Gesund führen, was heißt das eigentlich? Wir kümmern uns darum, dass unsere Mitarbeiter nicht nur ohne Verletzung oder berufsbedingte Erkrankung nach Hause gehen, sondern auch gesund bleiben und werden. Und was heißt gesund? Sind wir gesund, wenn wir nicht krank sind?
Das wäre eindimensional und zu einfach. Es gibt viele Faktoren, die zu unserem Wohlbefinden oder andersherum auch zu Krankheiten beitragen. Es ist ein Prozess, der Körper, Psyche, soziale, ökologische, ökonomische und kulturelle Komponenten beinhaltet.
Der Begriff „gesund führen“ ist nicht eindeutig definiert. Wichtig scheint mir vor allem die Betonung, dass es sowohl um körperlich gesund als auch um mental gesund geht. Letztlich bedingt sich beides sowieso. Es geht um mehr als Obstkorb, mobile Massage und Bewegungspause.
Ohne Sinn keine Gesundheit
Wie bei vielen Dingen kann man Ansätze suchen, die das Thema von hinten, vom Symptom angehen, also Stress reduzieren durch Entspannungsübungen. Oder man beginnt von vorne und schaut, wie Gesundheit und Wohlbefinden entstehen und was es dazu braucht.
Salutogenese ist das dahinterstehende Konzept, das erforscht, wie Gesundheit entsteht. Das zu wissen, ist eine wichtige Voraussetzung für gesundes Führen. Das Konzept der Salutogenese besteht aus drei Säulen: Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit.
Verstehbarkeit bedeutet, dass Menschen verstehen, was um sie herum passiert. Dass sie sich einordnen und strukturieren können. Unter Handhabbarkeit versteht man, dass Menschen ihr Leben selbst in die Hand nehmen können und sicher sind, die nötigen Ressourcen für die anstehenden Herausforderungen zu haben.
Bedeutsamkeit heißt, dass Menschen einen Sinn sehen, in dem, was sie tun. Laut Ruth Maria Mattes* ist Bedeutsamkeit das Wichtigste. Sinnerleben beziehungsweise eine sinnstiftende Arbeit haben einen positiven Einfluss auf die Gesundheit und das Wohlbefinden, was in Studien durch weniger Fehlzeiten und berufsbedingte Erkrankungen nachgewiesen werden konnte.
Für gesundes Führen braucht es also eine salutogenetische Haltung, indem man die Komponenten Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit lebt und umsetzt. Nicht nur für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, auch für sich selbst, Stichwort Vorbild.
Selbst- und Mitverantwortung
Das Thema „gesundes Führen“ wird bisher vorwiegend in großen Unternehmen propagiert und unterstützt. In kleinen und mittelständischen Unternehmen sind solche Initiativen eher selten – allerdings nicht minder wichtig!
„Jeder ist für seine Gesundheit selbst verantwortlich.“ Das ist richtig, entbindet Unternehmen aber nicht von der Pflicht, sich um Gesundheit und Wohlbefinden ihrer Belegschaft zu kümmern. Es gibt beim Thema Gesundheit sowohl eine Selbstverantwortung jedes Einzelnen wie auch eine Mitverantwortung des Unternehmens beziehungsweise der Führungskräfte.
Hierbei geht es um die Gestaltung der Arbeitsbedingungen und das Führungsverhalten, die sich direkt oder indirekt auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden auswirken.
Was kann man tun?
Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Führungskräfte können auf die Rahmenbedingungen innerhalb des Unternehmens einwirken. Sie sind beteiligt an der Gestaltung der Arbeitsbedingungen und können mit den ihnen bekannten Instrumenten einen Fokus auf das Thema Gesundheit setzen. Indem sie eine unterstützende und positive Arbeitsumgebung schaffen, können sie dazu beitragen, dass sich ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesund und wohl fühlen.
Führungskräfte können dies erreichen, indem sie klare und transparente Kommunikation fördern, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Entscheidungsprozesse einbeziehen und sie in ihrer persönlichen und beruflichen Entwicklung unterstützen. Sie können auch dafür sorgen, dass die Arbeitsbelastung angemessen verteilt wird und dass Arbeitsaufgaben mit den Fähigkeiten und Interessen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übereinstimmen.
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Instrument Gefährdungsbeurteilung
Wenn es um psychische Gesundheit geht, wäre ein erster Ansatz, die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen umfassend durchzuführen. Daraus entsteht ein Bild des Status-quos im Unternehmen und idealerweise auch passende Handlungsoptionen.
Wenn es um körperliche Gesundheit geht, kann man ebenfalls das Instrument der Gefährdungsbeurteilung nutzen und etwas ganzheitlicher und genauer hinsehen, als das in vielen Fällen gemacht wird. Sicher lohnt ein Blick darauf, wie Schichtarbeit, Ergonomie, Pausenregime, Arbeitszeiten, Beleuchtung gehandhabt werden und ob es Potenzial für Verbesserungen gibt.
Seminare und Workshops
Um Führungskräfte für das Thema zu sensibilisieren und Impulse für ein besseres Führungsverhalten zu setzen, werden meist Seminare oder Workshops organisiert. Hierbei geht es um Themen wie (Selbst-) und (Fremd-)Wertschätzung sowie körperliches und psychisches Wohlbefinden. Die eigene Wertschätzung ist die Basis für eine wertschätzende Haltung anderen gegenüber. Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden gehört zu den wichtigsten Führungskompetenzen und bestärkt viele der oben genannten Faktoren.
Ganzheitliches Wohlbefinden
Typische Beispiele zum Thema körperliches und psychisches Wohlbefinden sind Umgang mit Stress, Resilienz, Achtsamkeit, gesunde (Selbst-)Führung, Glaubenssätze und innere Antreiber, Ernährung und Bewegung. Diese Themen sind nicht nur für Führungskräfte, sondern für alle Mitarbeiter relevant. Sie unterstützen und bestärken sie, sich um ihre eigene Gesundheit zu kümmern.
Für Seminare und Workshops ist es wichtig, dass die Konzepte darauf ausgerichtet sind, dass die Inhalte gut in die Praxis eingebaut und umgesetzt werden können. Damit bei den Teilnehmenden nicht das Gefühl entsteht, dass das alles nichts bringt. Aus diesem Grund ist es hilfreich, sich Experten ins Boot zu holen.
Abgesehen von der Auswahl der passenden Konzepte und Maßnahmen ist es unumstritten, dass gesunde Mitarbeiter im Allgemeinen leistungsfähiger und motivierter sind und damit für mehr Produktivität und Erfolg sorgen.
Fazit
Gesundes Führen ist Teil eines ganzheitlichen Arbeitsschutzverständnisses. Das ist nicht neu. Dennoch müssen wir uns verstärkt damit auseinandersetzen, weil das Thema in den meisten Betrieben noch nicht die Aufmerksamkeit erfährt, die es verdient. Es geht darum, Arbeitsbedingungen und Führungsverhalten zu verbessern und Impulse für mehr Gesundheit und Wohlbefinden aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu geben. Die Gefährdungsbeurteilung ist ein bewährtes Instrument, um geeignete Maßnahmen zu definieren.
*Ruth Maria Mattes: Gesunde Führung in der VUCA-Welt, November 2022
Foto: © Barbara Klein