Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz beruhen auf Grundlagen der Ethik, die nicht immer gleichermaßen in die Praxis umgesetzt werden. Manchmal werden Erfordernisse der Arbeitssicherheit – eine menschengerechte Arbeitsgestaltung, Umweltschutz und andere Notwendigkeiten – den monetären Bestrebungen untergeordnet. Glücklicherweise eine Praxis, die in Europa nur sehr selten vorkommt.
„Stabile, von Vertrauen geprägte Arbeitsbeziehungen zu Menschen aufzubauen, ohne ihnen in die Augen schauen oder auf die Schulter klopfen zu können, ist eine der größten Herausforderungen der digitalen Arbeitswelt.“ ist ein Zitat von Tom Haak, Direktor des HR-Instituts – ein Zitat, das in Verbindung mit einer Veränderung der Arbeitswelt aufgrund der noch immer herrschenden Pandemie an Bedeutung gewonnen hat. Covid-19 oder der Ukraine-Krieg mit all seinen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben auch in der Arbeitswelt ihre Spuren hinterlassen.
Interviewreihe zur Arbeitsethik
Dies haben wir zum Anlass genommen, eine Reihe von Interviews mit verschiedenen Experten zu führen, um die Bedeutung von Ethik in der Arbeitssicherheit zu beleuchten.
Neben den sehr interessanten Ausführungen und Blickwinkeln der Interviewpartner aus verschiedenen Unternehmen und Verbänden, haben wir auch die Sichtweise von Hochschul-Professoren /innen nicht unbeachtet gelassen.
In Einem sind sie sich einig: Prävention und ein gelebtes Arbeitssicherheitsmanagement sind existenziell:
- „Ein nicht zu unterschätzender Bestandteil der Unternehmensethik ist die Führungsethik, da insbesondere Führungskräfte mit Werthaltungen Unternehmen stark prägen. Hierbei muss es den Führungskräften möglich sein, auch zu reflektieren und die Unternehmensstrategie in Frage zu stellen.“ (Prof. Stephan Convent/Diploma Hochschule)
- „Mit ethischen Grundsätzen verhält es sich ähnlich wie zum Beispiel mit nachhaltigkeits- oder arbeitsschutzbezogenen Grundsätzen. Sie entwickeln ihre gewünschte (langfristige) Wirkung nur dann, wenn sie in Weg und Ziel von den Betroffenen akzeptiert und konsequent von den Akteuren auch umgesetzt werden. Sie müssen zudem klar sein und gegebenenfalls auch verteidigt werden, unter anderem gegenüber scheinbar anderen „aktuell wichtigeren“ Zielen. Dies gilt für den staatlichen Arbeitsschutz im Rahmen der Regelsetzung ebenso, wie für den gelebten betrieblichen Arbeitsschutz.“ (Prof. Anke Kahl/Universität Wuppertal)
- „Gelebter Arbeitsschutz sollte zu einer guten Lebens- und Arbeitsqualität für alle Akteurinnen und Akteure in einem Unternehmen oder einer Einrichtung führen. Um dies zu erreichen, sind eine gute Gesprächskultur und gemeinsame Vereinbarungen für mehr Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit unerlässlich.“ (Dr. Stefan Hussy/Hauptgeschäftsführer der DGUV)
- „Gute Arbeitssicherheit ist das Äquivalent einer gelebten Ethik.“ (Prof. Monika Eigenstetter)
Bei einem oftmals angeführten Argument, dass Unternehmen die Wirtschaftlichkeit und Gewinnmaximierung vor den Gesundheitsschutz stellen, sind Dr. Ralf Franke (Siemens AG) und Dr. Stefan Hussy (DGUV) einer Meinung: „Die Gesundheit von Mitarbeitern hat immer Priorität vor dem Streben nach Gewinnmaximierung. Das darf keine Herausforderung sein, sondern eine Selbstverständlichkeit.“ (Franke) „Erfolgreiches Wirtschaften steht nicht im Widerspruch zu ethischen Grundsätzen, im Gegenteil. Langfristig erfolgreiche Unternehmen und Organisationen basieren auf einem Wertegerüst und einer darauf aufbauenden Unternehmenskultur. Investitionen in die Prävention rechnen sich für Unternehmen, sie sind eine wichtige Grundlage für den Erfolg.“ (Hussy).
Allerdings haben alle Gesprächspartner auch ihre ganz persönlichen Wünsche, um den bislang erreichten guten ethischen Arbeitssicherheitsstandard noch weiter zu verbessern. Prof. Stephan Convent von der Diploma Hochschule wünscht sich international verbindliche „… hohe Mindeststandards…“. Dr. Stefan Hussy sieht ein verstärktes Bewusstsein im „… täglichen Tun und Handeln …“, während Prof. Monika Eigenstetter ein verstärktes Verständnis für eine Verbesserung des Status quo sieht. Auch wenn wir in Deutschland einen guten Standard erreicht haben, haben alle Unternehmen noch einiges zu tun. Insbesondere neue Gesetzgebungen, wie beispielsweise das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, forcieren die Auseinandersetzung mit der Umsetzung der darin enthaltenen unternehmensethischen Anforderungen. Und auch die Themen psychische Gesundheit und veränderte Rahmenbedingungen wie vermehrtes mobiles Arbeiten im Homeoffice erfordern noch viele weitere Anstrengungen und Aktivitäten von Seiten der Unternehmen und der Arbeitssicherheit.
Fazit
Ein wachsendes Bewusstsein für Ethik und Arbeitssicherheit wird das Vertrauen von Beschäftigten und Geschäftspartnern stärken. Die Realisierung einer verbesserten Gestaltung von Arbeitsbedingungen macht es erforderlich, sich mit den gesellschaftlichen Gegebenheiten, Politikern und Regierungen ebenso auseinanderzu setzen, wie die Bedürfnisse der Arbeitnehmer zu berücksichtigen.
Wie Aristoteles schon sagte: „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“
Das Ziel jedes Unternehmens sollte sein, eine Rendite zu erwirtschaften, die ein hohes Maß an Integrität, Respekt und Einhaltung aller Gesetze und Vorschriften beweist – jeden Tag … weltweit.
Autorin:
Saskia Rotterdam