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Neue Führungskräfte unterweisen

Unterweisung: Pflichtenübertragung und Verantwortung
Neue Führungskräfte unterweisen

Neue Führungskräfte unterweisen
Foto: © Olha - stock.adobe.com
Wenn Beschäftigte erst­mals Führungskraft wer­den, übernehmen sie neue Auf­gaben. Welche Wichtigkeit dem Arbeitss­chutz in ihrer neuen Rolle zukommt, unter­schätzen viele. Die Frage stellt sich: Ste­ht im Arbeitsver­trag beziehungsweise ein­er ergänzen­den Pflicht­enüber­tra­gung alles zur Ver­ant­wor­tung von Führungskräften und wie sie diese umzuset­zen haben?

Wird die Bedeu­tung ein­er solchen Pflich­t­en­del­e­ga­tion in Schrift­form über­schätzt? Nicht alle Pflicht­en sind immer expliz­it beschrieben, sie leit­en sich auch aus Stel­lenbeschrei­bun­gen, der betrieblichen Organ­i­sa­tion und Prax­is unter anderem ab. Ist das Führungskräften immer bekan­nt und sind sie in der Prax­is dazu geschult worden?

In unser­er betrieblichen Prax­is eines großen Unternehmens im Anla­gen­bau stell­ten sich weit­ere Fragen:

  • Müssen wir näher und inves­tiga­tiv­er an die indi­vidu­ellen Wis­sens- und Erfahrung­shor­i­zonte von Führungskräften im Arbeitss­chutz gehen?
  • Müssen beste­hende Unter­weisungskonzepte über­prüft und kri­tisch hin­ter­fragt werden?
  • Wie stellen wir sich­er, dass neue Führungskräfte das erforder­liche Grund­wis­sen zu Sicher­heit und Gesund­heit besitzen?

Diese Her­aus­forderun­gen haben viele Unternehmen. Es ist klar, dass der immer gle­iche Folien­satz in ein­er Unter­weisung auf Dauer seine Wirkung ver­liert und das angepeilte Ziel nicht mehr erre­icht wird. Fol­glich sind Umdenken und mehr soziale Inter­ak­tion notwendig, um Führungskräfte (FK) gut abzuholen.

Unternehmen müssen neue Ansätze entwick­eln und aus­pro­bieren. Erfol­gver­sprechend scheint uns, jede Schu­lung beziehungsweise Unter­weisung inter­ak­tiv und inte­gra­tiv zu gestal­ten, um das best­mögliche Ergeb­nis zu erzie­len. Auch haben wir unter­schiedliche Meth­o­d­en und Medi­en kom­biniert, um ver­schiedene Lern- und Wahrnehmungskanäle anzusprechen.

Neue Führungskräfte unterweisen: Sicherheitskulturleiter und Rollenbild Sifa
Sicher­heit­skul­turleit­er und Rol­len­bild Sifa
Grafik: © Magiera

Elemente der Unterweisung

Je nach FK vari­ieren Meth­o­d­en und Ablauf, Kern sind aber die fol­gen­den Elemente:

  • Anlass: (Neu)-Einstellung vor Arbeits­be­ginn bzw. vor ein­er neuen Tätigkeit als FK
  • The­ma: Schu­lungs- und Unter­weisungskonzept für Führungskräfte
  • Lernziel: Erforder­lich­es Grund­wis­sen zu Sicher­heit und Gesund­heit vor Antritt der Führungsver­ant­wor­tung ver­mit­teln und Rechtssicher­heit herstellen
  • Inhalte: TOP 10 (siehe unten)
  • Meth­o­d­en und Medi­en: Mis­chun­gen aus Lehrvor­trag und- gespräch, Demon­stra­tion und Übung, Mod­er­a­tion und Diskussion
  • Teil­nehmende: Ange­hende oder aktuelle Führungskräfte

In unser­er andauern­den Test- und Erprobungsphase entwick­eln wir ein mehrstu­figes Vorge­hen gemäß dem Mot­to „Nicht alles auf ein­mal rein­wer­fen“, son­dern Feed­backschleifen ein­bauen, um Unter­stützungs­be­darf zu eruieren.

Es begin­nt mit einem per­sön­lichen Gespräch zwis­chen der Fachkraft für Arbeitssicher­heit (Sifa) und der FK. Hier heißt es sich in angenehmer Atmo­sphäre (bess­er) ken­nen­ler­nen und aufzeigen, wie und wo wir unter­stützen kön­nen. Dabei wer­den die Ein­stel­lung und die Grund­ken­nt­nisse zum Arbeitss­chutz erfragt.

Ohne diese Ist-Stand-Erfas­sung ist es son­st nicht möglich, Her­aus­forderun­gen zu lösen oder kri­tis­che Sit­u­a­tio­nen ziel­gerichtet zu verbessern oder anzu­passen. Je nach Wis­sens­stand, Ein­stel­lung und Grund­ken­nt­nis­sen ergibt sich unsere Rolle im Miteinan­der. Wo auf der Sicher­heit­skul­turleit­er befind­et sich die FK und wie müssen wir unterweisen?

Saisonar­beit­skräfte effek­tiv unterweisen

Es ist nicht nachteilig, eine Unter­weisung mit ein­er frontal­en Wis­sensver­mit­tlung zu begin­nen, danach sollte aber ein aktiv­er Part anset­zen. Es fol­gt „Grund­la­gen schaf­fen durch auto­di­dak­tis­ches Ler­nen“. Eine Zuweisung von dig­i­tal­en Unter­weisungsme­di­en mit Gam­i­fi­ca­tion-Aspek­ten zu The­men wie

  • Arbeitss­chutz-Pflicht­en für Führungskräfte
  • Gefährdungs­beurteilung – Pflicht­en für FK
  • Pflich­t­en­del­e­ga­tion FK
  • Mut­ter­schutz für Arbeit­ge­ber (Führungskräfte)
  • Psy­chis­che Belas­tung – Wis­senswertes für FK

Nach Umset­zung erfol­gt eine weit­ere Ein­ladung zum per­sön­lichen Aus­tausch inklu­sive Demon­stra­tion und Übung. Der Aus­tausch erfol­gt auf Basis der TOP 10. Daraus leit­en sich die wesentlichen Punk­te und Inhalte gemäß §§ 6, 9, 10, 11, 12 Arb­SchG aus dem spez­i­fis­chen Betra­ch­tungsraum ab.

TOP 10 Arbeitsschutzwissen für FK

TOP 1 – Gefährdungsbeurteilung

Herzstück der betrieblichen Schutzkonzepte nach dem Arbeitss­chutzge­setz ist die Gefährdungs­beurteilung (GB). Die Gefährdun­gen ergeben sich aus dem Betra­ch­tungsraum mit der zen­tralen Frage für die Führungskraft: Kön­nen meine Mitar­bei­t­en­den ihre Auf­gaben sich­er und gesund ausführen?

Vor den sieben Schrit­ten der sys­tem­a­tis­chen Durch­führung der Gefährdungs­beurteilung ste­ht jedoch das Ver­ste­hen des indi­vidu­ellen Betra­ch­tungsraumes der Führungskraft: Welche Gefährdungs- und Belas­tungs­fak­toren gibt es, was wurde bish­er in der Gefährdungs­beurteilung erfasst, was wurde an Maß­nah­men betrieblich umgesetzt?

Anhand der Beispiele und Gefährdun­gen aus dem jew­eili­gen indi­vidu­ellen Betra­ch­tungsraum (Büro, Werk­statt, Freigelände, Baustelle) ergeben sich in den dargestell­ten Inhal­ten erste Rück­fra­gen. Was sich als bekan­nt im Miteinan­der ergibt, wird nicht weit­er ver­tieft; es geht um Ergänzen und Aufbauen.

TOP 2 – Dokumentation

Das Ergeb­nis der Gefährdungs­beurteilung, die vom Arbeit­ge­ber fest­gelegten Maß­nah­men und das Ergeb­nis ihrer Über­prü­fung müssen doku­men­tiert wer­den. Die neue FK muss wis­sen, was dazu schon vorhan­den ist, wo die Infor­ma­tio­nen zu find­en sind und wo sie etwas nach­le­sen kann.

Was muss sie erledi­gen, wo liegen die jew­eili­gen OSH-Vor­la­gen, wer kann zu welchem The­ma befragt wer­den? Dabei kön­nen wir gut aufzeigen, was schon länger liegt und von der FK zeit­nah ange­fasst wer­den muss.

Doku­men­ta­tion

  • der Prü­fung von Arbeitsmit­teln und Anlagen
  • der Bestel­lung von Sibe, Stich­wort: Who is who
  • von Unfällen und von Erste-Hil­fe-Leis­tun­gen (Vor­la­gen und Formularen)
  • Arbeitsmedi­zinis­che Vorsorgekartei
  • Schriftliche Betrieb­san­weisun­gen und Unter­weisun­gen (Vor­la­gen)

TOP 3 – Beson­dere Gefahren

Hier geht es um gefährliche Arbeit­en und Arbeit­en in gefährlichen Bere­ichen (§ 9 Beson­dere Gefahren).

TOP 4 – Erste Hil­fe und Notfälle

§ 10 Arb­SchG: Wer macht was und wer ist für was ver­ant­wortlich? Beispiele aus dem Betra­ch­tungsraum helfen im Ver­ste­hen: Wo sind Erste-Hil­fe-Doku­mente/In­fos und anderes zu finden?

TOP 5 – Arbeitsmedi­zinis­che Vorsorge

Namen der Beteiligten nen­nen, Betriebs-/Werk­sarzt (wo zu find­en, welche For­mu­la­re, wie in Kon­takt treten), Vor­la­gen wie eine Arbeit­splatz­be­las­tungs­ma­trix zeigen, stets Beispiele nen­nen, was ist an Inhalt zu Top 5 in der indi­vidu­ellen Gefährdungs­beurteilung enthal­ten (§ 11 Arbeitsmedi­zinis­che Vorsorge).

TOP 6 – Unterweisung/Betriebsanweisungen (BA)

Nach § 12 Arb­SchG Unter­weisung: All­ge­meine und spezielle Arten von Unter­weisun­gen und Unter­weisungsan­lässe, bish­er gelaufene Unter­weisungs­the­men im Bere­ich. All­ge­mein­er Auf­bau ein­er BA, Unter­schiede und Gemein­samkeit­en von BAs, spez­i­fis­che Arten von BAs aus dem Bere­ich aufzeigen.

TOP 7 – Beson­ders schutzbedürftige Personengruppen

Nach § 4 Nr. 6 Arb­SchG: Welche Per­so­n­en­grup­pen haben beson­dere Kon­sti­tu­tions- und Dis­po­si­tion­s­merk­male? Gibt es Beschäftigte mit chro­nis­chen Erkrankun­gen, mit Ein­schränkung oder (Schwer-)Behinderung, jugendliche Beschäftigte unter 18 Jahren, wer­dende oder stil­lende Müt­ter, Per­so­n­en, die Tätigkeit­en mit KMR-Stof­fen aus­führen sollen usw.?

Welche Rechtsvorschriften gel­ten für diese und welche sind dabei aus dem Ver­ant­wor­tungs­bere­ich der FK bekan­nt? Auf was muss geschaut wer­den (was ste­ht zu Top 7 in den indi­vidu­ellen Gefährdungsbeurteilungen?)?

TOP 8 – Kon­trolle und Überprüfung

Wie kann und muss das in der betrieblichen Real­ität erfol­gen? Wie läuft die Maßnahme?

TOP 9 – Kommunikation

Neugierig bleiben, informieren, motivieren, ein­beziehen, Wis­sen erweit­ern und weitergeben.

TOP 10 – Vor­bild im Arbeits- und Gesundheitsschutz

Was heißt das und wie kann das in der betrieblichen Real­ität aussehen?

Vor-Ort-Bege­hung und soziale Interaktion

Im Anschluss erfol­gt die schon erwäh­nte Demon­stra­tion und Übung, also die soziale Inter­ak­tion vor Ort: gemein­samer Rundgang und Bege­hun­gen im Ver­ant­wor­tungs­bere­ich der FK – falls möglich mit den Sicherheitsbeauftragten.

Es ist das prak­tis­che Aufzeigen der Inhalte aus dem zuvor gemein­sam durchge­führten Aus­tausch, also die buch­stäbliche Unter­suchung des indi­vidu­ellen Betra­ch­tungsraumes. Hier heißt es hinge­hen, anfassen und aufzeigen. Dabei wer­den BAs, Aushänge, aktuelle Fluchtwege, Ret­tungs- und Brand­schutz­pläne und ‑wege genutzt, Erste Hil­fe und son­stige Not­fall­maß­nah­men besichtigt, einge­set­zte Löschmit­tel und vorhan­dene Meldeein­rich­tun­gen gezeigt.

Je nach Inter­esse erfol­gt ein Ange­bot zu einem gemein­samen späteren Besuch beim Werk­sarzt. Es ist eine erste gemein­same Auf­nahme mit der FK. Sicher­lich lassen sich daraus auch weit­ere Maß­nah­men mitnehmen.

Ergeben sich nach einiger Zeit noch offene Punk­te, kann durch die Meth­ode von Mod­er­a­tion und Diskus­sion ergänzt wer­den z. B. in Form eines Tageswork­shops für Führungskräfte mit Plan­spiel Arbeitssicher­heit oder Angebot/Aufforderung zur Teil­nahme an BG-Kursen mit dem Oberthe­ma „Arbeitss­chutzver­ant­wor­tung bei Führungskräften“ (siehe auch TOP 9/TOP 10) So kann ein finaler Baustein im Konzept erfolgen.

Eine „One size fits all“-Lösung kann es nicht geben. Wir erstellen die Schw­er­punk­te bezo­gen auf die jew­eili­gen Führungskräfte. Was braucht diese aktuell und zeit­nah an Wis­sen, Hil­fe, Unter­stützung und was ist an eini­gen Stellen zunächst „nachrangig“ wichtig?

In der richti­gen Mis­chung ist es nicht nur ein Schu­lungs- und Unter­weisungskonzept für Führungskräfte (im Rah­men der Pflicht­enüber­tra­gung), es zeigt auch die wichtig­sten Führungsmit­tel für Sicher­heit und Gesund­heit auf. Gesun­des Führen heißt, sich an die TOP 10 zu hal­ten. Das ergänzt und formt im besten Sinne die Führungs- und Sicher­heit­skul­tur des Unternehmens.


Autor: Carsten Magiera
Sicherheitsingenieur
Sachver­ständi­ger für Arbeitssicher­heit, Arbeits- und Gesundheitsschutz
Koor­di­na­tor für Sicher­heit und Gesundheit
 
Foto: pri­vat
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