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Kein genereller Unfallversicherungsschutz an einem Probetag

Sturz aus zwei Metern Höhe
Genereller Unfallversicherungsschutz auch an einem „Probetag“?

Genereller Unfallversicherungsschutz auch an einem „Probetag“?
Ausnahmen bestätigen die Regel, dies gilt zwar generell, aber insbesondere in der Rechtsprechung. Foto: © Dudarev Mikhail – stock.adobe.com
Ste­ht ein Arbeit­suchen­der, der in einem Unternehmen einen „Probear­beit­stag“ ver­richtet und sich dabei ver­let­zt, unter dem Schutz der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung? Darüber hat­te das Bun­dessozial­gericht (BSG) am 20. August (Akten­ze­ichen B 2 U 1/18 R) zu entscheiden.

Geklagt hat­te ein Mann, der sich auf eine Stelle als Lkw-Fahrer bei einem Entsorg­er von Lebens­mit­te­labfällen bewor­ben hat­te. Im Vorstel­lungs­ge­spräch hat­te er mit dem Unternehmer vere­in­bart, einen „Probear­beit­stag“ zu absolvieren. Der Kläger sollte mit dem Lkw mit­fahren und Abfälle ein­sam­meln; Geld sollte er dafür nicht erhal­ten. Es kam, wie es kom­men musste: An seinem Probear­beit­stag stürzte der Kläger aus rund zwei Metern Höhe von der Lader­ampe des LKW und ver­let­zte sich schw­er am Kopf. Die zuständi­ge Beruf­sgenossen­schaft lehnte die Anerken­nung als Arbeit­sun­fall ab, weil der Ver­let­zte nicht in den Betrieb eingegliedert gewe­sen sei. Mit sein­er dage­gen gerichteten Klage hat­te der Mann in allen drei Gerichtsin­stanzen Erfolg.

Nach Auf­fas­sung des BSG stand der Kläger zwar nicht als Beschäftigter unter Ver­sicherungss­chutz. Ein Beschäf­ti­gungsver­hält­nis habe nicht vorgele­gen, weil der Kläger noch nicht auf Dauer in den Betrieb des Entsorgung­sun­ternehmers eingegliedert gewe­sen sei.

Wie-Beschäftigter?

Der Kläger habe aber eine „dem Entsorgung­sun­ternehmer dienende, dessen Willen entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbracht“, die einem abhängi­gen Beschäf­ti­gungsver­hält­nis ähn­lich sei. Nach Auf­fas­sung der Richter war der Mann deshalb als soge­nan­nter „Wie-Beschäftigter“ geset­zlich unfal­lver­sichert. Ins­beson­dere sei es dem Kläger nicht nur um sein eigenes Inter­esse gegan­gen, eine dauer­hafte Beschäf­ti­gung zu erlan­gen. Der Arbeit­er habe darüber hin­aus auch eine Tätigkeit mit wirtschaftlichem Wert für das Unternehmen erbracht. Denn der Probear­beit­stag sollte ger­ade auch dem Unternehmer die Auswahl eines geeigneten Bewer­bers ermöglichen.

Dies ist die Ausnahme!

Bedeutet die Entschei­dung des BSG nun, dass jegliche Probear­beit grund­sät­zlich ver­sichert ist?

Die Antwort lautet ganz klar: Nein.

Auch wenn das in den (Tages)Medien teil­weise so dargestellt wurde. Pro­be­tage wer­den häu­fig vere­in­bart. Bevor ein Arbeit­nehmer eingestellt wird, soll er zunächst ein­mal für einen oder mehrere Tage in die poten­zielle neue Tätigkeit „hinein­schnup­pern“. Deshalb wer­den solche Tage häu­fig auch als „Schnup­pertage“ beze­ich­net. Die Recht­sprechung spricht in der Regel von einem „Ein­füh­lungsver­hält­nis“. Bei einem solchen Ein­füh­lungsver­hält­nis ste­ht nicht die Arbeit­sleis­tung im Vorder­grund, son­dern die Abklärung, ob der Bewer­ber für den Job geeignet ist. Es ist dem­nach nur ein „unverbindlich­es Ken­nen­ler­nen“ gewollt, bei dem bei­de Parteien kein­er­lei Verpflich­tun­gen übernehmen. Bei ein­er „richti­gen“ Probear­beit dage­gen übern­immt der Bewer­ber auf Anweisung des Chefs betrieblich notwendi­ge Arbeit­en – eben­so wie die reg­ulär Beschäftigten. Und damit han­delt es sich um ein Arbeitsver­hält­nis, aus dem auch ein Anspruch auf Bezahlung entsteht.

Auch nach dem BSG-Urteil bleibt es also dabei: Die pri­vate Arbeitssuche und Ver­hand­lun­gen über den Abschluss eines Arbeitsver­trages ein­schließlich Pro­be­tag sind dem eigen­wirtschaftlichen Bere­ich zuzuord­nen und ste­hen grund­sät­zlich nicht unter dem Schutz der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung. Aus­nah­men bestäti­gen die Regel.


Autorin:
Tan­ja Sautter

Juristin bei der BG Verkehr


Haftungsansprüche

Sportlehrer müssen Erste Hilfe leisten (können)

Erste Hil­fe gehört zur Amt­spflicht von Sportlehrern. Dies hat der Bun­des­gericht­shof (BGH) am 4. April 2019 entsch­ieden. Ein ehe­ma­liger Schüler machte Amt­shaf­tungsansprüche wegen behauptet unzure­ichen­der Erste-Hil­fe-Maß­nah­men durch das Lehrper­son­al des Lan­des Hes­sen gel­tend. Anlass war ein im Sportun­ter­richt erlit­ten­er Zusam­men­bruch (Akten­ze­ichen III ZR 35/18).

Der sein­erzeit 18 Jahre alte Kläger war während des Sportun­ter­richts an sein­er Schule zusam­menge­brochen und hat­te einen irre­versiblen Hirn­schaden erlit­ten. Der Schüler hat­te etwa fünf Minuten nach Beginn des Aufwärm­train­ings aufge­hört zu laufen und rutschte an der Wand ent­lang in eine Sitz­po­si­tion. Auf Ansprache reagierte er nicht mehr. Die Sportlehrerin set­zte einen Notruf ab. Von der Leit­stelle erhielt sie die Anweisung, den Kläger in die sta­bile Seit­en­lage zu ver­brin­gen. Die ein paar Minuten später eingetrof­fe­nen San­itäter und der Notarzt began­nen sofort mit Wieder­bele­bungs­maß­nah­men, die unge­fähr 45 Minuten dauerten. Dann wurde der intubierte und beat­mete Kläger in eine Klinik gebracht. Im Auf­nah­me­bericht wurde ver­merkt, dass beim Ein­tr­e­f­fen des Notarztes bere­its eine acht minütige Bewusst­losigkeit ohne jegliche Laien­re­an­i­ma­tion bestanden habe. Es wurde ein hypox­is­ch­er Hirn­schaden nach Kam­mer­flim­mern diag­nos­tiziert, dessen genaue Ursache unklar blieb. Seit­dem ist der junge Mann schwerstbehindert.

Der Kläger ver­langt nun Schadenser­satz, weil seine Lehrerin und ein weit­er­er her­beigerufen­er Sportlehrer die notwendi­ge Rean­i­ma­tion unter­lassen und dadurch den Hirn­schaden her­beige­führt hät­ten. Ob der ehe­ma­lige Schüler tat­säch­lich auf Schadenser­satz und Schmerzens­geld hof­fen kann, ist noch offen. Der BGH hat den Fall zur Neu­ver­hand­lung und Entschei­dung an das Ober­lan­des­gericht Frank­furt zurück­ver­wiesen, weil erforder­liche Gutacht­en nicht einge­holt wurden.

Der BGH betonte aber die Erste-Hil­fe-Pflicht für Lehrer im Sportun­ter­richt. Sportlehrern obliege hier eine entsprechende Amt­spflicht, erforder­liche und zumut­bare Erste-Hil­fe-Maß­nah­men rechtzeit­ig durchzuführen. Sie müssen mit Not­fällen rech­nen und deshalb eine aktuelle Aus­bil­dung in Erster Hil­fe haben. Auf das Haf­tung­spriv­i­leg für Nothelfer kön­nen sie sich nicht berufen. Dieses solle Bürg­er schützen, die spon­tan bei einem Unglücks­fall Erste Hil­fe leis­ten und dabei Fehler machen. Ein Lehrer sei im Ver­hält­nis zu seinen Schülern aber grund­sät­zlich kein unbeteiligter Drit­ter. Dabei sei auch zu berück­sichti­gen, dass der Staat die Schüler zur Teil­nahme am Sportun­ter­richt verpflichtet. Lehrer beziehungsweise der Dien­s­therr müssen daher gegebe­nen­falls schon bei leichter Fahrläs­sigkeit haften.

Die Vorin­stanz muss nun erneut mit Hil­fe eines Sachver­ständi­gen prüfen, ob die unter­lasse­nen Hil­f­s­maß­nah­men ursäch­lich für die einge­tretene Hirn­schädi­gung waren. Denn nur wenn ein Zusam­men­hang zwis­chen der unter­lasse­nen Rean­i­ma­tion und der Behin­derung bewiesen wird, hat der junge Mann Anspruch auf Schadenser­satz und Schmerzensgeld.

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