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Alleinarbeit - wenn einen niemand sieht und hört; Tipps für die Praxis

Gefährdungen vermeiden
Alleinarbeit — wenn einen niemand sieht und hört

Alleinarbeit - wenn einen niemand sieht und hört
Alleine arbeiten kann gefährlich sein, und entsprechende Maßnahmen müssen vom Arbeitgeber getroffen werden. Foto: © motorradcbr - Fotolia.com
Bettina Brucker
Alleinar­beit ist weit ver­bre­it­et. Fast jed­er arbeit­et das eine oder andere Mal alleine. Generell entspricht Alleinar­beit dem üblichen Leben­srisiko und stellt kein Arbeitss­chutzprob­lem dar. Doch mit der Zunahme an Gefährdun­gen ändert sich das. Dann müssen Maß­nah­men zur Sicher­heit ergrif­f­en wer­den, denn bei einem Unfall darf ein allein Arbei­t­en­der nicht benachteiligt sein.

Grund­sät­zlich gilt: Wer außer­halb von Sicht- und Rufweite zu anderen Per­so­n­en tätig ist, leis­tet Alleinar­beit. Eine gefährliche Angele­gen­heit zum Beispiel bei Tätigkeit­en mit Absturzge­fahr und deshalb in diesem Fall ver­boten. Allerd­ings gibt es auch Alleinar­beit, die üblich und nor­maler­weise auch unge­fährlich ist, wie etwa Bürotätigkeit­en oder Wachdienste.
 
Not­fälle, die nicht durch betriebliche Gefahren verur­sacht wer­den, wie etwa ein Herz­in­farkt, gel­ten nicht als beson­dere Risiken für einen Arbeit­splatz. Auch lässt sich trotz aller Vor­sichts­maß­nah­men nicht jed­er Arbeit­sun­fall ver­mei­den. Unacht­samkeit oder ein Miss­geschick sind nicht kalkulierbar.

Alleinarbeit: Die Gefährdungsbeurteilung muss sein

Ob und wie gefährlich eine Tätigkeit ist, die allein durchge­führt wer­den soll, ist vom Arbeit­ge­ber mit ein­er Gefährdungs­beurteilung einzuschätzen. So ist zum Beispiel die Kurs­ber­atung in ein­er Volk­shochschule unge­fährlich und kann in einem Einzel­büro stat­tfind­en. Ein erhöht­es Risiko beste­ht hinge­gen bei Einzelge­sprächen für die Mitar­beit­er in Sozialämtern, psy­chi­a­trischen Kliniken oder Jus­tizvol­lzugsanstal­ten. Hier kön­nen Notsig­nal-Sys­teme den Mitar­beit­ern Sicher­heit bieten.
 
Generell muss jed­er Arbeit­splatz so aus­ges­tat­tet sein, dass ein Mitar­beit­er jed­erzeit per Tele­fon oder Handy Kon­takt etwa zur Pforte, zur Zen­trale oder zum Notruf 112 aufnehmen kann. Eine Videoein­rich­tung im Dauer­be­trieb zum Schutz bei der Arbeit ist dage­gen nur zuläs­sig, wenn alle Beteiligten damit ein­ver­standen sind und der Ein­satz mit der Betrieb­svertre­tung abge­sprochen wurde. Bei gefährlichen Tätigkeit­en ist Alleinar­beit jedoch nur unter bes­timmten Voraus­set­zun­gen möglich oder generell ausgeschlossen.

Arbeit­en gel­ten als gefährlich, wenn das Arbeitsver­fahren, die Art der Tätigkeit, die ver­wen­de­ten Stoffe oder die Umge­bung eine erhöhte oder kri­tis­che Gefährdung darstellen, gegen die keine aus­re­ichen­den Schutz­maß­nah­men ergrif­f­en wer­den können.

Die Gefährdun­gen sind vom Arbeit­ge­ber zu ermit­teln und zu beurteilen, damit geeignete Maß­nah­men wie zum Beispiel regelmäßige Kon­troll­gänge oder Notruf-Sys­teme ergrif­f­en wer­den kön­nen, so § 5 des Arbeitss­chutzge­set­zes (Arb­SchG).

Die Gefährdungsstufen

Am späten Vor­mit­tag ist nicht viel los im Kiosk von Karim T. Er nutzt die Zeit, um die Regale aufzufüllen. Er ist dabei für einen Augen­blick unacht­sam. Ein Glas mit Essig­gurken fällt auf den Boden und zer­bricht. Karim T. ärg­ert sich, dass er nun auch noch sauber machen muss. Und dann schnei­det er sich auch noch in die Hand, als er die Scher­ben auf­sam­melt. Doch solche Sit­u­a­tio­nen gehören nun ein­mal zum All­t­ag eines Kioskbe­sitzers und stellen lediglich eine geringe Gefährdung dar.
 
Von ein­er gerin­gen Gefährdung bei ein­er Tätigkeit spricht man, wenn die Gefahren kein Leben­srisiko verur­sachen, son­dern alltäglich­er Art sind. Bei einem Arbeit­sun­fall ist zu erwarten, dass die betrof­fene Per­son hand­lungs­fähig bleibt, also selb­st Hil­fe holen kann.
  • Bei ein­er gerin­gen Gefährdung ist eine Überwachung der Alleinar­beit grund­sät­zlich nicht erforderlich.
  • Bei ein­er erhöht­en Gefährdung am Arbeit­splatz etwa durch Brand- oder Explo­sion­s­ge­fahr, Laser­strahlen oder Maschi­nen mit Einzug kann es bei einem Unfall zu erhe­blichen Ver­let­zun­gen oder plöt­zlichen Ein­schränkun­gen der Hand­lungs­fähigkeit kommen.

Je höher die Gefährdung, desto höher sind die Ansprüche an die durchzuführen­den Maß­nah­men. Die Alleinar­beit muss bei ein­er erhöht­en Gefährdung regelmäßig überwacht wer­den, etwa durch gegen­seit­ige Überwachung der Mitar­beit­er, Kon­trol­lan­rufe oder Kontrollgänge.

Beim Abstieg von der Leit­er strauchelt Peter K. und stürzt. Schmerz und Schreck sind groß und nie­mand ist da, um zu helfen. Sein Kol­lege war los­ge­fahren, um neues Mate­r­i­al zu besor­gen. Das kommt öfter vor und war bish­er immer gut gegan­gen. Doch jet­zt liegt der junge Trock­en­bauer bewe­gungs­los am Boden und atmet schw­er. Die Nach­barn in den umliegen­den Woh­nun­gen ahnen nichts von dem Mann, der drin­gend medi­zinis­che Hil­fe braucht. An den Baulärm aus der Woh­nung, die ren­oviert wird, haben sie sich seit Tagen gewöhnt.
 
Kri­tis­che Gefährdun­gen kön­nen bei einem Unfall beson­ders schwere Ver­let­zun­gen oder Beein­träch­ti­gun­gen verur­sachen. Die Fol­gen kön­nen so gravierend sein, dass die verun­fallte Per­son nicht mehr hand­lungs­fähig ist. Zu den Risiken zählen unter anderem Abstürze, Enge oder Sicht­be­hin­derung, aber auch erschw­erte Fluchtbedingungen.
 
Wer unter kri­tis­chen Bedin­gun­gen arbeit­et, darf dies nicht alleine machen. Da es Sit­u­a­tio­nen gibt, bei denen nur eine Per­son vor Ort arbeit­en kann, muss dann eine Überwachung, zum Beispiel mit Sig­nalmit­teln, erfolgen.

Notsignal-Systeme geben Alarm

Wenn kein Kol­lege in der Nähe ist oder sein kann und gefährliche Alleinar­beit­en aus­ge­führt wer­den müssen, ist die allein arbei­t­ende Per­son mit einem Per­so­n­en-Notsig­nal-Sys­tem auszus­tat­ten. Diese Geräte kön­nen von der Per­son selb­st aus­gelöst wer­den, wenn sie etwa nach einem Unfall noch dazu fähig ist. Ist die Per­son jedoch hand­lung­sun­fähig, also etwa bewusst­los, löst das Per­so­n­en-Notsig­nal-Sys­tem selb­st­ständig den Alarm aus. Das Gerät kann eine Not­si­t­u­a­tion zum Beispiel daran erken­nen, dass sich eine Per­son über einen län­geren Zeitraum nicht bewegt oder dass sie eine Posi­tion ein­genom­men hat, die nicht mit der auszuführen­den Tätigkeit zusam­men­passt, also wenn etwa die Per­son eigentlich im Ste­hen arbeit­et und auf ein­mal auf dem Boden liegt.
 
Mitar­beit­er, die ein Meldesys­tem mit sich tra­gen, müssen im Umgang damit geschult wer­den. Die Infor­ma­tio­nen dazu müssen zudem in ein­er Betrieb­san­weisung zusam­menge­fasst sein.
 
Damit nicht zu viele Geräte bei der Arbeit mitgenom­men wer­den müssen, gibt es auch Handys mit Zusatz­funk­tio­nen. Mit diesen Mobil­tele­fo­nen kann sowohl tele­foniert als auch im Not­fall automa­tisch Hil­fe ange­fordert wer­den. Gle­ichzeit­ig mit dem Alarm wird außer­dem eine Sprechverbindung über die Freis­prech­funk­tion des Handys aufge­baut. Dadurch lässt sich schnell ermit­teln, ob die betrof­fene Per­son ansprech­bar ist beziehungsweise welche Hil­fe sie benötigt. So kann der unverzicht­bare Begleit­er zum Leben­sret­ter werden.

Psychische Belastungen bei Alleinarbeit

Die Vorstel­lung, dass ein Unfall passiert und dies nie­mand mit­bekommt, ist eines der Haupt­prob­leme bei der Alleinar­beit. Aber auch andere Prob­leme sollte man nicht außer Acht lassen. So kön­nen vor allem psy­chis­che Belas­tun­gen den allein Täti­gen zu schaf­fen machen. Dazu zählen unter anderem
  • Stress wegen man­gel­nder Unter­stützung bei außergewöhn­lichen Ereignissen,
  • Über­forderung,
  • das Gefühl der Iso­la­tion oder
  • Angst.
Für die Ver­ant­wortlichen im Arbeitss­chutz ist es zudem eine Her­aus­forderung dafür zu sor­gen, dass die allein arbei­t­en­den Per­so­n­en ein Sicherungssys­tem akzep­tieren und zuver­läs­sig ein­set­zen. Auch die Unter­weisung zum Ver­hal­ten in Not­si­t­u­a­tio­nen muss beson­ders ernst genom­men wer­den. Denn bei der Alleinar­beit ist im Not­fall kein Kol­lege in der Nähe, den man um Rat und Hil­fe bit­ten oder der einem den Fluchtweg weisen kann. Auch sollte man daran denken, dass für die Alleinar­beit nur dafür geeignete Mitar­beit­er einge­set­zt wer­den. Nach zwei Schla­gan­fällen sollte zum Beispiel nie­mand mehr alleine arbeit­en. Bei jeglichen gesund­heitlichen Bedenken emp­fiehlt es sich, die Eig­nung durch den Betrieb­sarzt fest­stellen zu lassen.
 

Weitere Informationen zum Thema Alleinarbeit:

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