Wo Beschäftigte am Arbeitsplatz gesundheitsgefährlichen Substanzen ausgesetzt sind, steht der Arbeitgeber in der Pflicht, für einen angemessenen Schutz zu sorgen. Sicherheitstechnische Lösungen, das sorgsame Organisieren gefährlicher Arbeiten sowie Persönliche Schutzausrüstung dienen dazu, Verletzungsgefahren und Gesundheitsrisiken zu minimieren.
Zu den Pflichten der Mitarbeiter gehört, diese Maßnahmen umzusetzen und sich sicherheitsgerecht zu verhalten. Zusätzlich können besondere Anforderungen an die Ausbildung und Qualifizierung der Mitarbeiter bestehen. Dies ist zum Beispiel in der Sanierungsbranche der Fall, wo mannigfache Gesundheitsgefahren lauern. Dabei geht es nicht nur um Asbest – eine Altlast, die bis heute in Europa jedes Jahr mehrere Zehntausend Todesopfer fordert –, sondern auch um den Schutz vor weiteren gesundheitsgefährlichen Gefahrstoffen und Biostoffen. Hier sind qualifizierte Kenntnisse gefragt und deren Erwerb zum Teil im Technischen Regelwerk verankert, um sich bei Tätigkeiten in kontaminierten Bereichen angemessen zu verhalten und zu schützen.
Sprachkenntnisse als Barriere
So weit, so gut. Nicht berücksichtigt wird in diesem Präventionsansatz, dass gerade in der Baubranche viele Mitarbeiter aus ganz unterschiedlichen Herkunftsländern und Sprachregionen stammen. Die Sachkundelehrgänge, etwa nach TRGS 519, finden jedoch in deutscher Sprache statt, auch die Schulungsunterlagen gibt es nur auf Deutsch. Die durchaus anspruchsvollen Abschlussprüfungen zu bestehen, ist daher für Kandidaten mit einer anderen Muttersprache doppelt schwer. Ist diese Situation vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels und der Debatten um Integration und Inklusion noch zeitgemäß?
Die Redaktion des Sicherheitsingenieur hat diese Fragen mit Markus Bohr diskutiert. Er ist Experte für Schadstoffsanierungen und steuert als Projektleiter bei der MKI Industrieservice GmbH im nordhessischen Hadamar-Oberweyer den Einsatz von Mitarbeitern, die aus ganz unterschiedlichen Ländern stammen und damit nur über begrenzte Sprachkenntnisse verfügen.
Herr Bohr, welche Leistungen bietet Ihr Unternehmen an und was ist Ihre Aufgabe dabei?
Kerngeschäft der MKI Industrieservice GmbH ist Vermietung, Verkauf und Beratung von Sanierungstechnik und PSA. Ferner arbeiten wir auch Sonderlösungen aus für spezielle Sanierungsprofile und Anforderungen. Nach der Übernahme der Heger Abbruch und Sanierungs GmbH führen wir bei Direktanfragen von Kunden Sanierungen auch selbst durch.
Worin bestehen die typischen Gefährdungen und Gesundheitsrisiken für Ihre Mitarbeiter?
Typische Gefährdungen sind der Umgang mit Asbest und KMF (Künstliche Mineralwolle) sowie mit chemischen Stoffen wie Formaldehyd, PCB, PCP, PAK und Schwermetalle und Biostoffen, etwa durch den Eichenprozessionsspinner und vieles mehr.
Ihre E‑Mail-Signatur zeigt eine ganze Liste von Qualifikationen aus dem Gefahrstoffrecht. Wie sind Sie dazu gekommen und was bedeuten diese Anforderungen?
Meine – ich sag mal – Grundausbildung war die Ausbildung als Elektriker mit Abschluss der Gesellenprüfung und dem Besuch der Meisterschule. Durch dieses erlernte Handwerk bin ich in die Gefahrstoff-Szene gekommen, als Monteure gesucht wurden, die auch in kontaminierten Bereichen Arbeiten durchführen können. Diese Aufgaben waren so interessant, dass ich dort hängengeblieben bin.
Angefangen hat alles mit den Lehrgängen zu den TRGS 519 und 521 für Asbest und KMF, um als Fachkraft in der Sanierung dieser Stoffe arbeiten zu können. Neben den Lehrgängen sind auch arbeitsmedizinische Untersuchungen erforderlich, da man mit spezieller PSA wie Halb- und Vollmasken arbeiten muss. Danach habe ich mich in einzelnen Bereichen wie Biostoffe, Gefahrstoffe usw. entsprechend weitergebildet, um das Ganze zu vertiefen und das Fachwissen auch in der Praxis offiziell anwenden zu können. Ziel war es, mich bei der Dekra und bei der BDSH (Bundesverband Deutscher Sachverständiger des Handwerks) als Sachverständiger für Gebäude-Schadstoffe und Bodenaltlasten zu zertifizieren.
Müssen auch Ihre Mitarbeiter solche Qualifizierungsanforderungen erfüllen und was sind dabei die größten Herausforderungen?
Da der Gefahrstoffsanierer kein Ausbildungsberuf ist, sind wir angewiesen auf Mitarbeiter, welche eine handwerkliche Ausbildung oder gute handwerkliche Fähigkeiten besitzen. Diese Mitarbeiter werden dann bei uns entsprechend geschult. Leider finden sich auf dem deutschen Arbeitsmarkt immer weniger Handwerker oder Menschen, die diesen Berufszweig wählen. Zum einen gibt es bereits in den Kernberufen Mitarbeitermangel. Dazu kommt, dass die Arbeit eines Sanierer anstrengend ist, den Einsatz von Schutzausrüstung erfordert und auch nicht gerade der sauberste Job ist. Daher nimmt der Anteil ausländischer Mitarbeiter einen großen Teil unserer Belegschaft ein.
Und nein, es geht in diesem Gewerk nicht darum, mit dem Hammer oder Ähnlichem alles nur klein zu hauen und in Container zu verbringen. Vielmehr werden Gefahrstoffe fachgerecht von den übrigen Materialien getrennt und das oft mit hohem Aufwand und auch in filigraner Handarbeit unter Atemschutz und Vollschutz-Anzügen. Fachgerechte Demontage, fachgerechte Verpackung und Entsorgung gehören dazu. Dabei gilt es, den Eigenschutz einzuhalten sowie den Schutz gegenüber Dritten. Das ist eine anspruchsvolle Arbeit, die sehr oft unterschätzt wird!
Mitarbeiter in der Sanierung müssen vorab erst einmal die arbeitsmedizinischen Untersuchungen bestehen als Voraussetzung, um überhaupt in diesen Bereichen arbeiten zu dürfen. Im Anschluss dürfen diese Mitarbeiter unter Leitung einer qualifizierten Fachkraft mit Sachkunde nach TRGS 519/521 oder höher und nach einer Unterweisung und Betriebsanweisung usw. in kontaminierten Bereichen arbeiten. Allerdings sind sie dann lediglich Hilfskräfte, obwohl viele dieser Mitarbeiter wirklich ihr Handwerk in der Sanierung verstehen.
Ein großes Problem ist jedoch Folgendes: Viele unserer Mitarbeiter stammen aus Rumänen, Bulgarien, Lettland, Polen, Kasachstan oder Syrien. Diese Leute kommen mit abgeschlossener Berufsausbildung nach Deutschland, sind schon lange im Unternehmen und haben die Bereitschaft, sich weiterzubilden. Doch in den Prüfungen kommt es zu Nervosität und nicht immer werden die Fragen sofort verstanden, obwohl das Fachwissen da ist. Es mangelt einfach an den Sprachkenntnissen.
Aber ist es denn nicht notwendig, dass Ihre Mitarbeiter Deutsch verstehen, Betriebsanweisungen oder Sicherheitsunterweisungen folgen können, beim Einsatz eine gemeinsame Sprache sprechen usw.?
Ja, aber dazu muss das Deutsch nicht perfekt sein, wer kann heute noch perfektes Deutsch (lachend). Bei den Sachkundeprüfungen wird allein die Sprache zur entscheidenden Hürde! Es kann doch nicht sein, dass gute Leute, die ihre Arbeit mit hoher Kompetenz erledigen, notgedrungen auf dem Level von Hilfskräften bleiben, nur weil sie nicht so gut Deutsch sprechen wie ein Muttersprachler!
Sachkunde ist zweifellos wichtig, gerade bei Gefahrstoffen. Aber mit hohen Anforderungen, die sich gar nicht auf die Gefahr und den Schutz beziehen, sondern nur an der Sprache liegen, stellen wir uns doch selbst ein Bein, indem wir sehr gute Leute auf einem niedrigen Level halten. Es wird immer wieder in der Politik darum geworben, Facharbeiter aus dem Ausland nach Deutschland zu lotsen, was ja nicht so einfach ist. Wir fragen uns, warum man es nicht schon den Arbeitern, die bereits in Deutschland sind, leichter macht, sich in den Fachbereichen zu qualifizieren oder weiterzubilden? So könnten sie als qualifizierte Fachkraft arbeiten, was auch entsprechend entlohnt wird.
Wir freuen uns über qualifizierungswillige Mitarbeiter und unterstützen sie, zum Beispiel indem wir auf eigene Kosten Technische Regeln und auch Prüfungs-Unterlagen für Sachkunde-Lehrgänge übersetzen lassen, und das in die jeweilige Landessprache der Mitarbeiter. Wir wollen damit das Wissen richtig vermitteln und das Verständnis erleichtern. Damit erreicht ein Unternehmen auch einen höheren Qualitätsstandard, da die Arbeiten fachgerecht ausgeführt werden. Aber seitens der Behörden wird man da oft etwas alleine gelassen, was diese Thematik angeht. Es wäre super, wenn man da mit den Fachunternehmen enger zusammenarbeiten könnte, um die Qualität in der Sanierung zu gewährleisten, was uns ja allen zugutekäme.
Wir bieten übrigens auch unseren Mitarbeitern aus Büro, Vertrieb und Außendienst an, die Sachkunde nach TRGS 519/521 usw. zu erwerben. Dies fördert das Verständnis und Grundwissen für diesen Beruf, was wiederum sehr wichtig ist, um die Sicherheit für sich selbst und gegenüber Dritten zu gewährleisten und Kunden kompetent zu beraten.
Was müsste sich Ihrer Meinung nach verändern, um diese Situation, die ja vermutlich auch viele anderen Unternehmen in ähnlicher Weise betrifft, zu verbessern?
Der Zugang zu Qualifikationen sollte erleichtert werden, indem man die verschiedenen Angebote in mehreren Sprachen anbietet. Ein in deutscher Sprache verfasstes Dokument wird besser verstanden, wenn es in der Muttersprache noch einmal erläutert wird. Solche Übersetzungen von Schulungsunterlagen wären eine enorme Erleichterung. Hilfreich wäre auch, in der Abschlussprüfung auf einen Dolmetscher zugreifen zu können, der zum Beispiel bei speziellen Fachbegriffen oder kompliziert formulierten Fragen unterstützen kann. Ziel sollte sein, dass jeder die Chance erhält, sich weiterzubilden, ohne dass die rein sprachlichen Hürden zu groß sind.
Arbeitsschutzdokumente werden in Leichte Sprache übersetzt und Hilfsmittel für Menschen mit Behinderungen gefördert. Auch das Nicht-perfekte-Beherrschen der deutschen Sprache ist eine Einschränkung, für die der Betroffene nichts kann. Mitarbeitern ihr Weiterbilden zu erleichtern, hat auch etwas mit Wertschätzung zu tun.
Auf der anderen Seite gewinnen qualifizierte Mitarbeiter an Wert für das Unternehmen, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels. Hier sehe ich viel Potenzial, durch das Fördern von Weiterbildung einen Beitrag zu Integration, Inklusion und Chancengleichheit zu liefern. Gerade in der jetzigen Zeit ist ein Umdenken erforderlich, um das Handwerk qualitativ am Leben zu erhalten.
Vielen Dank, Herr Bohr, für Ihre interessanten und zum Nachdenken anregenden Antworten!
Wichtige Qualifizierungspflichten für Abbruch- und Sanierungsarbeiten
TRGS 519 „Asbest: Abbruch‑, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten“
- Anlage 3: Lehrgang zum Erwerb der Sachkunde nach Nummer 2.7 der TRGS 519 für ASI-Arbeiten mit Asbest
- Anlage 4: Lehrgang zum Erwerb der Sachkunde nach Nummer 2.7 TRGS 519 für Abbruch‑, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten
— an Asbestzementprodukten
— für Tätigkeiten mit geringer Exposition nach Nummer 2.8 TRGS 519
— für Arbeiten geringen Umfangs nach Nummer 2.10 TRGS 51 - Anlage 5: Mindestanforderungen für Fortbildungslehrgänge zur Sachkunde nach Nummer 2.7 TRGS 519
TRGS 524 „Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten in kontaminierten Bereichen“
- Anlage 2 A: Allgemeine Fachkunde für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit in kontaminierten Bereichen
- Anlage 2 B: Fachkunde für Tätigkeiten mit Gebäudeschadstoffen nach Nummer 2.3 Abs. 2 Nr. 13
DGUV Regel 101–004 „Kontaminierte Bereiche“
- Anhang 6 A: Lehrgang zum Erwerb der Sachkunde für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit in kontaminierten Bereichen nach Abschnitt 5.2
- Anhang 6 B: Lehrgang zum Erwerb der Sachkunde für Arbeiten zur Sanierung von Gebäudeschadstoffen nach Abschnitt 5.2
Interviewpartner:
Markus Bohr
MKI Industrieservice GmbH
BDSH e.V. Zertifizierter Sachverständiger für Gebäudeschadstoffsanierung/Bodenaltlasten