Es kursieren Zahlen, wonach jeder dritte Brand in der Industrie zu Sachschäden von mehr als 500.000 Euro führt. Schnell ist ein Ausmaß erreicht, das zu Insolvenz führen kann, wenn die Abwicklung mit der Feuerversicherung länger dauert oder Kunden nach Engpässen abspringen.1 So führte beispielsweise eine weggeworfene Zigarettenkippe in einem Abfallentsorgungsunternehmen zu ungefähr zwei Millionen Euro Brandschaden.2 Deshalb fordern die Bauordnungen der Bundesländer, dass bauliche Anlagen hinreichend feuersicher geplant, errichtet und während der gesamten Nutzungsdauer unterhalten werden.
In der Industrie ergeben sich brandschutzbezogene Pflichten darüber hinaus vor allem aus dem Arbeitsschutzrecht, unter anderem aus der Technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A2.2 (Maßnahmen gegen Brände) und der TRGS 800 (Brandschutzmaßnahmen). Außerdem können Anforderungen in Anlagengenehmigungen festgelegt sein. Nicht nur aus technischer Sicht, sondern auch aus rechtlicher gehören deshalb zum vorbeugenden Brandschutz neben baulichen Maßnahmen auch organisatorische wie die Begrenzung von Brandlasten und Maßnahmen aufgrund von Brandschutzordnungen.3
Delegation von Pflichten
Nach deutschem Recht sind grundsätzlich die Geschäftsführer bzw. Vorstände für alle das Unternehmen treffenden Pflichten persönlich verantwortlich. Praktisch ist dies natürlich nicht zu leisten, und deshalb beauftragen die Führungsspitzen regelmäßig andere Personen damit. Rechtliche Grenzen gibt es dafür kaum, wenn bestimmte grundlegende Anforderungen eingehalten werden.
Das Recht setzt nicht einmal voraus, dass eine Aufgabe schriftlich übertragen wird – das empfiehlt sich wegen der besseren Nachvollziehbarkeit, ist aber keine zwingende Anforderung. Pflichten müssen allerdings lückenlos verteilt sein, und es dürfen keine Doppelzuständigkeiten bestehen. Es darf nicht dazu kommen, dass „im Ergebnis niemand Verantwortung trägt, sondern jeder auf die Erfüllung der Pflichten durch seine Arbeitskollegen vertraut“. Deshalb müssen „die Verantwortlichkeit und die Kompetenzen zwischen den einzelnen Mitarbeitern verteilt und abgegrenzt“ sein.4 Jede Pflicht muss eindeutig genau einer Stelle innerhalb der Organisation zugewiesen werden (inklusive notwendiger Stellvertretungsregelungen). Schnittstellen müssen präzise definiert und trennscharf gestaltet werden, Aufgaben und Zuständigkeiten mehrerer Mitarbeiter dürfen sich nicht überschneiden. Jede Verantwortlichkeit muss der richtigen Stelle innerhalb der Organisation zugewiesen sein, wobei richtig aus juristischer Sicht vor allem bedeutet, dass die Stelle mit hinreichenden sächlichen, personellen und zeitlichen Ressourcen ausgestattet ist und über ausreichende Weisungsbefugnisse verfügt, um der übertragenen Verantwortung gerecht werden zu können (Kongruenz von Aufgaben und Befugnissen).
Eine solche Delegation hat aus rechtlicher Sicht große Bedeutung, denn in dem Maß, wie Unternehmenspflichten auf Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen übertragen werden, geht die rechtliche Verantwortung für ihre Erfüllung auf die Delegationsempfänger über. Das betrifft in der Praxis meist die Frage, wer wegen Ordnungswidrigkeiten herangezogen wird (schlimmstenfalls sogar wegen Straftaten); manchmal geht es auch um die wirtschaftliche Haftung für Schäden, die aber jedenfalls für interne Beauftragte weniger dramatisch ausfällt, weil sie im Regelfall von der Haftungsvergünstigung (Privilegierung) profitieren, welche für Arbeitnehmer in diesem Bereich gilt (anders sieht es für externe Beauftragte aus). Bei den Führungskräften bleibt nur eine Restverantwortung zur richtigen Auswahl, Einweisung und Überwachung der Delegationsempfänger sowie für die oben skizzierte richtige Organisation.
Bei der Delegation von Rechtspflichten gilt also kein Fire and forget-Prinzip. Dies deswegen, da § 130 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) Betriebs- beziehungsweise Unternehmensinhaber für unzureichende Aufsichtsmaßnahmen verantwortlich macht, falls es zu Pflichtverstößen kommt, und auf dieser Grundlage sind empfindliche Bußgelder möglich, auch gegen das Unternehmen selbst.
Recht und Brandschutzbeauftragte
Diese rechtlichen Grundlagen gelten auch für Brandschutzbeauftragte, für die beziehungsweise deren Aufgaben es keine einheitliche gesetzliche Definition gibt. Anders ist es nur in besonderen Fällen, die zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen in der Sonderbauverordnung oder der Industriebaurichtlinie geregelt sind. Nach der Sonderbauverordnung NRW haben zum Beispiel Brandschutzbeauftragte für Verkaufsstätten unter anderem dafür zu sorgen, dass Ladenstraßen, notwendige Flure für Kunden und Hauptgänge nicht durch Einbauten, feste Einrichtungen, Waren oder Gegenstände, die der Präsentation dienen, eingeengt sind. Die Industriebaurichtlinie NRW fordert für Industriebauten oberhalb einer bestimmten Größe, Brandschutzbeauftragte zu bestellen und überträgt diesen zum Beispiel die Aufgabe, die Einhaltung des genehmigten Brandschutzkonzeptes und der sich daraus ergebenden betrieblichen Brandschutzanforderungen zu überwachen und Mängel zu melden.
Abgesehen von diesen Fällen sind Unternehmen aus rechtlicher Sicht frei in der Entscheidung darüber, ob sie einen Brandschutzbeauftragten bestellen und welche Aufgaben sie ihm übertragen. Dann muss im Einzelfall geklärt werden, was gemeint ist, wenn ein Mitarbeiter zum Brandschutzbeauftragten ernannt wird. Der Begriff „Brandschutzbeauftragter“ allein sagt nichts Konkretes aus, wenn er nicht auf einen klaren Aufgabenkatalog Bezug nehmen kann, und die Führungsspitze des Unternehmens ist rechtlich nicht darauf festgelegt, alle brandschutzbezogenen Pflichten auf eine bestimmte Person zu übertragen. Aber auch in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen muss die Bestellung zum Brandschutzbeauftragten sorgfältig durchdacht werden, denn es ist rechtlich möglich, einem (zum Beispiel bei Sonderbauten) gesetzlich vorgeschriebenen Brandschutzbeauftragten zusätzlich Aufgaben zu übertragen, die in der gesetzlichen Definition nicht vorgesehen sind: Das Recht erlaubt Unternehmen, sich die interne Struktur zu geben, die sie als sinnvoll erachten, solange alle Pflichten im Ergebnis ordnungsgemäß erfüllt werden. Entscheidend ist, dass eine schlüssige Organisation tatsächlich existiert.
Dies bedeutet, dass die rechtliche Verantwortlichkeit von Brandschutzbeauftragten in vielen Fällen weniger von gesetzlichen Vorgaben abhängt als von den Aufgaben, welche sie konkret aufgetragen bekommen. Anhaltspunkte für Aufgaben, die typischerweise auf Brandschutzbeauftragte übertragen werden, finden sich zum Beispiel in der DGUV Information 205–003 („Aufgaben, Qualifikation, Ausbildung und Bestellung von Brandschutzbeauftragten“) oder in der „Information über die Notwendigkeit von Brandschutzbeauftragten“ des VdS:
- Erstellen / Fortschreiben einer Brandschutzordnung,
- Mitwirken bei Beurteilung von Brand- und Explosionsgefährdung,
- Beraten bei feuergefährlicher Arbeit / Einsatz brennbarer Arbeitsstoffe / Löschmitteleinrichtungen,
- Mitwirken bei Einhalten der Brandschutzbestimmungen / Kontrolle,
- Mitwirken bei internen Brandschutzbegehungen / Mängel erkennen und melden,
- Mängelbeseitigung überwachen,
- Prüfen der Lagerung brennbarer Stoffe,
- Kontrollieren von Fluchtwegen.
Eine solche Liste erfordert aber immer noch einige Überlegungen. Hauptsächlich geht es darum, dass die genannten Aspekte einerseits eine Unterstützungsarbeit für die (dann verantwortlich bleibende) Führungskraft darstellen können. Andererseits kann man mit ihnen das Bild eines umfassend persönlich verantwortlichen Brandschutzbeauftragten zeichnen, von Planung bis zur Umsetzungskontrolle. Rechtlich zulässig ist beides – deshalb ist wichtig zu entscheiden und schriftlich klarzustellen, was im Einzelfall gewollt und gemeint ist: Jede Delegation muss hinreichend bestimmt sein, ihre Tragweite und ihr Anwendungsbereich klar zu erkennen. Der Aufgabenempfänger muss vorhersehen können, worauf sich seine Verantwortung erstrecken soll. Zweifel gehen zu Lasten der delegierenden Person, sind aber auch aus Sicht des Brandschutzbeauftragten nicht wünschenswert, denn im Ernstfall führen sie zu einer Diskussion. Es ist für alle Beteiligten ein unsicherer Weg, darauf zu vertrauen, dass eine Aufgabenübertragung „schon richtig“ verstanden wird.
Rechtliche Risiken im Brandfall
Wenn es zum Brand kommt, Sachen beschädigt oder sogar Menschen verletzt werden, stellt sich nämlich immer die Frage, ob bzw. wer dafür persönlich haftet. Die juristischen Eckpunkte: Brandstiftung und Körperverletzung kann man nach den entsprechenden Rechtsnormen nicht nur vorsätzlich begehen, sondern auch fahrlässig. Das gilt ebenso für die zivilrechtliche Haftung, also die Frage nach Schadensersatz. Jeder, der einen Schaden fahrlässig mitverursacht hat, kann dafür theoretisch rechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Dabei muss es nicht einmal um fremdes Eigentum gehen. Vor einigen Jahren standen vor dem Bundesverwaltungsgericht allein für die Entsorgung von kontaminiertem Löschschaum Kosten in Höhe von etwa einer halben Million Euro im Raum.5 Ähnlich beeindruckend war der von einer Werkfeuerwehr nach einem Löscheinsatz bei einem anderen Industrieunternehmen geltend gemachte Betrag für Schaumbildner in Höhe von
274 500 DM.6
Als Anknüpfungspunkt für eine Haftung genügt prinzipiell jedes Handeln, was zum Schaden beiträgt, also zum Beispiel eine Anweisung, trotz Sicherheitsmängeln ein Gebäude zu nutzen. Dementsprechend haftete ein Vermieter für die beim Löscheinsatz erlittenen Verletzungen eines Feuerwehrmanns, weil sein Verwalter eine Halle für Schweißarbeiten vermietet hatte, die dafür völlig ungeeignet war.7 Abgesehen davon rechtfertigen Brandschutzmängel unter Umständen die sofortige Nutzungsuntersagung durch die zuständige Behörde.8 Und darüber hinaus sanktioniert das Recht auch Passivität in manchen Fällen, und zwar dann, wenn eine Person dazu verpflichtet gewesen wäre, eine Gefahr abzuwehren. Juristen sprechen dann von einer Garantenstellung und von Verkehrssicherungspflichten. Beides liegt in Bezug auf den Brandschutz nicht besonders fern, weil es – siehe oben – diverse Rechtspflichten gibt, einen sicheren Zustand herzustellen.
Das, was „man halt schon immer so macht“, ist aus rechtlicher Sicht nicht automatisch genug – siehe ein schon etwas älteres Urteil des Landgerichts Bochum, das einem Monteur Fahrlässigkeit attestierte, der sich beim Trennschleifen so aufstellte, dass Funken in Richtung einer brennbaren Folie im Innenraum eines Theaters flogen.9 Und auch zum Vorsatz ist die Schwelle niedriger als Laien manchmal denken, denn Vorsatz beginnt aus juristischer Sicht deutlich vor absichtlichem Handeln. Schon wer einen Schaden billigend in Kauf nimmt, kann sich mit einem Vorsatzvorwurf konfrontiert sehen. Dafür reicht unter Umständen aus, ein Bauvorhaben nicht ordnungsgemäß zu überwachen.10
Fazit
Alles in allem stellen Delegationen keine unlösbaren rechtlichen Anforderungen dar, dürfen aber auch nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Sowohl die Führungsspitze als auch Brandschutzbeauftraugte müssen Wert auf Klarheit legen. Wenn es zum Schwur kommt, sind die Risiken sonst zu hoch.
Fußnoten:
1 Siehe bvfa – Bundesverband Technischer Brandschutz e.V., Risk Management: Brandschutz wird zur Existenzfrage, Brandschutz kompakt 2/2007, S. 1 f. – demnach überstehen drei Viertel der von einem Großbrand betroffenen Unternehmen das Ereignis nicht.
2 VGH Mannheim, Urteil vom 07.10.2014 – 1 S 1327/13.
3 Beispiele von Czepuck, in: Gädtke/Czepuck/Johlen/Plietz/Wenzel, BauO NRW, 12. Aufl. 2011, § 17 Rn. 7a.
4 OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.11.1998 – 2 Ss OWi 385–98
5 BVerwG, Urteil vom 15.10.2014 – 7 C 1.13; ausführlich ist der Sachverhalt in der erstinstanzlichen Entscheidung geschildert:
VG Arnsberg, Urteil vom 19.04.2010 – 14 K 2368/09.
6 VG Halle, Urteil vom 20.09.2001 – 3 A 58/01.
7 BGH, Urteil vom 04.06.1996 – VI ZR 75/95.
8 VG Karlsruhe, Beschluss vom 18.04.2016 – 3 K 2926/15.
9 LG Bochum, Urteil vom 30. 10. 1985 – 6 O 12/84.
10 OLG Oldenburg, Urteil vom 31.08.2004 – 12 U 63/04.
Autor: Dr. Michael Neupert
Rechtsanwalt
Kümmerlein, Simon & Partner
Rechtsanwälte mbB