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Arbeitssicherheit als Grundlage für gelebte ethische Prinzipien

Interview mit Dr. Stefan Hussy
Arbeitssicherheit als Grundlage für gelebte ethische Prinzipien

Arbeitssicherheit als Grundlage für gelebte ethische Prinzipien
Dr. Stefan Hussy, Hauptgeschäftsführer der DGUV, Foto: © DGUV
Saskia A. Rotterdam

Dr. Ste­fan Hussy, Haupt­geschäfts­führer der Deutschen Geset­zlichen Unfal­lver­sicherung (DGUV) betont im Inter­view, dass Arbeitssicher­heit als Grund­lage für gelebte ethis­che Prinzip­i­en ange­se­hen wer­den kann. Denn Präven­tion stellt den Men­schen und dessen Gesund­heit in den Mit­telpunkt und nimmt die Her­aus­forderun­gen der sich immer schneller verän­dern­den Arbeitswelt an. Sie liefert hier­durch einen Rah­men und gibt Hil­festel­lun­gen für die Entschei­dun­gen aller Men­schen in den Unternehmen und Bildungseinrichtungen. 


Dr. Stefan Hussy zu Ethik in der Arbeitssicherheit

Ethik – ein schw­ergewichtiges Wort, dass in Zeit­en der Pan­demie und durch neue Geset­ze wie das Liefer­ket­tenge­setz zunehmend im Unternehmen­su­m­feld an Bedeu­tung gewon­nen hat. Dr. Ste­fan Hussy, wo sehen Sie die ethis­chen Ansatzpunk­te in der Arbeitssicher­heit und wie hat die DGUV diese vielle­icht bere­its aufgegriffen?

Der Kerngedanke von Arbeitssicher­heit ist es, Beschäf­ti­gung so sich­er und gesund wie möglich zu gestal­ten. Das ist auch der Präven­tion­sauf­trag der geset­zlichen Unfal­lver­sicherung. Über­tra­gen auf die glob­al­isierte Wirtschaft heißt das: Wir müssen uns nicht nur für gute Arbeits­be­din­gun­gen im Inland, son­dern auch für sichere Liefer­ket­ten ins und aus dem Aus­land ein­set­zen. Alle Men­schen ent­lang der Fer­ti­gungs­kette brauchen sichere und gesunde Arbeit­splätze. Das Gle­iche gilt für Beschäftigte in neuen Arbeits­for­men wie Plat­tfor­mar­beit und Soloselb­ständigkeit. Die Pan­demie hat zudem gezeigt, dass ger­ade für Beschäftige in sys­tem­rel­e­van­ten Branchen, wie zum Beispiel der Pflege oder dem Einzel­han­del, die Arbeits­be­din­gun­gen verbessert wer­den müssen.

Eine weit­ere ethis­che Frage, die mit dem Arbeitss­chutz eng ver­bun­den ist, ist der Ein­satz für mehr Nach­haltigkeit in allen Arbeit­sprozessen. Wobei ich Nach­haltigkeit im Sinne der UN-Agen­da 2030 ver­ste­he. Sie beschreibt den Auf­trag, allen Men­schen ein men­schen­würdi­ges Leben zu ermöglichen und gle­ichzeit­ig die natür­lichen Lebens­grund­la­gen zu bewahren. Dieses Konzept umfasst ökonomis­che, ökol­o­gis­che und soziale Aspekte.

Inner­halb der DGUV arbeit­en wir an vie­len der ger­ade genan­nten Punk­te. Mit unser­er Präven­tion ver­fol­gen wir das Ziel der Vision Zero – keine schw­eren oder gar tödlichen Arbeit­sun­fälle mehr. Mit unser­er Strate­gie 2029 stärken wir die Beteili­gung aller Beschäftigten und for­mulieren ein gemein­sames Leit­bild im Unternehmen. Weit­ere ethisch rel­e­vante Bere­iche, die wir bere­its abdeck­en, sind zum Beispiel Com­pli­ance und Nachhaltigkeit.

“Das Leben ist schön, solange nichts passiert” – Im Rah­men sein­er beru­flichen Tätigkeit nicht zu verun­fall­en, ist keine Frage des Glücks. Wo sehen Sie die größten Her­aus­forderun­gen in der Grat­wan­derung zwis­chen ein­er ethis­chen Umset­zung der Vorschriften in Kor­re­la­tion mit den Gewin­n­max­imierung von Unternehmen?

Erfol­gre­ich­es Wirtschaften ste­ht nicht im Wider­spruch zu ethis­chen Grund­sätzen, im Gegen­teil. Langfristig erfol­gre­iche Unternehmen und Organ­i­sa­tio­nen basieren auf einem Werte­gerüst und ein­er darauf auf­bauen­den Unternehmen­skul­tur. Investi­tio­nen in die Präven­tion rech­nen sich für Unternehmen, sie sind eine wichtige Grund­lage für den Erfolg. Das haben die Erhe­bun­gen der Inter­na­tionalen Vere­ini­gung für Soziale Sicher­heit (IVSS) zum „return on pre­ven­tion deut­lich gezeigt. Das Gle­iche gilt für die Ein­beziehung der Beschäftigten in Verän­derung­sprozesse und für das The­ma Nach­haltigkeit. Nicht zu vergessen: Arbeitss­chutz ist keine Wahlleis­tung. Der Geset­zge­ber hat die Für­sorgepflicht­en des Arbeit­ge­bers oder der Arbeit­ge­berin geset­zlich klar geregelt.

Wo sehen Sie die Zusam­men­hänge zwis­chen ein­er Sicher­heit­skul­tur im Unternehmen und ein­er ethis­chen Umsetzung?

Eine Sicher­heit­skul­tur bein­hal­tet bere­its im Ansatz das Ziel, den Men­schen sichere und gesunde Arbeit­splätze zur Ver­fü­gung zu stellen. Sie ist somit Aus­druck ein­er ethis­chen Grund­hal­tung. Mit ein­er guten Präven­tion­skul­tur – dieses Konzept geht nach mein­er Auf­fas­sung noch über das ein­er Sicher­heit­skul­tur hin­aus – übern­immt das Unternehmen Ver­ant­wor­tung für seine Beschäftigten und beteiligt sie bei der Aus­gestal­tung des Arbeit­sum­felds. Auf diese Weise wird Präven­tion zu einem ele­mentaren Teil der Unternehmen­skul­tur. Sicher­heit und Gesund­heit wer­den bei allen Entschei­dun­gen mitgedacht. Von der prak­tis­chen Umset­zung dieses ethis­chen Han­delns prof­i­tieren Beschäftigte und Führungskräfte gleichermaßen.

Durch die Pan­demie waren viele Unternehmen dazu gezwun­gen, das Arbeit­sum­feld der Beschäftigten von einem Tag auf den anderen voll­ständig umzukrem­peln. Plöt­zlich sah man sich der Her­aus­forderung gegenübergestellt, dass beispiel­sweise alle Büro-Beschäftigten im Home Office arbeit­en mussten. Inwieweit hat die Pan­demie mit ihren vielfälti­gen Her­aus­forderun­gen an die Arbeitssicher­heit eine Verän­derung im Umgang miteinan­der und in der Umset­zung der Arbeitssicher­heits­maß­nah­men bewirkt?

Die Ad-hoc-Umstel­lung auf die Arbeit im Home­of­fice war sowohl für die Beschäftigten als auch für die Führungskräfte eine kom­plexe Her­aus­forderung. Es mussten zum Beispiel neue For­men der Kom­mu­nika­tion und des Miteinan­ders gefun­den wer­den, um Gesund­heit­srisiken wie Vere­in­samung oder Über­las­tung ent­ge­gen­zuwirken. An vie­len Punk­ten waren auch Verän­derun­gen in der Arbeit­sor­gan­i­sa­tion notwendig.

Wir sehen sowohl Vor- als auch Nachteile des Arbeit­ens im Home­of­fice. Es bietet dem Einzel­nen mehr Flex­i­bil­ität und Selb­st­bes­tim­mung, fordert aber auch mehr Eigenor­gan­i­sa­tion und Eigen­ver­ant­wor­tung für die eigene Gesund­heit. Inzwis­chen gibt es eine Rei­he von Unter­suchun­gen zu diesem The­ma. Im Ergeb­nis bew­erteten viele der Befragten trotz der schwieri­gen Rah­menbe­din­gun­gen der Pan­demie die Möglichkeit­en des Home­of­fice pos­i­tiv und woll­ten diese auch in Zukun­ft nutzen. Eine Erhe­bung des Rates der Arbeitswelt zeigt aber auch: Der Betrieb bleibt wichtig als Ort der Begeg­nung, der direk­ten Kom­mu­nika­tion und Zusam­me­nar­beit, let­ztlich auch als Ort der Inno­va­tion und Weiterentwicklung.

Für die geset­zliche Unfal­lver­sicherung ist es deshalb wichtig, Betriebe dabei zu unter­stützen, für die Zukun­ft eine gemein­same Sicher­heits- und Gesund­heit­skom­pe­tenz zu entwick­eln – egal ob am fes­ten Arbeit­splatz oder im Home­of­fice. Führungskräfte und Beschäftigte müssen die Inhalte und die Wichtigkeit dieser Kom­pe­tenz als wesentlichen Bestandteil der Präven­tion­skul­tur ver­ste­hen und gezielt darin geschult werden.

Unab­hängig von den Auswirkun­gen der Pan­demie gese­hen: was wäre Ihre Wun­schvorstel­lung der Berück­sich­ti­gung ethis­ch­er Kom­po­nen­ten in der Arbeitssicherheit?

Gelebter Arbeitss­chutz sollte zu ein­er guten Lebens- und Arbeit­squal­ität für alle Akteurin­nen und Akteure in einem Unternehmen oder ein­er Ein­rich­tung führen. Um dies zu erre­ichen, sind eine gute Gespräch­skul­tur und gemein­same Vere­in­barun­gen für mehr Sicher­heit und Gesund­heit bei der Arbeit uner­lässlich. Dieses Bewusst­sein, dass es gemein­sam bess­er geht und dass es allen hil­ft, wenn Sicher­heit und Gesund­heit im täglichen Tun und Han­deln ver­ankert sind, das würde ich mir wünschen.

Im Juli 2021 haben Sie an einem Com­pli­ance-Erfahrungsaus­tausch teilgenom­men, bei dem Integrität und Com­pli­ance the­ma­tisiert wur­den. Für viele Unternehmen ist es sehr wichtig, prof­ita­bles Wirtschaften mit hohen ethis­chen Ansprüchen zu verknüpfen und dies in einem Com­pli­ance Man­age­ment abzu­bilden. Welche ethis­chen Grund­sätze und Stan­dards liegen Ihnen für die DGUV beson­ders am Herzen?

Wichtige Grund­sätze sind – wie schon erwäh­nt – die Vision Zero, die Beteili­gung der Beschäftigten und Nach­haltigkeit. Zen­tral ist aber auch das The­ma Com­pli­ance. Die DGUV hat einen Kon­for­mitäts­beauf­tragten bestellt, der mit seinen Tätigkeit­en unmit­tel­bar der Geschäfts­führung unter­stellt ist. Er berät uns bei aktuellen Fragestel­lun­gen zur Ver­mei­dung und Aufk­lärung von Kor­rup­tions­fällen und Hand­lun­gen, die dem Ver­band vorsät­zlich schaden wollen. Die Beschäftigten wer­den schon bei der Ein­führungsver­anstal­tung über die ethis­chen Grund­la­gen der Com­pli­ance informiert und anschließend in regelmäßi­gen Abstän­den immer wieder sensibilisiert.

Das Inter­view führte Sask­ia A. Rotterdam 

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