Die Stechuhr, mit der sich Arbeitszeiten erfassen und dokumentieren lassen, steht der Idee von New Work gewissermaßen entgegen. In Zeiten des hybriden Arbeitens, flexiblen Arbeitszeitmodellen und diversen Home-Office-Arbeitsplätzen könnte man meinen, dass die Arbeitszeiterfassung durch den Arbeitgeber überholt und durch Vertrauensarbeitszeit zu ersetzen sei. Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt sieht in seinem Urteil vom 13. September jedoch nun eine generelle Pflicht der Arbeitszeiterfassung.
Hintergrund des Urteils
Der antragstellende Betriebsrat und die Arbeitgeberinnen, die eine vollstationäre Wohneinrichtung als gemeinsamen Betrieb unterhalten, schlossen im Jahr 2018 eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit. Zeitgleich verhandelten sie über eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung. Eine Einigung hierüber kam nicht zustande. Auf Antrag des Betriebsrats setzte das Arbeitsgericht eine Einigungsstelle zum Thema „Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung“ ein. Nachdem die Arbeitgeberinnen deren Zuständigkeit gerügt hatten, leitete der Betriebsrat dieses Beschlussverfahren ein. Er hat die Feststellung begehrt, dass ihm ein Initiativrecht zur Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems zusteht.
Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Arbeitgeber ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmenden geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann. Aufgrund dieser gesetzlichen Pflicht kann der Betriebsrat die Einführung eines Systems der (elektronischen) Arbeitszeiterfassung im Betrieb nicht mithilfe der Einigungsstelle erzwingen. Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Betriebsverfassungsgesetz besteht nur, wenn und soweit die betriebliche Angelegenheit nicht schon gesetzlich geregelt ist.
Basis für ein Grundsatzurteil zur Arbeitszeiterfassung
Die Arbeitsrichter urteilten am 13. September, dass in Deutschland eine Pflicht zur Arbeitszeiterfassung besteht. Das Urteil basiert auf Auslegung des deutschen Arbeitsschutzgesetzes nach dem sogenannten Stechuhr-Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Im deutschen Arbeitszeitgesetz sind derzeit nur das Erfassen von Überstunden und Sonntagsarbeit als verpflichtend definiert. Doch laut der Arbeitsrichter sind Arbeitgeber nach deutschem Recht auch jetzt schon verpflichtet, ein System der Arbeitszeiterfassung einzuführen und zwar nach § 3 des Arbeitsschutzgesetzes.