Simulationen und Messungen in Prüfinstituten helfen, potenzielle Fehlerquellen aufzuspüren, Designverbesserungen zu realisieren und die notwendigen Zertifizierungen zu erlangen. Die Aufgaben sind dabei vielfältig und reichen von Untersuchungen der elektromagnetischen Verträglichkeit über das Netzanschlussverhalten bis hin zur Simulation von Umwelteinflüssen.
Im 22.000 Quadratmeter großen TÜV Austria Technology & Innovation Center in Wien betreibt der unabhängige und einzige österreichische TÜV als Prüf‑, Inspektions- und Zertifizierungsunternehmen seit 2021 ein modernes Labor zum Prüfen von Komponenten der AC- und DC-Ladeinfrastruktur für Elektromobilitätsanwendungen.
In zwei Labor-Bereichen lassen sich umfangreiche Untersuchungen rund um die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) und das Netzanschlussverhalten unterschiedlicher Komponenten durchführen. „Da unsere Kunden nicht vorhersehbar sind und wir oft in beiden Bereichen parallel prüfen, müssen wir bei der Leistungsbereitstellung sehr flexibel sein“, erläutert Klaus Alberer, der beim TÜV Austria für den Bereich E‑Mobility-Innovation zuständig ist.
Bereits heute variieren die Anschlussleistungen beträchtlich. Im AC-Bereich sind aktuell 11 bis 22 kW üblich; der Standard sieht bis zu 80 kW vor. Bei der DC-Versorgung geht der Weg von aktuell 350 kW in Richtung 500 kW oder gar bis hin zu 1 MW Ladeleistung. „Da die Prüfungen sehr vielschichtig sind, müssen unsere Anlagen sehr flexibel sein und sich effizient nutzen lassen, auch was die Energieversorgung betrifft“, fährt Alberer fort.
In diesen Anlagen kommen programmierbare Netzgeräte zum Einsatz, die sich durch einen modularen Aufbau an unterschiedliche Szenarien anpassen lassen.
Zentrale Leistungsversorgung
Die zentrale Leistungsversorgung besteht aus acht TC.ACS-50-kVA-Netzsimulatoren und sieben bidirektionalen Netzgeräten der G5-Serie der Regatron AG. Die Netzsimulatoren sind als 3‑Phasen-Wechselstromquellen mit 4‑Quadranten-Betrieb ausgelegt und bieten ungewöhnlich viele Programmierfunktionen. Sie arbeiten mit hoher Schaltfrequenz, einem weiten Grundfrequenzbereich von DC bis 1000 Hz und einer hohen Modulationsbandbreite von 5 kHz.
Damit kann für Simulationen eine harmonische Verzerrung bis zur 100. Harmonischen bei 50 Hz oder zur 83. Harmonischen bei 60 Hz mithilfe eines komfortablen Fourier-Werkzeugs exakt reproduziert werden. Das System kann zudem einfach und umfassend an die verschiedenen Untersuchungen für EMV- und Netzanschlussverhalten angepasst werden.
Prinzipiell sind drei Betriebsarten wählbar. Die Leistungsverstärker können als programmierbarer Netzsimulator, ferngesteuerter 4Q-Wechselspannungsverstärker oder als elektronische Wechselstromlast mit programmierbarer RLC-
Lastimpedanz arbeiten. Zudem wird die Wirkleistung effizient in das 3‑Phasen-Netz zurückgespeist. Die Geräte wurden von der Ing. Fischer GmbH, die das Projekt komplett begleitet hat, inklusive Wasserkühlung mit allem notwendigen Zubehör wie Messgeräten, Umschalteinheiten, Sicherheitseinrichtungen und Displays in kompakten Schränken verbaut. Dem Prüfinstitut stand damit eine schlüsselfertige Lösung zur Verfügung.
Hinzu kommt eine umfangreiche Applikationssoftware. So gibt es beispielsweise fertige Pakete für unterschiedliche EMV-Prüfungen. Aber auch alle anderen Parameter für verschiedene Testszenarien lassen sich schnell und einfach einstellen, angefangen von Variationen der Grundsystemspannungen und ‑frequenz sowie Einstellungen der Phasenbeziehung, über Spannungsabfälle im gesamten Netzwerk oder einzelne Abfälle pro Phase, Flicker sowie Über- und Unterspannungen bis hin zu Spannungsunsymmetrien. Zudem kann man auch überlagerte harmonische und interharmonische Spannungen oder Phasenwinkel definieren.
Gleiches gilt auch für die bidirektionale DC-Stromversorgungsserie G5. Auch sie bietet umfangreiche Software-Unterstützung und wurde mit den entsprechenden Mess- und Überwachungseinheiten in Schränken verbaut. Bei hohen Leistungen bis 54 kW bieten die Stromversorgungen große Regeldynamik, einen Auto-Ranging-Faktor von 3 sowie einstellbare Ausgangsfilterzeitkonstanten.
Flexible Leistungsverteilung
Sowohl die AC- als auch die DC-Stromversorgungen sind modular aufgebaut, skalierbar und lassen sich nachträglich ergänzen, falls der Leistungsbedarf steigt. Zudem bieten sie variable Verschaltungsmöglichkeiten: seriell, parallel und auch ein Mix-Betrieb ist möglich. Das macht die Leistungsverteilung sehr flexibel. Im TÜV Austria Technology & Innovation Center gibt es vier Abgabe-Punkte: zwei für das EMV-Labor und einen für den Bereich, in dem das Netzanschlussverhalten getestet wird (E‑Labor).
Der vierte Abgabepunkt wird zukünftig die 2700 Quadratmeter große Prüffläche versorgen, wovon dann etwa 300 Quadratmeter für Klima- und Umweltsimulationen genutzt werden. „Die Leistungsverteilung ist dadurch sehr flexibel“, fasst Alberer zusammen. „Bei Bedarf lassen sich auch einmal die AC-Netzteile als DC-Quelle nutzen.“ Das Großprojekt mit insgesamt 778 kW Leistung und AC- oder DC-Ausgang wurde in nur zwölf Monaten installiert und in Betrieb genommen.
Ing. Walter Wagner
Geschäftsführender Gesellschafter
Ing. Erhard Fischer GmbH