calciumbindung, /-entzug) wurde verstanden, ebenso die (lebensrettende) Behandlung mit Calcium-Gluconatgel.
Durch Anwendung der richtigen Schutzmaßnahmen (zum Beispiel Chemikalienschutzhandschuhe, Bereithalten von Calcium-Gluconatgel) kann die Gesundheitsgefahr minimiert werden.
Um die Wirksamkeit von Unterweisungen zu überprüfen, bietet sich ein Wissensspiel an, das heißt jeweils eine Frage mit vier Antworten von denen aber nur eine Antwort korrekt ist.
Weitere Beispiele
Im Folgenden kommen noch ein paar andere Unterweisungsbespiele zu den Themen „Piktogramm Gesundheitsgefahr, Luftgrenzwerte und krebserzeugende Stoffe“.
Die Einstiegsfrage für das „neue“ Piktogramm Gesundheitsgefahr kann zum Beispiel lauten: „Welche Gesundheitsgefahren hat ein Stoff, wenn Sie dieses Piktogramm auf der Flasche sehen?“
Wenn jetzt hier überhaupt keine Reaktion der Teilnehmer kommen sollte, können die Teilnehmer mit ein paar Piktogrammen auf die Lösung hingeführt werden:
Spätestens dann sollte eine Diskussion starten mit Antworten wie „krebserzeugend, mutagen, reproduktionstoxisch“ usw. In der folgenden Tabelle sind die Textbeschreibungen der sieben Wirkungen genannt.
Viele werden jetzt vielleicht erst mal nicht wissen, was sich hinter „Spezififische Zielorgantoxizität (STOT: Specific Target Organ Toxicity) verbirgt. Und da sind wir beim nächsten Tipp.
Tipp 6: Beispiele nennen
Frage an die Teilnehmer: „Was passiert mit den Augen, wenn jemand zu viel Methanol getrunken hat?“. Antwort: „Man erblindet.“ Oder toxikologisch ausgedrückt: Das Zielorgan „Auge“ wird nach einmaliger Exposition geschädigt, also sind wir bei Wirkung Nr. 3 in der oben genannten Tabelle.
Aber wie soll man sich sieben verschiedene Gesundheitsgefahren merken können?
Tipp 7: Überblick verschaffen
Man teilt die sieben Wirkungen in drei Gruppen ein:
- A‑Gruppe: viele Begriffe mit „A“
- STOT-Gruppe
- CMR-Gruppe
Oft kommt zum Thema Luftgrenzwerte die Frage auf, ob beziehungsweise wie sicher Luftgrenzwerte sind. Diese Frage lässt sich mit den folgenden animierten Graphiken und den jeweils dazugehörigen Fragen beantworten:
- „Aus Tierversuchen erhält man die sogenannte „NO(A)EL“-Dosis (NOAEL — engl. für No Observed Adverse Effect Level). Das ist die höchste Dosis eines Stoffes, bei der in keiner Studie eine (schädigende) Wirkung beobachtet wurde. Daraus wird der Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) abgeleitet.“:
Fazit: Der AGW ist „sicher“ wegen der vielen USF. Das heißt aber nicht, dass Grenzwerte unveränderlich sind.
Tipp 8: Anschaulich machen
Was bedeutet ein Krebserkrankungsrisiko von „4 : 1.000“ oder „4 : 10.000“ aus der TRGS 910? Ist das viel, oder ist das nur ein wenig zusätzliches Krebsrisiko???
Wenn man diese beiden Krebsrisiken aus der TRGS 910 mit dem für Männer beziehungsweise Frauen alltäglichem Risiko an Lungenkrebs zu erkranken vergleicht, ergeben sich folgende Größenverhältnisse1:
Und falls Fragen auftauchen wie „Was sind denn Toleranzrisiko und Akzeptanzrisiko, was bedeutet dies denn?“, antworten Sie am besten mit „Das Akzeptanzrisiko ist eine stoffübergreifende Größe. Es gibt die statistische Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Krebserkrankung in der Höhe von 4:10.000 an. Das heißt, dass beim Einhalten der Akzeptanzkonzentration am Arbeitsplatz ein zusätzliches Krebsrisiko von 4:10.000 existiert. Das Toleranzrisiko ist quasi dasselbe, nur halt zehn mal höher.“ Akzeptanzkonzentration (AK) und Toleranzkonzentration (TK) finden Sie weiter unten in Tipp 9 in der Tabelle. Aus dem Größenverhältnis der einzelnen Balken wird schnell klar: „Na, so viel Krebsrisiko kommt zumindest im gelben bzw. grünen Risikobereich nicht mehr dazu.“
Auch das Thema GHS-Piktogramme eignet sich hervorragend um einen Bezug zum „realen“ täglichen Leben herzustellen, denn: Mit welchem Piktogramm sind
- Spülmittel
- Nagellackentferner
- Grillanzünder
oft gekennzeichnet?
Tipp 9: Schätzfragen stellen
Lassen Sie die Teilnehmer eine Schätzfrage beantworten, zum Beispiel: „Insgesamt werden circa 30.000 Stoffe in größeren Mengen (mehr als eine Tonne im Jahr) produziert und gehandelt. Für wieviel Prozent dieser Stoffe gibt es Luftgrenzwerte in Deutschland?“ An dieser Stelle ist es ganz wichtig, dass Sie die Teilnehmer noch darauf hinweisen, dass sich jeder auch trauen soll, eine vermeintlich „falsche“ Schätzung zu äußern! Und lassen Sie den Teilnehmern genug Zeit zum Überlegen – Sie kennen ja schon die richtige Antwort, die Teilnehmer noch nicht: Nutzen Sie einfach die kurze Denkpause zum Durchatmen.
Wenn nach einiger Zeit sich immer noch keiner traut, eine Zahl zu nennen, bieten Sie Größenordnungen an: „Sind es 5, 10 oder 50 Prozent, was würden Sie schätzen?“ Dann zeigen Sie das folgende Ergebnis (rot umrandet)2 mit der Anzahl der Grenzwerte (GW):
Tipp: Weniger ist mehr
Überprüfen Sie bei allen Themen einer Unterweisung: Was müssen die Teilnehmer wirklich wissen und verstanden haben und was kann weggelassen werden?
In der heutigen Zeit, in der man mit Informationen überflutet wird, ist „weniger oft mehr“. Sparen kann man sich zum Beispiel bei Flusssäure Angaben dazu, welcher Chemiker wann die Flusssäure entdeckt hat, wofür Flusssäure überall sonst noch eingesetzt wird, oder ab welcher Konzentration an Flusssäure nur noch mit dem Ausrufezeichen, aber nicht mehr mit dem Totenkopf gekennzeichnet wird (das kann jeder auf dem jeweiligen Etikett nachlesen).
Und zum Schluss noch die Lösungen der Wissensfragen:
- Piktogramme:
- Fluorid:
- Handschuh:
- Spülmittel:
- Nagellackentferner:
- Grillanzünder:
[1] Quellen: Krebs in Deutschland 2013/2014: http://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebs_in_Deutschland/krebs_in_deutschland_node.html8 bzw. TRGS 910.
[2] Die europäische Chemikalienpolitik (REACH, GHS) und ihre Auswirkungen für das betriebliche Gefahrstoffmanagement, 93. Sicherheitswissenschaftliches Kolloquium der Bergischen Universität Wuppertal, Rainer Dörr, BG BAU, Bereich Gefahrstoffe, 18. Juni 2013
Warum unterweisen? Und wer?
Wer kennt nicht die Aussage, „oh nee, jetzt muss ich erst noch so eine langweilige Unterweisung hinter mich bringen, hoffentlich dauert das nicht so lange“. Ja, Unterweisungen sind oft unbeliebt. Von Unterweisungen können aber Vorgesetzte und Unterwiesene gleichermaßen profitieren, vorausgesetzt die Inhalte werden verständlich vermittelt und die Unterwiesenen erkennen den Zusammenhang zwischen den Unterweisungsinhalten und ihrem Arbeitsplatz. Für die Vorgesetzten gewährleisten Unterweisungen (besonders nach Unfällen) die gewünschte und notwendige Rechtssicherheit, denn Vorgesetzte sind für die Unterweisung zuständig, was doch des öfteren vielen Vorgesetzten nicht so bewusst ist. Und für die Unterwiesenen ergibt sich der Nutzen, dass sie nach der Unterweisung wissen, mit welchen Maßnahmen sie sich vor Risiken und Gefahren schützen können.