Alleinarbeit ist weit verbreitet. Fast jeder arbeitet das eine oder andere Mal alleine. Generell entspricht Alleinarbeit dem üblichen Lebensrisiko und stellt kein Arbeitsschutzproblem dar. Doch mit der Zunahme an Gefährdungen ändert sich das. Dann müssen Maßnahmen zur Sicherheit ergriffen werden, denn bei einem Unfall darf ein allein Arbeitender nicht benachteiligt sein.
Grundsätzlich gilt: Wer außerhalb von Sicht- und Rufweite zu anderen Personen tätig ist, leistet Alleinarbeit. Eine gefährliche Angelegenheit zum Beispiel bei Tätigkeiten mit Absturzgefahr und deshalb in diesem Fall verboten. Allerdings gibt es auch Alleinarbeit, die üblich und normalerweise auch ungefährlich ist, wie etwa Bürotätigkeiten oder Wachdienste.
Notfälle, die nicht durch betriebliche Gefahren verursacht werden, wie etwa ein Herzinfarkt, gelten nicht als besondere Risiken für einen Arbeitsplatz. Auch lässt sich trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nicht jeder Arbeitsunfall vermeiden. Unachtsamkeit oder ein Missgeschick sind nicht kalkulierbar.
Alleinarbeit: Die Gefährdungsbeurteilung muss sein
Ob und wie gefährlich eine Tätigkeit ist, die allein durchgeführt werden soll, ist vom Arbeitgeber mit einer Gefährdungsbeurteilung einzuschätzen. So ist zum Beispiel die Kursberatung in einer Volkshochschule ungefährlich und kann in einem Einzelbüro stattfinden. Ein erhöhtes Risiko besteht hingegen bei Einzelgesprächen für die Mitarbeiter in Sozialämtern, psychiatrischen Kliniken oder Justizvollzugsanstalten. Hier können Notsignal-Systeme den Mitarbeitern Sicherheit bieten.
Generell muss jeder Arbeitsplatz so ausgestattet sein, dass ein Mitarbeiter jederzeit per Telefon oder Handy Kontakt etwa zur Pforte, zur Zentrale oder zum Notruf 112 aufnehmen kann. Eine Videoeinrichtung im Dauerbetrieb zum Schutz bei der Arbeit ist dagegen nur zulässig, wenn alle Beteiligten damit einverstanden sind und der Einsatz mit der Betriebsvertretung abgesprochen wurde. Bei gefährlichen Tätigkeiten ist Alleinarbeit jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich oder generell ausgeschlossen.
Arbeiten gelten als gefährlich, wenn das Arbeitsverfahren, die Art der Tätigkeit, die verwendeten Stoffe oder die Umgebung eine erhöhte oder kritische Gefährdung darstellen, gegen die keine ausreichenden Schutzmaßnahmen ergriffen werden können.
Die Gefährdungen sind vom Arbeitgeber zu ermitteln und zu beurteilen, damit geeignete Maßnahmen wie zum Beispiel regelmäßige Kontrollgänge oder Notruf-Systeme ergriffen werden können, so § 5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG).
Die Gefährdungsstufen
Am späten Vormittag ist nicht viel los im Kiosk von Karim T. Er nutzt die Zeit, um die Regale aufzufüllen. Er ist dabei für einen Augenblick unachtsam. Ein Glas mit Essiggurken fällt auf den Boden und zerbricht. Karim T. ärgert sich, dass er nun auch noch sauber machen muss. Und dann schneidet er sich auch noch in die Hand, als er die Scherben aufsammelt. Doch solche Situationen gehören nun einmal zum Alltag eines Kioskbesitzers und stellen lediglich eine geringe Gefährdung dar.
Von einer geringen Gefährdung bei einer Tätigkeit spricht man, wenn die Gefahren kein Lebensrisiko verursachen, sondern alltäglicher Art sind. Bei einem Arbeitsunfall ist zu erwarten, dass die betroffene Person handlungsfähig bleibt, also selbst Hilfe holen kann.
- Bei einer geringen Gefährdung ist eine Überwachung der Alleinarbeit grundsätzlich nicht erforderlich.
- Bei einer erhöhten Gefährdung am Arbeitsplatz etwa durch Brand- oder Explosionsgefahr, Laserstrahlen oder Maschinen mit Einzug kann es bei einem Unfall zu erheblichen Verletzungen oder plötzlichen Einschränkungen der Handlungsfähigkeit kommen.
Je höher die Gefährdung, desto höher sind die Ansprüche an die durchzuführenden Maßnahmen. Die Alleinarbeit muss bei einer erhöhten Gefährdung regelmäßig überwacht werden, etwa durch gegenseitige Überwachung der Mitarbeiter, Kontrollanrufe oder Kontrollgänge.
Beim Abstieg von der Leiter strauchelt Peter K. und stürzt. Schmerz und Schreck sind groß und niemand ist da, um zu helfen. Sein Kollege war losgefahren, um neues Material zu besorgen. Das kommt öfter vor und war bisher immer gut gegangen. Doch jetzt liegt der junge Trockenbauer bewegungslos am Boden und atmet schwer. Die Nachbarn in den umliegenden Wohnungen ahnen nichts von dem Mann, der dringend medizinische Hilfe braucht. An den Baulärm aus der Wohnung, die renoviert wird, haben sie sich seit Tagen gewöhnt.
Kritische Gefährdungen können bei einem Unfall besonders schwere Verletzungen oder Beeinträchtigungen verursachen. Die Folgen können so gravierend sein, dass die verunfallte Person nicht mehr handlungsfähig ist. Zu den Risiken zählen unter anderem Abstürze, Enge oder Sichtbehinderung, aber auch erschwerte Fluchtbedingungen.
Wer unter kritischen Bedingungen arbeitet, darf dies nicht alleine machen. Da es Situationen gibt, bei denen nur eine Person vor Ort arbeiten kann, muss dann eine Überwachung, zum Beispiel mit Signalmitteln, erfolgen.
Notsignal-Systeme geben Alarm
Wenn kein Kollege in der Nähe ist oder sein kann und gefährliche Alleinarbeiten ausgeführt werden müssen, ist die allein arbeitende Person mit einem Personen-Notsignal-System auszustatten. Diese Geräte können von der Person selbst ausgelöst werden, wenn sie etwa nach einem Unfall noch dazu fähig ist. Ist die Person jedoch handlungsunfähig, also etwa bewusstlos, löst das Personen-Notsignal-System selbstständig den Alarm aus. Das Gerät kann eine Notsituation zum Beispiel daran erkennen, dass sich eine Person über einen längeren Zeitraum nicht bewegt oder dass sie eine Position eingenommen hat, die nicht mit der auszuführenden Tätigkeit zusammenpasst, also wenn etwa die Person eigentlich im Stehen arbeitet und auf einmal auf dem Boden liegt.
Mitarbeiter, die ein Meldesystem mit sich tragen, müssen im Umgang damit geschult werden. Die Informationen dazu müssen zudem in einer Betriebsanweisung zusammengefasst sein.
Damit nicht zu viele Geräte bei der Arbeit mitgenommen werden müssen, gibt es auch Handys mit Zusatzfunktionen. Mit diesen Mobiltelefonen kann sowohl telefoniert als auch im Notfall automatisch Hilfe angefordert werden. Gleichzeitig mit dem Alarm wird außerdem eine Sprechverbindung über die Freisprechfunktion des Handys aufgebaut. Dadurch lässt sich schnell ermitteln, ob die betroffene Person ansprechbar ist beziehungsweise welche Hilfe sie benötigt. So kann der unverzichtbare Begleiter zum Lebensretter werden.
Psychische Belastungen bei Alleinarbeit
Die Vorstellung, dass ein Unfall passiert und dies niemand mitbekommt, ist eines der Hauptprobleme bei der Alleinarbeit. Aber auch andere Probleme sollte man nicht außer Acht lassen. So können vor allem psychische Belastungen den allein Tätigen zu schaffen machen. Dazu zählen unter anderem
- Stress wegen mangelnder Unterstützung bei außergewöhnlichen Ereignissen,
- Überforderung,
- das Gefühl der Isolation oder
- Angst.
Für die Verantwortlichen im Arbeitsschutz ist es zudem eine Herausforderung dafür zu sorgen, dass die allein arbeitenden Personen ein Sicherungssystem akzeptieren und zuverlässig einsetzen. Auch die Unterweisung zum Verhalten in Notsituationen muss besonders ernst genommen werden. Denn bei der Alleinarbeit ist im Notfall kein Kollege in der Nähe, den man um Rat und Hilfe bitten oder der einem den Fluchtweg weisen kann. Auch sollte man daran denken, dass für die Alleinarbeit nur dafür geeignete Mitarbeiter eingesetzt werden. Nach zwei Schlaganfällen sollte zum Beispiel niemand mehr alleine arbeiten. Bei jeglichen gesundheitlichen Bedenken empfiehlt es sich, die Eignung durch den Betriebsarzt feststellen zu lassen.
Weitere Informationen zum Thema Alleinarbeit:
- bei der österreichischen Arbeitsinspektion, www.arbeitsinspektion.gv.at
- bei den Berufsgenossenschaften
- DGUV Regel 112–139 „Einsatz von Personen-Notsignal-Anlagen“
- im Arbeitsschutzgesetz unter www.gesetze-im-internet.de/arbschg/
- in der DGUV Vorschrift 1, Grundsätze der Prävention, § 8 unter http://publikationen.dguv.de/dguv/pdf/10002/1.pdf
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